US-Coupés wie der Dodge Challenger sind inzwischen begehrte Restaurierungsobjekte, in die mehr als nur Chromfelgen und neue Farbe investiert wird. Wir stellen einen Profi-Aufbau vor - von demontierter Karosserie bis zum Schmuckstück. Eigentlich sah der schwarze Dodge Challenger von 1970 gar nicht so schlecht aus. Das Auto lief ganz ordentlich, Rost war keiner zu entdecken, nur die Motorhaube mit Monsterhutze und das höher gestellte Heck entsprachen nicht der Serie. Musste deshalb eine Komplett-Restaurierung wirklich sein? Christian Rühle, einer der beiden Geschäftsführer von Oldschool Customs Works in Weinstadt, sagt: "Ja, der neue Besitzer des Challenger gab uns den Auftrag dazu." Dieser erhielt sowieso nur das halbe Auto, weil Hochleistungs-Motor und -Getriebe vom Vorbesitzer ausgebaut und nicht mitverkauft wurden. Hinzu kam, dass der neue Eigentümer des Dodge Challenger ein optimiertes Fahrwerk und eine nachträglich eingebaute Klimaanlage wünschte. "Das Auto war also fast schon zur Hälfte demontiert. Und zusammen mit den geplanten Modifikationen am Fahrwerk wäre es Blödsinn gewesen, auf halber Strecke haltzumachen", erklärt Rühle. Vor den Neuaufbau steht das Strippen Also flog alles bis zur letzten Schraube und zur letzten Filzmatte aus der attraktiven Coupé-Karosserie. Der Dodge Challenger ist nicht das erste US-Muscle Car, das bei Oldschool Customs Works als Komplett-Restaurierung die Werkstatt verlässt. Vor allem einige Dodge Charger und Chevrolet Camaro haben Rühles Spezialisten bisher mit dem gleichen handwerklichen und finanziellen Aufwand restauriert, der sich bisher nur für einen E-Type-Roadster oder eine Mercedes SL Pagode lohnte. Doch US-Sportcoupés wie der Dodge Challenger liegen im Trend. Einige Kunden von Oldschool Customs sind sogar bereit, für die Spitzenrestaurierung eines Charger, Challenger, Camaro oder Firebird der Baujahre 1967 bis 1972 einschließlich Basis-Fahrzeug bis zu 100.000 Euro zu investieren. "Das zeigt uns", sagt der US-Experte, "dass diese Autos als Klassiker inzwischen auf einer Stufe mit den bekannten Europäern stehen. Nur dass sie vielleicht mehr Spaß machen und in der Oldtimerszene viel seltener sind als ein Porsche 356 oder Austin-Healey." Die Oldschool Customs Works GmbH & Co. KG (OCW) zeigt in ihrer Entwicklung von einer Hobby-Schraubergemeinschaft der alten Schule, daher "oldschool", zum Profi-Betrieb, dass der Bedarf nach fachgerechtem Service und nach der Restaurierung von leistungsstarken US-Coupés wie dem Dodge Challenger im Großraum Stuttgart offenbar vorhanden war. "Wir haben auch Kunden, die bisher mit ihrem US-Car zu einem Oldtimer-Generalisten in die Werkstatt gingen, damit aber nicht ganz zufrieden waren, weil einfach das Know-How fehlte", berichtet der OCW-Co-Chef Rühle, der zusammen mit Sönke Priebe den insgesamt achtköpfigen Betrieb leitet. Dodge-Motorblöcke Mangelware Rühles und Priebes fast schon lebenslange handwerkliche Beschäftigung mit US-Cars bekam Unterstützung durch KFZ-Meister Rouven Eidelloth, der vor seinem Wechsel zu OCW beim renommierten Mercedes-300-SL-Spezialisten HK Engineering schraubte. Insofern konnte bei dem Neu-Aufbau des Dodge Challenger mit neu implantiertem, generalüberholtem Gebrauchtmotor und mit