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Classic Driving News

Das beste US-Polizeiauto aller Zeiten

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Der 1991 vorgestellte Chevrolet Caprice war die letzte Fullsize-Limousine mit Heckantrieb der US-Marke. Ihre rundliche Karosserie wurde oft als "Walfisch" geschmäht. Doch die Polizei-Version mit 5,7-Liter-V8 besaß die Qualitäten eines Hais.

Eine Schönheit war die letzte große Chevrolet-Limousine eigentlich nie. Die aerodynamisch optimierte Form des mit extrem flach stehender Front- und Heckscheibe, die nach unten eingezogenen Wagenflanken und die rundlich gestaltete Karosserie machten den 1991 vorgestellten Caprice zu einem plump und harmlos wirkenden Rentner-Auto. Dennoch besitzt Sönke Priebe gleich acht davon und steht auch dazu, obwohl seine Freunde nur von der "Seife" reden, wenn er mit einem seiner 5,44-Meter-Schiffe aufkreuzt.

Der Caprice bremst wie ein Porsche

Es sind ausschließlich Polizei-Caprice mit dem Optioncode 9C1. In zwei von seinen Polizei- Caprice wollen wir eine kleine Nacht-Tour im Stuttgarter Industriehafen unternehmen und ausprobieren, was der letzte große Ami-Straßenkreuzer mit V8- Motor, Heckantrieb und Kastenrahmen als Bullenauto so drauf hat. Wir beginnen die Probefahrten im schwarzen Chevrolet Caprice Classic von 1995 mit der 260 PS starken Corvette-Maschine.

Als ich die Fahrertür des Chevrolet Caprice öffne, staune ich über die starke Krümmung des gewichtigen Blechteils. Unten hängt der halbe Schweller dran, was mich an den Saab 900 erinnert. Der Leiterrahmen sorgt dennoch für Stabilität und für einen völlig ebenen Einstieg. Vorteil für die Policemen: Sie starten bei Bedarf wie Pershing-Raketen aus ihren Frontsitzen - wenn nur nicht diese aalglatten Gummibodenmatten wären, auf denen die Schuhe keinen Grip finden und wie bei einem Burnout durchdrehen.

Mit dem typischen "Tschrrrritt" aller GM-Anlasser starte ich den V8, ziehe den Automatikwählhebel am Lenkrad nach unten auf D, gebe etwas Gas - los geht's. Mal wieder überrascht mich - wie bei fast jedem großen Ami mit V8-Maschine - die unerträgliche Leichtigkeit des Seins: Ich kippe die rechte Fußspitze etwas nach vorn, und schon bewegen sich knapp zwei Tonnen Blech und Plastik so mühelos wie ein frei schwebender, sanft angeblasener Luftballon.

Entsprechend liegen US-Limousinen normalerweise auch auf und gelegentlich neben der Straße. Dieser Caprice nicht. Er bremst fast so bissig wie ein Porsche und schaukelt nach dem Stillstand nicht sekundenlang nach. Auch Kurven nimmt er flott, neutral und spurtreu, ganz ohne hektisches Nicken oder betuliches Schwanken. In zügig gefahrenen Biegungen rutsche ich fast vom üppig gepolsterten Fahrersitz in eine Ecke des gigantischen Innenraums. Vielleicht ist deshalb hier alles mit rundem, glatten Plastik verkleidet, damit sich die Cops auf Verbrecherjagd während des gleichzeitigen Hantierens mit Lenkrad, Sprechfunkgerät und Double Whopper nicht ernsthaft verletzen.

Ausgereiftes Sportfahrwerk und optimierter Motor

Sönke und ich freuen uns, dass sein riesiger Polizei-Caprice fast schon wie ein Fünfer-BMW von damals bremst und um die Ecke biegt. "Der Wagen besitzt das legendäre 7B3 Special Police Pursuit-Fahrwerk mit anderen Federn, Dämpfern, Stabilisatoren, Längslenkern, Buchsen und mehr", erklärt Sönke. Man konnte sogar Bilstein-Stoßdämpfer unter der Option 8X3 ordern. Fette 225/70- oder 235/70 R15-Reifen auf strapazierfähigen Stahlfelgen halten den Kontakt mit dem Asphalt. Die optimierten Bremsen - hinten ebenfalls mit Scheiben - besitzen an der Vorderachse spezielle Windleitbleche zur Kühlung.

Noch mehr kühlenden Aufwand betrieb Chevrolet für Motor und Getriebe: Neben dem vergrößerten "Exta Capacity"- Wasserkühler mit stärkeren E-Lüftern gibt es Zusatzkühler für Motor- und Getriebeöl. Außerdem verschönern minzgrüne Kühlerschlaüche aus speziellem hitzeresistenten Silikongummi den Motorraum des Polizei-Caprice.

