Bisher gibt es noch keine Abgasnorm-Umrüstungen für Euro-5-Diesel. Früher boten die Hersteller das selbst an. Warum das niemand nachrüstet, lest Ihr hier.
Quelle: Volkswagen, Montage: MOTOR-TALK Berlin – Der ADAC rügt die Autohersteller. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, bemängelt der Club, dass niemand eine Nachrüstung auf die Abgasnorm Euro 6 anbietet oder diese ernsthaft prüft. Dabei sei es technisch machbar, sagt der ADAC: Viele Hersteller hatten die besseren Abgaswerte einst als Extra im Angebot. Teile und Bauraum sind also vorhanden, schlussfolgert der große deutsche Autofahrerclub in der "SZ". Das bestätigte der ADAC auf Nachfrage. Eine Nachrüstung bietet aktuell trotzdem kein Autohersteller an. Weil das schlicht viel zu teuer und aufwändig ist, sagen die Ingenieure. Sie argumentieren: Für die bessere Schadstoffklasse sind umfangreiche Änderungen an Abgasanlage und Motorsteuerung erforderlich. Wir haben das am Beispiel dreier Fahrzeuge recherchiert. Bei VW kosten allein die Bauteile 7.500 Euro. Mercedes gibt Umrüstkosten von bis zu 15.000 Euro an. BMW sagt, dass der Umfang der Maßnahme ähnlich aufwändig sei wie der Umbau auf eine neue Antriebsart. Abgasnorm gegen Aufpreis: Unbeliebtes ExtraQuelle: Volkswagen Die SZ führt acht Motoren von vier Herstellern auf. Für jeden davon stand einst ein aufpreispflichtiges Euro-6-Paket in der Preisliste. Ab 2008 kostete die saubere Schadstoffeinstufung rund 1.200 bis 2.000 Euro Aufpreis. In den meisten Fällen gab es dann einen sogenannten SCR-Katalysator. Der spritzt die Harnstofflösung „AdBlue“ in den Abgasstrom ein. In den warmen Abgasen entsteht Ammoniak und reagiert mit Stickoxiden zu Stickstoff und Wasser. Ein Extra, für das man seinerzeit ein ausgeprägtes grünes Gewissen brauchte. Als diese Option in den Aufpreislisten stand, waren Stickoxide selten Thema. Vom Abgasskandal hatte noch niemand etwas gehört. Mögliche Innenstadt-Fahrverbote wurden vor allem im Zusammenhang mit Feinstaub diskutiert. Entsprechend gering waren Angebot und Nachfrage. Beim VW Passat B7 2.0 TDI mit 140 PS lag die Euro-6-Quote insgesamt bei knapp 4 Prozent. Bundesweit erfüllten 2012 weniger als 2 Prozent der neuzugelassenen Diesel die Euro-6-Norm. Die Vorteile der besseren Abgasnorm: Weniger Stickoxidausstoß und eine günstigere Kfz-Steuer – aber nicht günstig genug, um den Aufpreis zu kompensieren. Gut für die Umwelt, vielleicht gut für den Wiederverkaufswert. Die Option lief mit der flächendeckenden Einführung der Abgasnorm Euro 6 aus. Als am 17. September 2015 der VW-Abgasskandal bekannt wurde, gab es in Pkw-Neuwagen nur noch Euro-6-Diesel. Seitdem wurde 20-mal so viel über Stickoxide berichtet wie in den fünf Jahren davor. Nachrüstung mit Originalteilen: Euro 6 im Passat B7 2.0 TDIQuelle: Volkswagen Am Beispiel eines VW Passat TDI mit 140 PS und Frontantrieb der Baureihe B7 (2010 bis 2014) haben wir eine technische Umrüstung von Euro 5 auf Euro 6 mit Originalteilen berechnet. Sie ließe sich in begrenztem Maß durchführen. Die damalige Preisliste für das Modelljahr 2014 nennt für die bessere Abgasnorm einen Aufpreis von 1.250 Euro. Verfügbar war der SCR-Kat zu diesem Zeitpunkt ausschließlich für das oben genannte Passat-Modell. Heute wäre eine Nachrüstung mit Originalteilen bei diesem Motor möglich, denn mechanisch sind die 140-PS-Aggregate mit Euro 5 und Euro 6 identisch. Für die übrigen damaligen Passat-Motoren mit 105, 170 oder 177 PS fehlen dagegen Kennfelder und Typisierung. Die Umrüstung umfasst die meisten Teile der Abgasanlage, außerdem viele zusätzliche Bauteile. Neben dem NOx-Speicherkat mit AdBlue-Einspritzventil benötigt der Passat einen anderen Partikelfilter. Hinzu kommen AdBlue-Tank, Leitungen, Kabelbäume, Steuergeräte, Sensoren und unter Umständen ein neuer Tacho mit großem Bordcomputer. Nicht einmal der originale Endschalldämpfer darf bleiben. Hier die (gerundeten) Ersatzteilpreise der benötigten Bauteile:
