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Deutschlands beste Kfz-Mechatronikerin - Das Öl auf ihrer Haut

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In Deutschland gibt es nur wenige Schrauberinnen. MOTOR-TALK hat eine der besten von ihnen besucht und ihr beim Schrauben über die Schulter gespickt.

Die 24-jährige Franziska bei der Arbeit Die 24-jährige Franziska bei der Arbeit Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK

Dessau - Schmiere ist wie Blut, nur klebriger. Ohne sie läuft kein Motor rund, kein Gelenk funktioniert. In jeder Autowerkstatt klebt das Öl an den Wänden, schwimmt am Boden und haftet an den Mitarbeitern wie Pech. Auch die Hände von Franziska Schildhauer sind voller Schmiere, als sie in das Gedärm des ozeanblauen VW Polo eintauchen. Den feinen Fingern folgen Franzis Arme, die Schultern und der braune Pferdeschwanz.

Bevor der hübsche Kopf im offenen Motorraum über ihr verschwindet, spiegeln sich 1.000 Fragen in Franzis Augen. Man erkennt das deutlich, weil sich dann die Haut über der Nasenwurzel kräuselt. Im Motorraum des 1,2 Tonnen schweren Blechbergs sucht sie nach Antworten. Warum fehlt dem Kleinen die Kraft, seine Kolben zu heben? Er hat doch erst drei Jahre auf dem Blech.

Leblos hängen die Räder des Polos über dem Werkstattboden. Franzi wirbelt wie wild darunter, hämmert, prüft, schleift und wird dabei von einer grellen Neonröhre beleuchtet, die dicht neben ihrem Kopf baumelt.

Hier schraubt ein Star

Franziska Schildhauer ist die beste Nachwuchs-Schrauberin Deutschlands Franziska Schildhauer ist die beste Nachwuchs-Schrauberin Deutschlands Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK

Ein Autohaus ist ein seltsamer Ort. In der Luft wabert meist viel Testosteron, fast wie in einer Kneipe. Nur viel, viel kühler. Manche Menschen strahlen, wenn sie kommen. Dann holen sie meist ein neues Auto.

Andere sind traurig, wütend, verzweifelt. Weil ihr Wagen krankt. Weil sie sich mit Autos nicht auskennen und dem Mechaniker ausgeliefert sind. Kaum jemand geht wirklich gern in ein Autohaus.

Im Autohaus Heise im kleinen Städtchen Dessau ist das anders. Hier schraubt ein kleiner Star an den Karren, die nicht mehr rollen. Der Star ist 1,65 Meter groß, 24 Jahre alt und sehr, sehr hübsch. Die Rede ist von Franziska Schildhauer, eine der wenigen Kfz-Schrauberinnen in Deutschland und die Beste ihrer Art.

Franzi ist nicht wie andere Mädchen. Ihre Welt ist nicht die der singenden Stars, der kreischenden Groupies. Es ist eine Welt, in der ein kräftiger Handschlag mehr zählt als ein flottes Liedchen. Jeden Tag steht Franziska ihren Mann. Dazu zählt: sich die Finger zu verbrennen, mit den Händen zu arbeiten, zu schrauben, zu drehen, oft bis zur Belastungsgrenze.

Viele Mädchen in Franziskas Alter träumen vom Erfolg auf der Bühne. Franzi steht meist darunter. Statt Nagellack und Lippenstift trägt sie Öl an Händen, an Armen und manchmal auch im Gesicht. Ihre großen Augen, so braun wie ein Lebkuchenherz, setzt sie mit einem Hauch schwarzer Tusche in Szene. Ansonsten trägt sie kein Make-up.

Zwischen Affenbaby und Steuerkette

Eigentlich wollte Franziska Tierpflegerin werden. Sie wollte mit Schimpansenbabys kuscheln, Ziegen mit der Flasche groß ziehen. Von Pferdchen zu Pferdestärken – dieser Weg scheint sehr lang, doch Franziska nimmt eine Abkürzung.

Der ZDK hat Franzi im Rahmen eines Sonderwettbewerbs zur besten Kfz-Mechatronikerin Deutschlands gekürt (Girls Casting, 2011) Der ZDK hat Franzi im Rahmen eines Sonderwettbewerbs zur besten Kfz-Mechatronikerin Deutschlands gekürt (Girls Casting, 2011) Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Nach Abitur und einigen glücklosen Bewerbungen lässt sie ihren Wunschjob im Kinderzimmer zurück, packt zu und wagt sich in die kernige, bisweilen harte Männerwelt. Sie wird Kfz-Mechatronikerin.

