1989 zerlegte Peter Weinert das Familienmitglied namens Mercury Park Lane Convertible in alle Einzelteile. Bis zur Wiederauferstehung sollten fast 20 Jahre vergehen, doch das Ergebnis überzeugt. Dieser Mercury Park Lane hat Tausende gekostet. Nein, nicht Euro, sondern Arbeitsstunden. Peter Weinert heißt der fleißige Restaurierer, der in den vergangenen Jahren fast jede Minute seiner Freizeit diesem Auto gewidmet hat. Vater Ewald hielt das Geschehen stets unter Kontrolle. "Ab und zu schaute er in die kleine Werkstatt herein, schüttelte fassungslos den Kopf und schloss die Tür wieder", erzählt der Sohn. Tauschgeschäft: BMW 3200 CS gegen das offene Ami-Schiff Dabei war es sein Vater, der ihm das alles eingebrockt hat - was er ihm aber nicht übel nimmt. Ganz im Gegenteil, der Umgang mit Werkzeug und historischen Gefährten bereitet Peter Weinert große Freude. Das begann schon damals mit einem Moped vom Schrottplatz, das, na wer schon, der Papa eines Tages nach Hause brachte. Und nach dem Erwerb des Führerscheins diente ein maroder Karmann-Ghia Typ 14 als Übungsobjekt. "An dieser Schrottmühle habe ich alles ausprobiert, vom Schweißen bis hin zum Lackieren", berichtet Peter Weinert von den Anfängen seines Hobby-Schrauberlebens. Dank einer Werkstatt mit Grube direkt beim Haus konnte er sich nach Herzenslust austoben und sich handwerklich weiterbilden: Learning by Doing. Immerhin brachte er den Karmann-Ghia schließlich wieder auf die Straße. Zu diesem Zeitpunkt nahm der 64er Mercury Park Lane Convertible bereits einen großen Platz im Herzen und in der Garage der Familie Weinert ein. Natürlich war es wieder der Papa gewesen, der den exotischen Ami sozusagen organisiert hatte. Der Zimmermann mit einem Faible für besondere Fahrzeuge nutzte als Zugfahrzeug BMW V8-Modelle, die er auch selbst wartete. Neben diversen Barockengeln besaß er einen 3200 CS. Und dieses Bertone Coupé tauschte er 1969 gegen den gebrauchten Mercury Park Lane Convertible eines Bekannten ein. Das stattliche US-Cabriolet diente dann der Familie als Sonntagsauto und als Transportmittel bei besonderen Gelegenheiten. So legte der Mercury in den folgenden sieben Jahren lediglich 4.000 Meilen zurück. Ab 1974 hatte auch Peter Weinert das große Schiff ab und zu steuern dürfen, für Wartung und Pflege war er eh von Anfang an zuständig gewesen. Als dann 1976 ein Defekt am Hydraulikzylinder der Lenkhilfe und am Steuerventil auftrat, wurde dem mittlerweile selten bewegten Ami eine ruhige Ecke zugewiesen, in der er sich die Reifen platt stand. 13 Jahre Dornröschenschlaf, 20 Jahre Restaurierung Peter Weinerts Interesse galt zwischenzeitlich anderen Autos, doch 1989 flammte seine Begeisterung für den Mercury erneut auf. Er plante, ihn wieder herzurichten, und insgeheim sah er darin sogar schon das passende Hochzeitsauto für sich und seine damalige Freundin. Doch bald kristallisierte sich heraus, dass mehr als nur ein paar Schönheitsreparaturen nötig waren. Zunächst aber machte sich Weinert ans Zerlegen des Mercury. Da er dachte, alles in Kürze wieder montieren zu können, sortierte er zwar die Teile nach Baugruppen, doch er dokumentierte nicht jedes Detail, was später umso akribischer nachgeholt wurde. Etliche zutage tretende Roststellen und der Verschleiß vieler Technikteile ließen es schließlich ratsam erscheinen, den Wagen bis zur letzten Schraube auseinanderzunehmen und von Grund auf zu restaurieren. Dieser sich plötzlich auftürmende Berg von Arbeit dämpfte ein wenig die Begeisterung, zumal damit der Einsatz des Wagens als Hochzeitsauto in weite Ferne rückte. Nach flottem Beginn sank das Arbeitstempo drastisch, um aber Jahre später wieder Akkordniveau zu erreichen. "Irgendwann packt einen dann der Ehrgeiz, denn wenn ich so ein Projekt anfange, will ich es auch mal fertig bekommen, mit möglichst viel Eigenleistung", erläutert Weinert. Wie gesagt, zu tun gab es jede Menge. Nachdem die Karosserie vom Fahrgestell getrennt worden war, ging