Allein die Mechanik kostet beim Händler rund 7.500 Euro. Nicht eingerechnet sind Kleinteile zu Preisen von weniger als 100 Euro. Hinzu kämen jedoch die Arbeitszeit (etwa zehn Stunden, rund 1.200 Euro), Abnahme und Eintragung. Im konkreten Fall entsprechen die Kosten zum Teil dem Fahrzeugwert. Alle Bauteile müssen in das bestehende System integriert werden, auf Hardware- und Softwareseite. Bezahlen möchte das wohl niemand. Auf mobile.de kosten Modelle mit SCR-Kat ungefähr 1.000 Euro mehr als Fahrzeuge mit Euro-5-Norm. Problem dabei: Sie sind sehr selten. Nur ein Mercedes-Modell ließe sich mit Originalteilen auf Euro 6 umrüstenQuelle: Daimler Mercedes bot bei besonders vielen Autos die Option auf eine bessere Abgasnorm an. Die SZ nennt drei Motoren in insgesamt sieben Modellen. Eine Umrüstung lässt sich allerdings nur bei einer einzigen Variante realisieren: Mercedes teilt auf Anfrage mit, dass nur der GLK 220 CDI (170 PS) mit beiden verfügbaren Abgasnormen mit gleichen Motoren fährt. Der Aufpreis lag 2013 bei 1.200 Euro. Gegenbeispiel: Ein E 350 CDI bekam in der Euro-6-Version neue Zylinderköpfe. Mercedes schreibt: „Eine nachträgliche Umrüstung eines GLK 220 CDI BlueEFFICIENCY 4MATIC mit der Schadstoffnorm Euro 5 auf Euro 6 würde umfangreiche Hardware-Änderungen (komplette Abgasanlage, geänderte Ersatzradmulde mit Integration AdBlue-Tank, beheizte AdBlue-Förderleitung im Unterboden, geänderte Kabelsätze der Fahrzeugelektronik) voraussetzen.“ Kostenpunkt: Ungefähr 11.000 bis 15.000 Euro inklusive Einbau, aber ohne Zertifizierung. BMW X5: So aufwändig wie ein Umbau von Heck- auf AllradantriebEin weiteres Beispiel: Der BMW X5 aus dem Baujahr 2012. Die Preisliste führt die Ausstattung „163“ („BMW Diesel mit BluePerformance“) für 1.990 Euro auf. Verfügbar nur ohne M-Paket, ohne Standheizung und nur für den X5 xDrive30d, also den 3,0-Liter-Diesel mit 245 PS. Der Umfang des Umbaus ist ungefähr mit dem im Passat vergleichbar. Einige Details sind konstruktiv anders gelöst. Quelle: BMW BMW schreibt auf Anfrage von MOTOR-TALK: „Die BluePerformance Option ist eine komplett eigenständige Entwicklung und kann nicht (…) einfach nachträglich in die parallel im Markt angebotenen Euro 5 Serienmodelle „aus dem Ersatzteilregal“ verbaut werden.“ Die Montage von Abgasanlage, Steuergeräten, Kabelbäumen und Sensorik sei zu umfangreich. BMW zieht diesen drastischen Vergleich der Abgas-Abrüstung: Ein Fahrzeug mit Heckantrieb sei „auch nicht nach einigen Jahren einfach „aus dem Ersatzteilregal“ auf die Option Allrad“ umzurüsten. Zu teuer, zu kompliziert – obwohl es sich um serienmäßig verfügbare Teile und Datenstände handelt. Zusätzlicher Aufwand: Entwicklungskosten für andere MotorenDie Umrüstung ist bei allen Herstellern so aufwändig, weil sich viele Teile unterscheiden. Beispiel Partikelfilter: Euro-6-Diesel bekommen eine eigene Variante mit spezieller Beschichtung. Teile der Abgasanlage und die Motorsteuergeräte unterscheiden sich ebenfalls. Für einen Neuwagen bedeutet das nur geringe Mehrkosten. Ersetzt man das Euro-5-Teil, wird es teuer. Zudem sind die Systeme stark mit der Fahrzeugelektronik vernetzt. Für Euro-5-Diesel, die nicht parallel mit Euro 6 angeboten wurden, kämen noch Entwicklungskosten hinzu. Besonders teuer wird