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Mercedes 600 Pullman: Rückblick - Daimlers dickstes Ding

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Auf den Straßen sah in fast niemand, in der Tagesschau regelmäßig ganz Deutschland: Den Mercedes 600 Pullman. Die staatstragende Limousine ist heute rares Sammlerstück.

15 Pullman ließ Mercedes in den letzten 30 Jahren restaurieren 15 Pullman ließ Mercedes in den letzten 30 Jahren restaurieren Quelle: dpa/Picture Alliance

Stuttgart - Fotografen schrauben die Weitwinkelobjektive auf. Jeder will einen Blick in den Fond werfen: Wenn Mercedes einen neuen Pullman präsentiert, spielen sich immer die gleichen Szenen ab. Das war bei der Premiere der aktuellen, 6,49 Meter langen XXL-Version der S-Klasse nicht anders als auf der IAA 1963. Damals begann die Geschichte der staatstragenden Limousine.

Als "Groß-Reise- und Repräsentationswagen" sollte das Auto "alles in den Schatten stellen, was in der Klasse hochkarätiger Limousinen bisher für ambitionierte Kunden in aller Welt zu haben ist", heißt es in einer Firmenchronik.

Diese Mission hatte der 600er schon mit seiner Premiere erfüllt. Kein anderes Auto wurde auf der Messe so oft fotografiert und umlagert wie das neue Flaggschiff aus Stuttgart. Schnell trudelten von überall aus der Welt erste Bestellungen ein: Regierungen und Königshäuser, Superreiche, Sultane und Showstars - alle wollten das Auto kaufen, das als deutsche Antwort auf Rolls-Royce den Wiederaufstieg der Bundesrepublik dokumentierte.

Vorfahrt beim Bundespräsidenten - schon die Ankunft bei der Villa Hammerschmidt im Mercedes 600 Pullmann machte einen Staatsbesuch zum besonderen Ereignis. Vorfahrt beim Bundespräsidenten - schon die Ankunft bei der Villa Hammerschmidt im Mercedes 600 Pullmann machte einen Staatsbesuch zum besonderen Ereignis. Quelle: Thomas Geiger

Einzigartig in Deutschland

Schon die normale Limousine war ein Statussymbol, wie es kein anderer deutscher Hersteller im Programm hatte. Doch wirklich staatstragend wurde der 600er erst als Pullman mit knapp 70 Zentimetern mehr Radstand und dritter Sitzreihe für Protokollbeamte oder Dolmetscher. Dass damit der Preis von 56.500 Mark auf 63.500 Mark kletterte, damals der Gegenwert eines schmucken Reihenhauses, war den meisten Kunden egal.

Außerdem gab es dafür ja nicht irgendeine Prunk-Karosse. "Der Pullman war nicht mehr und nicht weniger als das beste Auto seiner Zeit", sagt Peter Schellhammer. Er muss es wissen: Als "Flying Doctor" war er weltweit für die Wartung der rollenden Regierungsbank zuständig.

Auf der Straße dürfte kaum jemand je einen 600 Pullman gesehen haben. In knapp 20 Jahren wurden nur 2.677 600er gebaut, darunter 428 Pullman. Im Fernsehen war er jeden zweiten Abend zu sehen: Es gab kaum eine Tagesschau, in der dieser Benz nicht im Dienst eines Staates über den Bildschirm flimmerte.

Der Pullman war zwar Daimlers dickstes Ding, doch es ging sogar noch dekadenter: In rund 100 Tagen Handarbeit hat Mercedes das Auto damals auch zum Landaulet mit Cabrioverdeck über der Rückbank umgebaut und so zum Paradewagen gemacht. Sogar der Papst ließ sich darin fahren.

Für den Einsatz im diplomatischen Dienst bekam der 600er Technik, die es sonst nirgends gab, erinnert sich Schellhammer. Dabei denkt er nicht nur an Offensichtliches wie die Trennscheibe im Innenraum, die Wechselsprechanlage oder das Barfach. Sondern zum Beispiel an das speziell abgestufte Getriebe:

Der 6,3 Liter große V8-Motor mit 250 PS ermöglichte einerseits eine damals enorme Höchstgeschwindigkeit von 207 km/h. Andererseits musste der Pullman bei Paraden stundenlang im Kriechgang rollen. Eine weitere Besonderheit: "Damit Politiker auf den Pressefotos eine gesunde Gesichtsfarbe hatten, wurde der Fond orange ausgeleuchtet."

Mercedes-Benz 600 (W 100, 1963 bis 1981), Pullman-Landaulet. Interieur mit Fernsehgerät, Kassetten-Abspielgerät, Telefonhörer, Zusatzsitzen und bequemen Fußstützen Mercedes-Benz 600 (W 100, 1963 bis 1981), Pullman-Landaulet. Interieur mit Fernsehgerät, Kassetten-Abspielgerät, Telefonhörer, Zusatzsitzen und bequemen Fußstützen Quelle: Daimler

Hydraulik statt Elektromotoren

Wartungs- und Reparatureinsätze haben Schellhammer in alle Ecken der Welt geführt. Auch nach der Pensionierung war er oft unterwegs, wenn seine alten Schätzchen ihn brauchten. Besonders anfällig sei die Hydraulik, sagt Mercedes-Classic-Sprecher René Olma. Wo heute Elektromotoren arbeiten, wurden damals Hochdruckleitungen verlegt.

Statt eines Surrens hört man bei den Oldtimern nur ein Zischen: schon gleiten die Fenster nach oben, die Trennwand schließt sich, oder die Türen ziehen sich von selbst ins Schloss. Faszinierende Technik, die im Alter jedoch gerne undicht wird, wenn sie länger nicht benutzt wird.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat Mercedes rund 40 Exemplare des 600ers restauriert, berichtet Olma. Darunter waren 15 Pullman. Im kalifornischen Irvine oder in Fellbach bei Stuttgart werden die

Autos so gründlich aufgemöbelt, dass sie danach wieder als Neuwagen durchgehen würden. "So eine Instandsetzung dauert dann auch mal ein bis zwei Jahre und kann 700.000 Euro kosten", sagt Olma.

Für das Basisauto muss man zusätzlich mehrere hunderttausend Euro rechnen. Um eines der seltenen Autos zu finden, braucht es neben Kleingeld auch Glück. "Viel mehr als die Hälfte der Pullmänner dürften nicht überlebt haben", schätzt Olma. Verglichen mit seinem neuesten Nachfolger war die Luxuslimousine aus heutiger Sicht übrigens ein Schnäppchen: Heute kostet allein die Soundanlage (25.000 Euro) fast so viel wie damals ein ganzer 600er.

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