es dem von allen Anbauteilen befreiten Rahmen an den Kragen. Durchrostungen gab es hier keine zu beklagen, dennoch wurde das robuste Teil zusammen mit den Achsen zum Sandstrahlen gebracht. Trotz der Größe ein ideales Schrauberobjekt Erst Jahre später erhielt der immer noch rostfreie, weil trocken gelagerte Rahmen des Mercury Park Lane eine neue Lackierung und eine Hohlraumkonservierung. Dann folgte Schritt für Schritt der Aufbau des neuen Chassis, was wegen der optimalen Zugänglichkeit großen Spaß bereitete. Weinert nutzte dabei entweder Neuteile oder arbeitete vorhandene Teile in mühevoller Kleinarbeit wieder auf. Der noch funktionstüchtige, nur 49.000 Meilen gelaufene Motor wurde zunächst nur von Ölschlamm und Rost befreit, optisch aufbereitet und mit überholten Nebenaggregaten beziehungsweise revidiertem Vergaser montiert. Das Ergebnis stellte nicht zufrieden, und letztendlich mussten die trotz der geringen Laufleistung erstaunlich stark verschlissenen Kurbelwellen- und Pleuellager erneuert werden. Außerdem kamen ein neuer Vergaser, eine stärkere Ölpumpe und eine neue Zündanlage zum Einsatz. Der Wille, möglichst viel selbst zu machen, verleitete Weinert dazu, sich ein eigenes Sandstrahlgerät zu kaufen und damit die Karosserie des Mercury Park Lane zu behandeln. Das funktionierte zwar, aber es erwies sich als eine Riesensauerei. "Obwohl ich rundherum alles abdeckte und abklebte, verteilte sich der Dreck überall in der Werkstatt", erinnert sich der Restaurierer mit Grauen an die Folgen. Die entlackte beziehungsweise entrostete Karosserie des Mercury Park Lane wurde perfekt aufgearbeitet, und der Unterboden gegen Rostangriffe geschützt sowie lackiert. Dann setzte Peter Weinert die riesige Blechhülle auf ein Holzgestell, das er mit Hilfe seines Vaters gebaut hatte. So ließ sich die Karosserie bewegen und zum Lackierer transportieren, der sie zusammen mit den Einzelteilen wie Türen und Hauben mit einem mehrschichtigen Farbauftrag versah. Um jedes Risiko zu vermeiden, ließ er den einzelnen Farbschichten immer großzügig Zeit zum Trocknen. Irgendwann stand dann die Hochzeit der gelb glänzenden Karosse des Mercury Park Lane mit dem frisch aufgebauten Chassis an. "Bei diesen Dimensionen kann man nicht alles selbst machen", grinst Weinert. Er löste das Problem geschickt, indem er seinen Geburtstag mit Oldtimer-Freunden in der Garage feierte und die Männer dann zu tatkräftigen Trauzeugen erhob. Lohn der Mühe: Zustandsnote 1- Das war im Jahr 2005. Warum bis zur Fertigstellung nochmals drei Jahre vergingen und so viele Arbeitsstunden in der Restaurierung steckten, liegt nicht nur daran, dass sich Weinert tagelang in Ersatzteilkataloge vertiefte, um alle Teile des seinerzeit eilig demontierten Wagens wieder richtig zuordnen zu können. Aber wer möglichst viel selbst machen will, Teile lieber repariert als wegwirft und nach Perfektion strebt, versenkt in manche Arbeit extrem viel Zeit. Dazu zählte beispielsweise das Strahlen Hunderter Schrauben, die Weinert dann gelbverzinken ließ. Oder die Herstellung eines zweiflutigen Auspuffs mit Hilfe von Teilen, die für das Mercury Park Lane Coupé erhältlich sind, wobei Weinert zusätzlich die Rohrführung und die Aufhängung optimierte. Genauso wenig wie ein Auspuff war ein fehlendes Befestigungselement für die Sonnenblende des Mercury Park Lane lieferbar. Weinert feilte tagelang von Hand ein neues Edelstahlteil aus dem Vollen. Für die Radhäuser konstruierte er Spritzschutzbleche, um Steinschläge abzuwehren beziehungsweise Schmutzablagerungen zu vermeiden. Und unter jedes Anbauteil aus Chrom setzte er passend geschnittene Gummiunterlagen. Kein Wunder, dass der Vater ab und zu den Kopf schüttelte. Doch was zählt, ist das perfekte Ergebnis. Und sollte Peter Weinert wirklich noch einen Mangel entdecken, kämen halt ein paar Arbeitsstunden dazu.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 27.09.2011
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