Der Streit zwischen Daimler und dem SWR über eine Undercover-Reportage schwelt seit einem Jahr. Die erste Instanz gewann der Sender, jetzt geht es in die nächste Runde.
Quelle: picture alliance / dpa Stuttgart - Die SWR-Reportage "Hungerlohn am Fließband" zog die Aufmerksamkeit auf Werkverträge bei Daimler und brachte dem Autohersteller viel Kritik ein. Der Konzern will die nochmalige Ausstrahlung der heimlich entstandenen Aufnahmen verhindern und hat den Sender deshalb auf Unterlassung verklagt. Vor dem Oberlandesgericht wird der Streit am Mittwoch (14:00 Uhr) weiter geführt. Worum geht es in dem Fall?Es geht um eine Reportage aus dem Jahr 2013 über Niedriglöhne. Dafür hatte ein Reporter des Südwestrundfunks (SWR) bei Daimler mit versteckter Kamera in einem Werk des Autobauers gedreht. Er war getarnt als Mitarbeiter einer Logistikfirma. Ein Vorwurf in dem Bericht: Daimler soll über Werkverträge an seinen Fließbändern Menschen beschäftigen, die deutlich weniger Gehalt bekommen als Festangestellte und ihren Lebensunterhalt mit Hartz IV aufstocken müssen. Daimler hält den Beitrag für manipulativ und will die weitere Ausstrahlung verhindern. Der SWR hält die Verwendung der Aufnahmen für rechtmäßig. Wie fiel die Entscheidung in erster Instanz aus?Das Landgericht Stuttgart stärkte dem Südwestrundfunk den Rücken. Der Sender dürfte den Beitrag nach dem Urteil vom Oktober im Prinzip also weiter zeigen. Zwar seien die Aufnahmen rechtswidrig entstanden, begründete der Vorsitzende Richter. Allerdings überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, da der Beitrag über Missstände durch Werkverträge informiere. Wie reagierte Daimler?Die Autohersteller ist in Berufung gegangen. Deshalb landet der Fall nun vor dem Oberlandesgericht. Notfalls, kündigte Daimler an, wolle man durch alle gerichtlichen Instanzen gehen. Wird die Reportage weiter ausgestrahlt?Bislang ist das nicht vorgesehen, sagte ein SWR-Sprecher, auch wenn der Sender sich weiterhin im Recht sieht. Das habe mit der Programmplanung beim SWR zu tun. Was ist das Problem mit Werkverträgen?Mit einem Werkvertrag kann ein Unternehmen Arbeitsaufträge an eine andere Firma vergeben. Den Lohn zahlt aber der Auftragnehmer nach seinem jeweiligen Tarifgefüge. Die Mitarbeiter werden also unter Umständen schlechter bezahlt als die fest angestellten Mitarbeiter des Auftraggebers. Der darf die Beschäftigten des Werkvertrag-Nehmers dafür nicht wie eigene Mitarbeiter behandeln. Er darf ihnen zum Beispiel keine direkten Weisungen geben. Wird sich daran etwas ändern?Werkverträge stehen vor allem bei Arbeitnehmervertretern in der Kritik. Gewerkschaften wie die IG Metall befürchten, dass Werkverträge zum Lohndumping genutzt werden und Aufgaben, die früher von Leiharbeitern erfüllt wurden, mehr und mehr an die meist schlechter gestellten Werkvertragsnehmer gegeben werden. Die Gewerkschaften fordern Mitspracherecht für Betriebsräte bei der Vergabe. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kündigte im Frühjahr an, Werkverträge künftig vom Zoll kontrollieren lassen zu wollen. Noch in diesem Jahr soll ein Gesetz für mehr Transparenz bei Leiharbeit und Werkverträgen erarbeitet werden. Wie sehen Unternehmen die Kritik an Werkverträgen?Viele Firmen sehen in Werkverträgen ein wichtiges Instrument, um Aufträge zu vergeben - etwa Malerarbeiten oder Logistikdienstleistungen. Sie sehen Werkverträge außerdem als wichtiges Instrument, flexibel auf anfallende Aufträge zu reagieren. Daimler hat inzwischen extra Standards für die Vergabe festgelegt. Danach sollen sich beauftragte Firmen etwa nach den Lohnuntergrenzen im jeweils für ihre Branche geltenden Tarifvertrag richten. Gesetzesänderungen lehnte Personalchef Wilfried Porth im vergangenen Jahr aber ab. Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht |