Los Angeles – Es klingt fast wie eine Entschuldigung, wenn Tim über die Größe des Chevy Colorado spricht. Er sei eben nur ein "Midsize-Truck". Tim sitzt am Steuer dieses Pritschenwagens, der ungefähr so groß ist wie die Pick-up-Oberklasse in Deutschland. Aber eben schmaler (30 cm) und leichter (230 kg) als die ganz dicken US-Dinger. Aber wer will schon "Full Size". Im Gelände zählt Wendigkeit. Mit dem größeren Silverado wird es dort zu eng.
„Dort“ bezieht sich nicht auf den Offroad-Parcours, auf dem Tim mir gleich zeigen will, was der Colorado kann. Sondern auf die wohl anspruchsvollste Offroad-Strecke der Welt: den Rubicon Trail. Ein Kletter-Marathon, auf dem regelmäßig Autos sterben. Der Colorado hat überlebt, dank ein paar Modifikationen. Die gehen jetzt im ZR2 in Serie.
Standardmäßig wird der Chevrolet Colorado ZR2 von einem V6-Sauger mit 3,6 Litern Hubraum und 313 PS angetrieben Quelle: Chevrolet
Chevrolet Colorado ZR2: Offroad-Pick-up in Los Angeles
Das Kürzel verwendete Chevrolet erstmals 1995. Damals machte dieser Ausstattungscode den Pick-up S10 und das SUV Blazer (ab 1996) geländegängig. Jetzt bekommt der S10-Nachfolger Colorado das Logo. Der Truck liegt fünf Zentimeter höher als üblich, seine Spur wird fast zehn Zentimeter breiter. Gekürzte Schürzen vergrößern die Böschungswinkel.
Tim hat ABS und Traktionskontrolle für raue Untergründe abgestimmt. Geländegängig macht ihn aber vor allem klassische Mechanik. Allradantrieb (klar), Untersetzung (auch klar) und drei elektronisch gesteuerte, mechanisch sperrende Differenziale bilden die Grundlage. Getreu dem Motto: Irgendein Rad wird schon greifen.
Wie das funktioniert, zeigt Tim jetzt also auf einem Parcours. Er würde lieber im echten Gelände fahren, das merkt man sofort. Aber in akzeptabler Entfernung um die Los Angeles Motorshow gibt es keinen passenden Canyon. Also fahren wir über künstliche Bodenwellen und eine riesige Rampe statt auf spitzen Steinen und Schotterpfaden.
„DSSV“-Dämpfer von Multimatic variieren über Schieberventile ihre Eigenschaften zwischen Straße oder Gelände Quelle: Chevrolet
31-Zöller und DSSV-Dämpfer
„Ich wollte eine Sprungschanze haben“, grinst Tim, „aber das durften wir nicht. Also habe ich einen Bahnübergang nachbauen lassen.“ Der hat zufällig ungefähr die Form einer Sprungschanze. Tim rauscht flott über das Hindernis. Die Vorderräder verlieren den Kontakt zum Boden, der Anschnallgurt presst sich gegen Becken und Schulter.
Im Offroad-Colorado stecken „DSSV“-Dämpfer des Zulieferers Multimatic. Die variieren über Schieberventile ihre Eigenschaften zwischen Straße (straff) oder Gelände (maximaler Federweg). Sie sorgen dafür, dass unsere Landung nicht weh tut. Der ZR2 setzt sanft auf und fährt unbeeindruckt weiter. Das System stammt ursprünglich aus Sportwagen (Ford GT, Aston Martin Vulcan) und aus der Formel 1. Jetzt sitzt es erstmals in einem Offroader.
Ebenfalls hilfreich im Gelände: 31-Zoll-Reifen auf 17-Zoll-Felgen, ein Alu-Unterfahrschutz für Kühler sowie Ölwanne und Stahlrohre an den Seitenschwellern. Sie sollen die Karosserie schützen, wenn sie über Felsen schleift. Das testen wir heute nicht, der Parcours ist auf den Colorado angepasst.
Die konkreten Daten zu Böschungs- und Rampenwinkel des Colorado ZR2 nennt Chevrolet nicht, beides schien aber ausreichend Quelle: Chevrolet
Einarmiger Klimmzug mit einem Pick-up
Das verhindert peinliche Situationen. Außerdem kann Tim mit einem „einarmigen Klimmzug“ angeben. Er lenkt den ZR2 die Rampe hinauf und hält auf einer Markierung. Drei Räder stehen auf Rollen und haben keine Traktion. Tim wählt die Untersetzung, sperrt alle Differenziale und zieht den Colorado lässig mit dem rechten Vorderrad die 30-Grad-Steigung hinauf.
Besonders angestrengt klingt dabei keiner der Motoren, die Chevy im ZR2 anbietet. Serienmäßig gibt es einen V6-Sauger mit 3,6 Litern Hubraum, 313 PS und 373 Newtonmeter Drehmoment. Optional hängt ein Duramax-Diesel mit 2,8 Litern Hubraum und vier Zylindern im Chassis. Der leistet 184 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment.
Beide Aggregate koppelt Chevy an eine Achtgang-Automatik aus eigener Entwicklung. Fahrdaten oder genaue Details zu Böschungs- und Rampenwinkel nennt der Hersteller nicht. Ein Anhaltspunkt: Die ZR2-Studie von 2014 vertrug Steigungen von 30,7 Grad und Gefälle von 22,7 Grad. Augenscheinlich hat sich an den Überhängen seitdem nicht viel verändert.
Offensichtlich ist: Der ZR2 funktioniert im (künstlichen) Gelände. Chevrolet verspricht Gleiches für echte Felsen, außerdem ausreichend Komfort auf öffentlichen Straßen. Für uns leider irrelevant, denn nach Deutschland kommt der Offroad-Colorado nicht.