einem optimierten Fahrwerk nichts schief gehen. Die V8-Maschine mit 7,2 Liter (440 Cubicinches/cui) Hubraum entspricht genau der 1970 ab Werk montierten Version. Sie wurde komplett zerlegt, neu gebohrt und mit neuen, bewährten Komponenten und Nebenaggregaten aufgebaut. "Im Vergleich zu Chevrolet und andere GM-Marken sind Motorblöcke für einen Dodge sehr teuer und kaum mehr erhältlich. Wir haben uns deshalb für einen gebrauchten entschieden", erklärt Rühle. Leistung und Motor-Charakteristik sollten weitgehend der Serie entsprechen, damit der Kunde seinen Dodge Challenger auch als Alltagsauto ohne ruppig laufenden Dragster-Motor nutzen kann. Drehmoment-Wandler, Automatikgetriebe und die Hinterachse wurden ebenso einer gründlichen Überholung unterzogen. Die Karosserie des Dodge Challenger zeigte sich in einem guten Zustand. Größere Schweißarbeiten waren nicht notwendig, was in diesem Fall eine große Ausnahme war und die Kosten der Restaurierung reduzierte. Das Coupé wurde bereits vor etwa 15 Jahren einer seriösen Aufarbeitung unterzogen und nur noch im Sommer bewegt. "Normalerweise muss bei den Sportcoupés von Dodge und Plymouth der gesamte Heckbereich erneuert werden. Ersatzbleche sind erhältlich, aber nicht billig", berichtet Rühle. So kostet zum Beispiel das Challenger-Seitenteil 960 Euro, für einen Camaro hingegen nur 370 Euro. Challenger-Fahrwerk mit Biss Doch was nützen 380 SAE-PS, die man nur auf gerader Strecke (am besten bis zum Horizont) und zum Demo-Beschleunigen nach der Fußgängerampel nutzen kann? Deshalb legten die Chefs von OCW großen Wert auf ein optimales Fahrwerk, mit dem auch hohe Kurvengschwindigkeiten realisierbar sind: Alle Bauteile wurden zunächst zerlegt und überprüft. Dann erfolgte der Einbau mit neuen Polyurethan-Buchsen, mit KYB-Gasdruckstoßdämpfern aus Japan und mit einem Stabilisator an der Hinterachse, den Dodge nur für die Rennsport-Version Challenger T/A vorgesehen hat. Die Dimensionen der Räder sind maßvoll modernisiert: vorn 15 x 7 Zoll und 225/60er-Reifen, hinten 18 x 8 Zoll und 235/60er-Reifen. Der Besitzer des Dodge Challenger entschied sich für schwarze Stahlscheibenräder mit kleinen Chrom-Radkappen im Policecar-Stil. Dazu neue vordere Scheibenbremsen des Herstellers MP (Master Power). Das Ergebnis ist beeindruckend: Während der Probefahrt bewies der Dodge Challenger eine bei kompakten US-Coupés dieser Generation bisher noch nie gekannte Präzision und maßvolle Härte. Kein Schwanken, kein Nicken, keine Schräglage kurz vor dem Kentern in Kurven. Man kann dank eines Sperrdifferenzials in Biegungen schon relativ fruüh Gas geben und kraftvoll herausbeschleunigen. Der Dodge Challenger wirkt kompakt und wendig - wenn nur nicht diese indirekte, schwergängige Lenkung wäre, ohne Servo-Unterstützung, ganz im Stil der wahren Muscle-Car-Puristen. Doch das ist sogar ganz gut so, erinnern die Lenkung und der Sandwichweiche Original-Fahrersitz doch daran, in einem über 40 Jahre alten Oldtimer zu sitzen. Das erzieht zu einer gewissen Demut mit Hinblick auf 650 Newtonmeter, welche der V8 auf eine nur leicht gebändigte LKW-Hinterachse loslässt.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 14.03.2012
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