Moderne Autos erheben und senden über ihre Sensoren viele Daten. Doch was geschieht damit? Darüber bleiben Autofahrer oft im Unklaren, die Rechtslage ist kompliziert.
Quelle: picture alliance / dpa München/Chemnitz - Der Motor ist kalt, zu viel Gas ist jetzt eigentlich schädlich, doch die Zeit ist knapp. Der Fuß senkt sich, der Motor dreht hoch. Plötzlich bremst das vorausfahrende Auto ab, der Fuß geht voll auf die Bremse. Der Fahrer schnellt nach vorne, der Gurt fängt ihn ab. Kleinigkeiten im Auto-Alltag, die der Fahrer schnell vergisst. Aber nicht das Auto. Das "schreibt" fleißig mit. Dass Autos mit der wachsenden Zahl an Sensoren immer mehr Daten erheben, ist kein Geheimnis. Was mit den Daten danach passiert schon eher. Welche werden gleich überschrieben, welche gespeichert, welche weitergesendet? Der ADAC hat in einem Test vier Autos verschiedener Hersteller über Monate von IT-Experten überwachen lassen. Die haben heraus gefunden: Daten werden nicht nur gespeichert, um sie in der Werkstatt oder beim Hersteller auslesen zu können. "Daten werden auch an den Hersteller gesendet", sagt Arnulf Thiemel vom ADAC, der den Test betreut hat. GSM-Antenne und verbaute SIM-Karte machen das Auto zur Sendestation. Der Autokäufer weiß wenig über seine DatenAutokäufer werden darüber größtenteils im Dunkeln gelassen. Praktisch sehe es laut Thiemel meist so aus: Im Kaufvertrag steht, dass im Betrieb Daten erhoben werden, die Werkstätten und Hersteller nutzen können. "Details werden nicht genannt. Die Hersteller blocken hier." Wer den Vertrag deshalb nicht unterschreiben will, muss unter Umständen auf das Auto verzichten. Was dürfen Hersteller erheben? Wann müssen sie Käufer informieren? Die Rechtslage ist sehr komplex, wie Daniela Mielchen skizziert. Die Verkehrsrechtsanwältin aus Hamburg ist beim Deutschen Anwaltverein für den Bereich Vernetztes Auto zuständig. "Hersteller müssten Autokäufer allgemein mehr informieren, als sie es im Moment tun." Außerdem gebe es viele Grauzonen. Ein Beispiel: Technische Daten dürfen sie ohne Zustimmung erheben, persönliche Daten nicht. Doch was ist bei einem Unfall, wo technische Daten eventuell Rückschlüsse auf den Ablauf zulassen? Dann können die technischen Daten zu personenbezogenen Daten werden. Vor Gericht etwa kann damit das Recht des Fahrers betroffen sein, sich nicht selbst belasten zu müssen. - demzufolge ist die Erfassung der Daten ohne Zustimmung des Fahrers aus rechtlicher Sicht zumindest fragwürdig. Die Assistenten wissen viel über den VerkehrGeschwindigkeit, Abstand anderer Autos, Fahrbahnmarkierungen, Lenkwinkel: Allein Überholassistenten brauchen viele Daten, um korrekt zu funktionieren. Algorithmen errechnen auf Basis der erfassten Werte, wie der Assistent reagiert. "Je nach Aufgabe des Assistenten sind dafür mal mehr und mal weniger Daten nötig", erklärt Gerd Wanielik. Er ist Professor für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität Chemnitz und forscht zu vernetzten Autos. Die Zukunft zeige Richtung autonomes Fahren, sagt er. "Noch gibt es keine Blackbox im Auto, aber der Trend geht dorthin." Denn wenn der Fahrer nicht mehr selbst steuert, müsse bei einem Unfall mit den aufgezeichneten Daten der Hergang geklärt werden. Schon heute könnten aufgezeichnete Daten bei manchen Streitfällen helfen. Wenn es darum geht, Daten herauszugeben, mauern Hersteller aber oft, sagt Mielchen. "Das machen sie nicht boshaft, sie wollen auch ihre Algorithmen schützen." Daher stellen sie die Daten ungern unverschlüsselt zur Verfügung, so dass externe Sachverständige Erkenntnisse ziehen können. Zu viele "Gummi-Paragrafen" beim DatenschutzDie Hersteller haben hier viel Macht, bestätigt Arnulf Thiemel. "Steuergeräte müssen zum Auslesen zum Hersteller." Nur dort können verwertbare Daten gewonnen werden. Es gehe nicht darum, eine Datenhysterie zu entfachen, "aber es mangelt noch an Transparenz". Auf Seiten des Gesetzgebers ist bei vernetzten Autos noch einiger Handlungsbedarf. "Es gibt zu viele Gummi-Paragrafen", sagt Mielchen. Das Datenschutzrecht muss reformiert werden, findet sie. Die EU hat einen Schritt dahin gemacht: Im April nahm das Europäische Parlament neue Datenschutzvorschriften an. Neu ist darin zum Beispiel das Recht auf die Übertragung von Daten an andere Dienstleister. "Das würde die Daten letztlich für den Nutzer verfügbar machen", sagt Mielchen. Noch gelten die Regeln aber nicht hierzulande: Den Mitgliedsstaaten der EU bleiben zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie national umzusetzen. Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht
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