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Termine an der Zulassungsstelle: Schwarzmarkt und Wartezeit - Das Geschäft mit den Terminen

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Termine in Berliner Zulassungsstellen gab es früher mit vielen Wochen Vorlauf oder auf dem Schwarzmarkt. Der wurde jetzt überlistet - die Wartezeit bleibt.

Die Zulassungsstelle in Berlin-Kreuzberg: Termine gibt es hier nur mit Vorlauf Die Zulassungsstelle in Berlin-Kreuzberg: Termine gibt es hier nur mit Vorlauf Quelle: MOTOR-TALK

Berlin – Rund um Berlins Zulassungsstelle Jüterboger Straße, ein düsteres Stück Berliner Backsteingotik, herrscht seit jeher eine spezielle Atmosphäre. Schlepper locken Kunden zu bunten Bretterbuden gegenüber dem Eingang. Dort werden Versicherungen und Nummernschilder gehandelt. Das ist schon seit Jahrzehnten so, und man spürt: Hier ist das improvisierte Nachkriegsberlin der 1950er noch lebendig, mitten im teuren Kreuzberger Chamissokiez des 21. Jahrhunderts.

Um die Mangelware Termine entwickelte sich ein Schwarzmarkt. Für 20 Euro sparte man Wartezeit Um die Mangelware Termine entwickelte sich ein Schwarzmarkt. Für 20 Euro sparte man Wartezeit Quelle: MOTOR-TALK Denn das Autogeschäft ernährt eben nicht nur die Gutsituierten. Rund um die Behörde riecht es nach Halbwelt und gedehnten Gesetzen. 2013 brachte eine Massenschlägerei im Wartebereich die „Jüterboger“ in die überregionale Presse. Jetzt macht ein neues Halbwelt-Phänomen Schlagzeilen: Das Dealen mit Terminreservierungen. Denn wie alle Berliner Behörden ächzt die „Jüterboger“ unter Personalnot, hohem Krankenstand und starkem Andrang.

Wer ein Auto an- oder ummelden will, muss hier hin. Privatpersonen, Händler, Zulassungsdienste. Das geht schon länger nur noch mit Termin, und den bekommt man derzeit nur mit mehreren Wochen Vorlauf.

Mangelgüter erzeugen Schwarzmarkt

Das nervt viele. Privatkunden, vor allem aber gewerbliche Zulasser und große Autohäuser. Ein Zulassungsdienstleister sagte der „Märkischen Online-Zeitung“: In Berlin plane er derzeit mit 10 Tagen Bearbeitungszeit. Die Autohändler müssen ihren Kunden erklären, warum sie auf das teure Auto so lange warten müssen – auch, wenn es auf dem Hof des Händlers steht.

Der Schwarzmarkt hat auf das knappe Gut "Meldetermin" schnell reagiert. Für 20 Euro bekommt jeder bei professionellen Termindealern einen Zulassungstermin binnen 24 Stunden. Von der Masche berichtete zuerst die "Bild" (Printausgabe) am 13. März.

Kreuzberger Bleche-Buden: Gegenüber der Zulassungsstelle gibt es Kennzeichen Kreuzberger Bleche-Buden: Gegenüber der Zulassungsstelle gibt es Kennzeichen Quelle: MOTOR-TALK Der Trick funktionierte bisher so: Die Termine werden online mit Namen und E-Mail-Adresse, aber ohne weitere Nachweise gebucht. Die Terminhändler reservieren einfach etliche Termine auf erfundene Namen und anonyme E-Mail-Adressen. Bei verkauften Terminen ändert der Dealer per Änderungsformular den Namen auf den Käufer. Bis zum Vortag des Termin, 23:59 Uhr, war das bisher möglich.

Dass die Händler auf vielen Terminen sitzenbleiben, ist unwahrscheinlich. Wer beruflich mit Autos zu tun hat, hat den Umgang mit dem Schwarzmarkt inzwischen gelernt. „Ein Zulassungstermin kostet 20 Euro“, sagt uns ganz selbstverständlich ein Taxifahrer. Beim Berliner Landesverband des Kfz-Gewerbes hat man davon noch nichts gehört: „Unsere Mitgliedsbetriebe haben sich bislang nicht mit diesem Problem an uns gewandt“, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage von MOTOR-TALK. Die meisten Betriebe würden Zulassungsdienste beauftragen.

Innenbehörde: Schlupfloch ist geschlossen

Die zuständige Berliner Innenbehörde ist weniger entspannt. “Der Handel mit Terminen ist aus Sicht der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nicht akzeptabel“, sagt ein Sprecher des Innensenators auf Nachfrage von MOTOR-TALK. Nach der Berichterstattung im März hätte die Polizei kurzfristig „eine erste Prüfung am Standort Jüterboger Straße durchgeführt“. Kunststück: Die Zulassungsstelle liegt auf dem Gelände eines großen Polizeireviers.

Die Polizei stellte fest, konnte aber nichts tun. „Eine strafrechtliche Relevanz besteht nicht“, so der Sprecher. Die Innenbehörde hat trotzdem reagiert: Künftig muss der Name, der bei der Terminbuchung angegeben wird, mit dem „Namen des aktuellen bzw. des künftigen Fahrzeughalters übereinstimmen“. Andernfalls erfolge keine Bearbeitung. Die Dienststelle sei außerdem angewiesen zu überprüfen, ob Antragsteller und Terminbucher identisch sind.

Mittlerweile hat die Zulassungsstelle die Online-Buchung angepasst. Eine Änderung des Namens ist nicht mehr möglich Mittlerweile hat die Zulassungsstelle die Online-Buchung angepasst. Eine Änderung des Namens ist nicht mehr möglich Quelle: MOTOR-TALK Außerdem, so der Sprecher, habe man mittlerweile die Anmeldung so verändert, dass „Termine nicht mehr geändert, sondern nur noch abgesagt werden können.“ Die abgesagten Termine seien zudem nicht sofort wieder verfügbar, um eine Stornierung und sofortige Neubuchung zu verhindern. Das bestätigte auf Nachfrage von MOTOR-TALK ein Zulassungsdienst. Eine nachträgliche Änderung der Personendaten sei nicht mehr möglich.

Aktuelle Wartezeit: 14 Tage

Damit bekämpft die zuständige Behörde den Schwarzmarkt, aber nicht den Mangel. Hier soll die „zeitnahe Nachbesetzung“ mehrerer freier Stellen in den Zulassungsstellen helfen. „Damit stehen der Kfz-Zulassungsbehörde mehr Dienstkräfte zur Verfügung, was die Wartezeiten auf einen Termin spürbar verkürzen wird“, sagte der Sprecher. Zu hoffen wäre es. Aktuell beträgt die Wartezeit in Kreuzberg 14 Tage, im zweiten Amt in Lichtenberg drei Wochen. Immerhin: Dort kann man auch ohne Termin ab sechs Uhr morgens nach einer Wartenummer anstehen.

Noch länger müssen Berliner auf andere Bürgerdienstleistungen warten. Wer am 10. April 2014 einen neuen Personalausweis beantragen wollte, bekam frühestens am 18. Mai einen Termin. Womöglich am anderen Ende der Stadt, ganz im Süden, in Lichtenrade.

Inzwischen läuft es wieder an der Zulassungstelle in Berlin.

Avatar von bjoernmg
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