Statt Affenbabys hält sie jetzt Steuerketten in Händen, statt um niedliche Welpen kümmert sie sich um alte Autos, statt mit Bananen und Zuckerwürfeln hantiert Franziska mit Eisen, Öl und kaltem Stahl.

Die Liebe ist flatterhaft und frei. Gestern rannte sie noch in die eine Richtung, heute sehnt sie sich nach der anderen. Franzi ist jung und ihre Liebe unbedarft. Ihre Zuneigung gehört jetzt den Motoren, den Achsen, selten dem Kühler. Aber den Käfigstangen und den Zebrafischen gehört sie nicht mehr.

Franzi ist froh über das, was gekommen ist, und wie es gekommen ist. Auch wenn es anders geplant war. Und während sie redet und ihre Augen die Werkstatt erleuchten, während ihr Fuß in einer kleinen Öllache hin und herpatscht, spürt man: Franzi meint das ernst. Franzi weiß, was sie will.

Zuhause zum Beispiel, da will sie oft ihre Ruhe. Und ihre Tiere. Ganz ohne geht es eben nicht. Zu ihrer Familie gehören ein Hund, ein Kater und zwei Echsen. Freundinnen hat sie keine. Nur ihre Schwester. Sonst trifft sich Franziska mit Jungs. Die meisten kennt sie aus der Berufsschule.

Die schwarzen Schatten

Richtig sauber werden ihre Hände erst, wenn sie längere Zeit Urlaub hat Richtig sauber werden ihre Hände erst, wenn sie längere Zeit Urlaub hat Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Zurück zum Polo, zurück unter die Bühne. Vielleicht liegt es an einer verzogenen Steuerkette, dass der Motor seine Fahrerin an der Ampel im Stich ließ und einfach verstummte. Franzi will es wissen und nimmt den Polo auseinander. Erst kommt die Ölwanne runter, dann das Getriebe raus.

Franziska Rücken ist kräftig von der harten Arbeit. Ihre zarten Füße stecken in derben Schuhen. Auf der glatten Lederoberfläche perlt das dicke, schwarze Öl ab, als es aus dem Motor tropft. An ihren Händen bleibt es kleben, dringt tief in die feinen Rillen ihrer Haut.

Die Fingernägel sind so kurz geschnitten, dass der Anblick schmerzt. Öl klebt trotzdem drunter. Manchmal schrubbt Franziska nach Feierabend so lange an Händen und Armen, bis es wehtut. Richtig sauber wird die Haut trotzdem nicht. Nur im Urlaub bleibt ihr genügend Zeit, sich selbst zu erneuern und die Schatten verschwinden zu lassen.

Keine Frauen neben ihr

In „ihrer“ Halle, der kleineren der beiden im Autohaus Heise, ist Franzi die einzige Frau. Nicht einmal Pin-up-Girls lächeln von ausgebleichten Postern an der Wand. Als Franziska ihre Lehre beginnt, ist sie die erste Frau im Dessauer Werkstatt-Stall. Oder, um genauer zu sein: Sie ist die erste Frau, die nicht zum Putzen kommt, sondern um Dreck zu machen und zuzupacken.

In ihren Alltagsklamotten ist Franziska kaum wiederzuerkennen In ihren Alltagsklamotten ist Franziska kaum wiederzuerkennen Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Mit ihr hält viel Neues Einzug ins Autohaus: eine Dusche und eine Toilette für Damen, eine neue Umkleidekabine. Und ein neuer Tonfall. Es wird weniger geflucht und gebrummelt, sagt Franziskas Chef.

Dumme Sprüche gibt es trotzdem. Gerade die Jungs unter den Männern haben Probleme mit den Hormonen. Das löst bei manchem die pubertäre Zunge. Was da rausquillt, lächelt Franziska etwas verlegen weg. Umhauen lässt sie sich davon aber nicht. Sie steht mit beiden Beinen im Leben. Ihre Haut ist dick wie die eines Elefanten.

Eine neue Steuerkette liegt neben der alten. Akribisch streicht Franziska beide immer wieder glatt. Eine der beiden Ketten ist um Millimeter länger. Sie kommt auf den Schrott. Mit der neuen wird der Polo bald wieder rollen. Doch nicht mehr heute.

Franziska hüpft aus ihrer Latzhose, springt unter „ihre“ Dusche. Sie schlüpft in Jeans und einen korallenfarbenen Pullover. Als sie mit offener Mähne in ihren Golf III springt, ist sie ein neuer Mensch. Nur noch die dunklen Spuren an ihren Händen verraten, was diese Frau auf dem Kasten hat.

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