Linkströdler und Mittelspurschleicher: ein ansteckender und nerviger Virus im Straßenverkehr, oder ein Missverständnis? Da hilft nur Gelassenheit, raten Verkehrsexperten.
Quelle: Ralf Schütze für mobile.de Warum treffen wir im Verkehr immer wieder auf das gleiche, nicht regelgerechte Verhalten? Dem geht unser Autor Ralf Schütze in dieser Serie nach. Hier geht es zum ersten Teil: Blinkmuffel München - Linksspur-Trödler und Linksspur-Drängler passen zusammen wie schlampige Menschen und Ordnungsfanatiker: Sie nerven sich gegenseitig, und Recht hat keiner von ihnen. Allerdings ist unübersehbar: Eine wachsende Zahl von Autofahrern rollt langsamer als der Verkehrsfluss dahin - und klebt dabei auf der linken oder der mittleren Spur. Obwohl rechts Platz wäre. Quelle: Ralf Schütze für mobile.de Wer sich näher mit dem Phänomen Linkströdler und Drängler beschäftigt, stellt fest: Die zunehmende Missachtung des Rechtsfahrgebots hat viele Gründe. Oft genannt: Die zunehmende Verkehrsdichte mit der Rekordzahl von 723.000 Staus, die der ADAC für 2017 nennt. Der Vorsitzende des Autoclubs ACE, Stefan Heimlich, macht nachlassende Rücksichtnahme verantwortlich: „Bei vielen Verkehrsteilnehmern steht das Ich vor dem Wir.“ Das Rechtsfahrgebot und die AusnahmenFast jeder Autofahrer kennt das: Auf einer mehrspurigen Fahrbahn schleichen relativ langsame Fahrzeuge weiter links als nötig dahin. Sie überholen dabei keine noch langsameren Fahrzeuge – von „Überholspur“ kann also keine Rede sein. Schlimmstenfalls fahren sie sogar deutlich langsamer als erlaubt, während weiter rechts alles frei ist. Schnellere Fahrer werden zum Überholen gezwungen und müssen dazu – falls möglich - bis ganz nach links ausweichen. Das führt zu gefährlichen Situationen, denn dabei treffen unterschiedlich schnelle Fahrzeuge auf der linken Spur aufeinander. Selbst, wenn nichts passiert: Lästig ist das Linkströdeln allemal, denn dadurch wird der vorhandene Verkehrsraum schlecht genutzt. Im Prinzip gilt das sogenannte „Rechtsfahrgebot“. § 2 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) besagt unmissverständlich: „Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen, von zwei Fahrbahnen die rechte.“ Abs. 2 ergänzt: „Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.“ Eine Ausnahme von dieser Regel ist die freie Fahrstreifenwahl innerhalb geschlossener Ortschaften, wenn Fahrbahnmarkierungen vorhanden sind. Eine weitere Ausnahme vom Rechtsfahrgebot beschreibt § 7 StVO: „Auf Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung dürfen Kraftfahrzeuge von dem Gebot möglichst weit rechts zu fahren (§ 2 Absatz 2) abweichen, wenn die Verkehrsdichte das rechtfertigt.“ Das sagen VerkehrsexpertenQuelle: Ralf Schütze für mobile.de Liegt in dieser etwas weich formulierten Ausnahme das Missverständnis vieler Linksspurschleicher? Das meint jedenfalls Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg. „Ursache für die zunehmenden Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot dürfte ein falsches Verständnis der Regelung mit dem Befahren der mittleren Spur sein. Die StVO lässt es ja sinngemäß zu, wenn rechts ab und zu langsame Fahrzeuge unterwegs sind. Deshalb ist in den Augen vieler Kraftfahrer die rechte Spur eine reine Lkw-Spur.“ So fahren dem Fahrlehrer zufolge viele Kraftfahrer unnötig lange oder sogar konstant auf der mittleren Spur und fühlten sich dabei im Recht. Manche hätten offenbar Angst, sie könnten nur schwer von der rechten Spur wieder zurückkommen, wenn sie sich erst einmal dort eingereiht hätten. Jochen Klima vermutet: „Da greift die zunehmende Ellbogenmentalität. Denn wo mit wenig Rücksichtnahme die eigene Fahrspur behauptet wird, anstatt jemanden von rechts nach links wechseln zu lassen, bleiben die Fahrer lieber gleich in der Mitte oder gar links.“ Das sieht auch Wolfgang Schönwald von der Gewerkschaft der Polizei so. Als Gründe für das offensichtlich immer stärkere Gegen- statt Miteinander auf unseren Straßen zählt er auf: Erhöhte Arbeitsbelastung sowie Leistungs- und Zeitdruck. Quelle: Ralf Schütze für mobile.de Was tut die Polizei?Auch Andreas Feß, Polizeioberrat und Verkehrsreferent im Innenministerium Baden-Württemberg, registriert eine Zunahme der Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot. Die Polizei tue leider wenig dagegen, so Feß. „Vergehen gegen das Rechtsfahrgebot sind kein Überwachungsschwerpunkt. Da liegen Verstöße gegen Tempolimits und in Bezug auf Sicherheitsabstand eindeutig weiter vorne.“ Die Überführung eines Linksspurtrödlers ist laut Feß besonders schwierig und aufwändig. Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot kostet 80 Euro Bußgeld und bringt einen Punkt. Jochen Klima hält das für zu wenig. Die Geldstrafe habe zumindest für Besserverdiener kein wirkliches Abschreckungspotenzial. Auch ACE-Chef Heimlich hält höhere Bußgelder und einen verschärften Punktekatalog für eine „angemessene Reaktion auf die zunehmende Aggression im Straßenverkehr“. Was der Einzelne in Sachen „Ellbogenmentalität“ unternehmen kann? Jochen Klima rät, nicht allzu erzieherisch vorzugehen – etwa durch durch zu nahes Auffahren auf einen Linksspurtrödler. So wird man schnell zum Drängler. Andersherum sollten Autofahrer auch davon absehen, einen Raser oder jemanden der zu dicht auffährt, zu blockieren. Stattdessen: „Gelassen bleiben, wenn sich der andere nicht regelkonform verhält." Es bringe nichts, ein Duell aufzunehmen. Lieber solle man in Gedanken zum Drängler oder Trödler sagen: "Geh' mit Gott, aber geh'”. Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Straßenverkehr. |