Der LT1-V8 erhielt gegenüber der Serienversion keine Leistungssteigerung, während das modifizierte Automatikgetriebe blitzschnell auf Gasbefehle reagiert. Zusammen mit einer kürzer untersetzten Hinterachse - 3.08 anstatt 2.56 - war auf dem Highway wirklich die Hölle los, wenn ein Polizei-Caprice auf Verfolgungsjagd ging. Die Test-Crew der Zeitschrift "Car & Driver" ermittelte für die Beschleunigung von null auf knapp 100 km/h 6,5 Sekunden, der Topspeed lag bei 230 km/h. Dank seiner verstärkten Kühlung konnte der Polizei-Caprice dieses Tempo auch lange durchhalten und so seine automobilen Opfer zu Tode hetzen.

In den Kühlerschläuchen fließt Adrenalin

Der LT1-Polizei-Caprice machte sogar die reinen "Pursuit Vehicles" für Verfolgungsjagden, die Ford Mustang und Chevrolet Camaro, überflüssig. Das konnte jetzt ein simples "Patrol Car" genau so gut. Auch heute Nacht erleben wir den irren Caprice-Mix in Sönkes Polizei-Auto mit der Intensität eines Tarantino-Streifens: Man sitzt in einem Menschen verachtenden, lieferwagenähnlichen Plastikambiente am Steuer einer riesigen Sport- Limousine, die ständig zeigen will, was in ihren giftgrünen Kühlschlaüchen pulsiert: kein Wasser, sondern pures Adrenalin.

Der Wechsel vom gemütlichen Patrolin den Pursuit-Modus funktioniert in drei Schritten: gerade sitzen, beide Hände ans Lenkrad und den rechten Fuß flach halten. Ab geht's. Nur die serienmäßige, indirekte Komfortlenkung trübt etwas den Genuss und erfordert in engen Kurven operettenhaftes Gegenlenken, wenn das breite Chevy-Heck mit qualmenden Reifen zu tanzen beginnt. Sönkes zweiter mitgebrachter Polizei-Caprice mit 9C1-Package besitzt den gleichen V8-Motor mit nur 4,3 Liter Hubraum und 200 PS.

Der Wagen wurde von 1994 bis 2003 in Las Vegas als getarntes Überwachungsfahrzeug für Hausarrestgefangene eingesetzt. Dafür erhielt er eine zivile Tarnzulassung und ein wohnliches Interieur mit Teppichboden und stoffbezogener Fond-Rückbank. Dort saßen zuletzt Strafgefangene, die zu einem Gerichtstermin oder zum Zahnarzt überführt wurden. Trotz der am Überollbügel befestigten Trennwand bleibt in dem geräumigen Viertürer noch genügend Platz für die Beine der Gesetzesbrecher.

Auch der kleine Motor macht ordentlich Dampf

Der 4,3-Liter-Caprice fährt sich fast gleich wie sein 5,7-Liter-Bruder, braucht aber mehr Drehzahl, um etwas Qualm zu erzeugen. Ich cruise daher jetzt im unauffälligen Patrol-Modus und frage Sönke, wie man dazu kommt, sich gleich acht Chevrolet Caprice Police Cars anzuschaffen. Und warum man überhaupt Police Car-Enthusiast wird, wenn man auf hohem Niveau Dodge Challenger, Chevrolet Camaro und Pontiac Firebrid restauriert?

Für Sönke Priebe, einer der beiden Geschäftsführer der Oldschool Customs Works GmbH & Co KG, geht es hier wahrlich nicht um Law and Order-Attitüden - "alles, bloß keinen Sheriff-Stern am Auto" - sondern mehr um das historische Phänomen und den Mythos der US-amerikanischen Polizei-Autos. Hinzu kommt die simple, aber effektive Technik des Caprice aus der B-Body- Reihe, die in den USA noch heute Kultstatus genießt.

"Als am 13. Dezember 1996 der letzte offizielle B-Body in Arlington vom Band lief, ging die Ära der großen, klassischen US-Polizei-Autos zu Ende", erzählt Sönke. Sein Nachfolger Impala mit Frontanrieb, selbsttragender Karosserie und V6-Motor wurde nie akzeptiert. "Es fanden sogar Hamsterkäufe statt. Viele neu gekaufte Caprice wurden erst nach der Jahrtausendwende in Dienst gestellt", berichtet der Police-Car-Enthusiast.

In Fan-Kreisen gilt der Chevrolet Caprice mit LT1-V8 und der 9C1-Option als bestes Polizei-Auto aller Zeiten. Gut, wenn man einige davon in seiner Gargage stehen hat: They never come back.

 

Quelle: Motor Klassik

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