es, wenn die verfügbare Hardware nicht genügt oder nicht ins Auto passt – in einem Golf 6 bleibt weniger Raum für die Teile als in einem Passat. Die Abstimmung der Abgasreinigung auf Antrieb und Auto erfordert erhebliche Arbeit. Neuerliche Typengenehmigungen müssten ebenfalls bezahlt werden. Für Privatpersonen lohnt sich die Hardware-Umrüstung auf die aktuelle Abgasnorm mit Teilen vom Hersteller auf keinen Fall. Selbst dann nicht, wenn die Hersteller ihre Marge bei den Ersatzteilen streichen und eine neue Software auf das alte Steuergerät gespielt wird. Vergleichbare Autos mit besserer Abgasnorm – oder einfach neuere Gebrauchtfahrzeuge – sind individuell die wirtschaftlichere Entscheidung. Alternative: Nachrüstkit vom ZuliefererQuelle: TwinTec Das bedeutet bundesweit betrachtet allerdings den Austausch eines großen Teils der Fahrzeugflotte. Umweltfreundlich ist das nicht, und in vielen Fällen nicht gewünscht. Der Zulieferer Twintec will eine Hardware-Lösung zum Nachrüsten für Diesel mit den Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 anbieten. Wenn das Produkt auf den Markt kommt, soll es nur einen Bruchteil kosten: Angepeilt sind 1.500 Euro für das Material, weniger als 2.000 Euro inklusive Einbau. Langfristig sollen diese Kosten sinken. Der Unterschied: Twintec integriert das System nicht tief in die Fahrzeugelektronik. Es arbeitet eigenständig, ohne Daten aus dem Motorsteuergerät. Ein Sensor stellt die Menge der Stickoxide fest, ein Steuergerät berechnet die Einspritzmenge der Harnstofflösung. Diese Taktik funktioniert allerdings nicht mit den üblichen AdBlue-Systemen. Im Twintec-System wird die Lösung außerhalb der Abgasanlage erhitzt und als Ammoniakdampf direkt in den Abgasstrom eingeblasen. Der Hersteller sagt, das beschleunige die Reaktion mit Stickoxiden. Die tiefe Einbindung in die Fahrzeugelektronik sei nicht nötig. Das sogenannte „BNOx“-System ist eine relativ neue Entwicklung des Zulieferers. Das Nachrüstkit wird in die originale Abgasanlage eingesetzt. Ein Prototyp fährt bereits mit dieser Technik. Katalysatoren und AdBlue-Anlage in diesem Versuchsauto stammen von VW. Tests des ADAC haben die Wirksamkeit bestätigt. Bisher fehlen noch die Abnehmer: Es gibt noch keine gesetzliche Grundlage, gezielt Dieselfahrzeuge mit den Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 aus Innenstädten auszusperren. Das könnte zum Beispiel durch eine Blaue Umweltplakette umgesetzt werden. Sobald das Gesetz steht, will die Firma ihre Technik auf die dann relevante Abgasnorm zulassen und in Großserie anbieten. Aktuell besteht noch ein Problem: Der Prototyp verbrauchte im ADAC-Test etwa fünf Prozent mehr Kraftstoff als ohne SCR-Anlage. Rein rechtlich müsste dadurch das gesamte Fahrzeug neu zertifiziert werden. Twintec hofft auf eine entsprechende Regelung des Bundesministeriums, die einen gewissen Mehrverbrauch zulässt. Kein Umrüstzwang für alte DieselEinen Umrüstzwang auf die Euro-6-Norm wird es nicht geben. Denn die fraglichen Fahrzeuge haben zum Zeitpunkt ihrer Zulassung die damals gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte in den vorgeschriebenen Testverfahren eingehalten und dafür eine Typgenehmigung erhalten. Um diese zu widerrufen, müsste die Kraftfahrtbundesamt den Nachweis erbringen, dass die Voraussetzungen der erteilten Zulassung nicht mehr gegeben sind - dem jeweiligen Hersteller also zum Beispiel den Einsatz einer illegalen Software nachweisen. Dies wurde bisher nur beim VW-Konzern festgestellt. Die Reparatur dieser Fahrzeuge wurde bereits genehmigt.
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