Von MOTOR-TALK-Reporter Wolfgang Gomoll
München - Taufkirchen liegt im Speckgürtel Münchens. Das Industriegebiet wirkt wie eine Kulisse für einen amerikanischen Endzeit-Film. Doch zwischen den grau verputzten Mauern verstecken sich wahre Schätze. Wo? In der Werkstatt von Ralf Skatulla, dem Geschäftsführer von Lightspeed Classic.
Auf der Hebebühne steht ein Porsche, ein altes Modell, das bald mit neuer Technik glänzen soll. Denn genau das ist die Geschäftsidee von Lightspeed Classic. Alles begann aus einer Laune heraus, oder, Die Fahrzeuge werden auf Kundenwunsch in Taufkirchen bei München gefertigt Quelle: Wolfgang Gomoll
wie man in Bayern sagt, aus einer „Spinnerei“. Ralf Skatulla saß mit einem Kunden in einer Pizzeria. Der Porsche-Fan schwärmte von den amerikanischen Singer-Retro-Porsches mit moderner Technik und fragte Skatulla, ob man so etwas nicht auch bauen könne. Klar, kann man, dachte dieser.
Die erste Karosserie: Ein 1983er 911er SC
Gedacht, getan. Das Projekt nahm schnell Gestalt an, auch wenn zunächst nicht alles glatt lief. Die Zusammenarbeit mit Singer-Porsche war schwierig und schlief nach kurzer Zeit komplett ein. „Vielleicht wollten die keinen Konkurrenten“, sagt Skatulla. Deshalb suchte er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Peter Vazal selbst nach einer passenden Karosserie - und sie fanden ein nicht fertiggestelltes 1983er 911er-SC-Restaurationsprojekt.
Die Modifikationen kosteten Skatulla und Vazal viel Zeit, Nerven und Geld. Oft mussten die beiden improvisieren. So sollten zum Beispiel 275er-Reifen auf klassische Felgen und unter die G-Modell-Karosserie passen. Skatulla und Vazal bauten dafür Fuchs-Felgen mit 17-Zoll-Schüsseln um. Für die besondere Retro-Optik kombinierten die beiden außerdem modernes Sicherheitsglas mit Rahmen und Zierleisten aus speziell behandeltem Aluminium.
Ein 3,6-Liter-Motor aus einem 964
Ralf Skatulla schraubt an einem Auto Quelle: Wolfgang Gomoll
Die verbreiterten Radkästen bestellten die beiden bei einem Spezialisten für Flugzeugteile. Heraus kam ein Porsche mit einem prächtigen Carbon-Hintern, der es locker mit dem eines Porsche 930 Turbo aufnehmen kann. Dank der leichten SC-Karosserie wiegt der „Lightspeed-Classic 001“ inklusive zehn Liter Benzin nur 1.035 Kilogramm. Bei der Gestaltung des Innenraums stand der Porsche 964 Carrera Pate, die elektrischen Fensterheber stammen vom Porsche 993.
Unter der Haube des Porsche steckt ein aufgebohrtes 3,6-Liter-Triebwerk aus der 964er-Baureihe. Die Kurbelwelle sowie Titanpleuel stammen aus dem 993 GT3. Neue Laufbuchsen und Kolben vergrößerten den Hubraum auf 3,8 Liter. Mit einer neuen Steuergerät-Software leistet der Motor nun 340 PS und 379 Newtonmetern. „Die Werte sind auf dem Prüfstand nachgewiesen“, sagt Skatulla stolz.
Das Getriebe ersetzte Skatulla durch eines aus dem 996 Turbo und installierte ein auf das Auto abgestimmtes Fahrwerk aus dem 996 GT3 RSR. „Mir kommen keine magnetischen Dämpfer ins Auto“, sagt er. Zwei mächtige Auspuff-Endrohre, die nicht durch eine Stoßstange verdeckt sind, komplettieren das rollende Kunstwerk. Bei aller Retro-Freude muss doch ein bisschen Kraftprotz-Optik sein.
Dem Baukastensystem sei Dank
Die Felgen müssen natürlich zur klassischen Karosserie passen Quelle: Wolfgang Gomoll
Nach etwa zwei Jahren Bauzeit war der erste Lightspeed-Classic-Porsche fertig. Möglich waren die ganzen Umbauten durch das Baukasten-System von Porsche, das die Schwaben seit mehreren Jahrzehnten verfolgen. „Die Motor-Getriebeanbindung blieb von 1969 bis zum Modell 997 GT3 Cup identisch. So passt ein neues Getriebe an einen alten Motor und umgekehrt“, sagt Skatulla. Auch der Motorblock blieb vom 964 bis zum 997 GT3 Cup fast unverändert. Ähnliches gilt für Bremsscheiben und Felgenanbindung.
Wer sich einen Lightspeed-Classic-Porsche kauft, bekommt einen alltagstauglichen Klassiker mit modernen Fahrleistungen. Als Basis-Fahrzeuge stehen ein 911 G-Modell oder ein 964er zur Wahl. Aus dem frühen Elfer wird ein puristischer Klassiker ohne Servolenkung und ABS. Der 964er fährt zumindest mit einfachen Helferlein und einer Klimaanlage. Beim Antrieb kann der Kunde zwischen einem 3,6-Liter-Motor mit 280 PS oder 340 PS und einem 4,0-Liter-Aggregat mit 410 PS wählen.
Die Triebwerke können mit verschiedenen Karosserievarianten kombiniert werden. Zur Wahl stehen Lightspeed-Classic S, RS oder RS-T. Je länger das Buchstabenkürzel, desto höher die Renntauglichkeit und desto geringer der Komfort. Ein Lightspeed-Porsche kostet rund 160.000 Euro. Das ist viel Geld, doch dafür bekommt man das schönste aus zwei Welten.