Von Haiko Prengel
- Wenig Leistung und Komfort, trotzdem Fahrspaß: Oldtimer aus dem Osten
- Wegen ihrer simplen Technik gelten Ost-Autos als ideale Klassiker für Einsteiger
- Ersatzteile gibt es für die massenhaft gebauten Fahrzeuge noch reichlich
Berlin - Es gab eine Zeit, da wusste Wolfgang Schwarz kaum, was eine Werkstatt überhaupt macht. Seine Autos waren so simpel, dass er alles alleine erledigen konnte – bis hin zur Operation am offenen Motor. Zum Beispiel sein alter Wartburg 353: „Bei dem hatte ich immer eine zweite Zylinderkopfdichtung dabei”, erinnert sich der Brandenburger. Zu recht, einmal musste er das anfällige Teil am Straßenrand austauschen. „Das hat eine Stunde gedauert, dann ging die Fahrt weiter.”
So gehen die alten Anekdoten aus DDR-Zeiten. Ob Wartburg, Trabant oder Barkas – die meisten Autos im Osten waren nicht schnell und nicht komfortabel. Aber reparieren konnte man sie, selbst als technischer Laie. Bei modernen Autos macht schon das Wechseln einer Glühlampe Probleme.
Trabi, Wartburg und Co. sind ideale Einstiegsoldtimer
Inzwischen erzielt der Trabant recht ordentliche Preise auf dem Gebrauchtmarkt, nicht nur als nicht mehr ganz originale "Rennpappe" Quelle: dpa/Picture Alliance
Die überschaubare Technik ist einer der Gründe, weshalb alte Autos aus dem Osten gefragt sind. „Im Grunde sind es die idealen Einstiegsoldtimer”, meint Wolfgang Schwarz, der nicht nur Wartburg, sondern so ziemlich jedes Auto gefahren ist, das in der DDR auf den Straßen herumknatterte. In Harnekop in Ostbrandenburg, auf dem Gelände eines früheren Atombunkers, unterhält Schwarz mit seiner Frau eine Sammlung von rund 100 Autos, Lkw und 100 Motorrädern aus dem ehemaligen Ostblock.
Nur wenige Liebhaber stellten nach dem Mauerfall die alten Autos weg. Deren Geduld zahlt sich heute aus: Man sieht wieder Leute, die Trabant-Wracks auf Anhängern transportieren. Nicht zum Schrottplatz, sondern um sie in der Werkstatt zu restaurieren. Gut erhaltene beziehungsweise restaurierte Trabant kosten 5.000 Euro und mehr. „Diese Fahrzeuge sind inzwischen in der Szene klar anerkannt”, bestätigt Marius Brune von Classic Data, der Sachverständigenorganisation für klassische Fahrzeuge.
Vor allem bei seltenen Modellen wie dem Wartburg 313 „Sport” oder Trabant Kübel mit abnehmbaren Verdeck seien die Preise in den vergangenen Jahren ordentlich angezogen - mehr als 10.000 Euro seien keine Seltenheit. „Die Zeit der billigen Fahrzeuge ist vorbei”, sagt Experte Brune. Trotzdem muss man kein Vermögen ausgeben, um einen gut erhaltenen Oldtimer aus dem Osten zu ergattern. Wir stellen euch zehn Klassiker vor.
10 Ost-Oldies: Der Trabi und seine Alternativen
1. Trabant 601
Der Trabant Typ 1.1 mit Viertaktmotor kam erst 1990 auf den Markt, ein Erfolg wurde er nicht Quelle: dpa/Picture Alliance
Der Trabant P601 war der Volkswagen der DDR und wurde von 1964 bis 1990 praktisch unverändert gebaut. Der Zweitakter leistete anfangs 23 PS, was zunächst noch zeitgemäß war. Die Technik veraltete aber zusehends, und damit auch der Ruf des Fahrzeugs mit Duroplast-Karosserie. Mangels Alternativen in der Mangelwirtschaft fuhren die DDR-Bürger den Trabant aber trotzdem massenhaft. Heute kostet ein Trabant 601 im guten Zustand etwa 2.800 Euro (Quelle für alle Marktpreise: Classic Data, Zustand 2).
2. Trabant 1.1
Neue Fahrzeugentwürfe wurden von der DDR-Regierung stets abgelehnt. Erst 1990 kam ein neuer Trabant auf den Markt, die Version 1.1. mit zeitgemäßem Viertakt-Vierzylinder aus dem Hause Volkswagen. Die 40 PS heizten dem nur 700 Kilogramm leichten Wagen ordentlich ein. Er floppte trotzdem, weil die DDR-Bürger für 9.000 Westmark lieber einen gebrauchten VW Golf oder einen Mercedes aus Dritt- oder Vierthand kauften. Aktueller Marktpreis Trabant 1.1: ca. 3.000 Euro
3. Wartburg 353
Dieses karge Wägelchen war einmal der automobile Traum des ostdeutschen Normalbürgers, auf den er bis zu 15 Jahre warten musste (es sei denn, man war Parteifunktionär). Viele warteten geduldig, denn der Wartburg war leistungsstärker, größer und komfortabler als der Trabant. Er lief in fünf Generationen vom Band. Das Modell 353 ist der bekannteste von allen, das VEB Automobilwerk Eisenach baute ihn von 1966 bis 1988.
Erst 1988 spendierte man dem letzten Wartburg einen mehr als überfälligen Vierzylinder-Viertakter. Massiver Rostbefall ist das größte Wartburg-Problem. Gefährdet ist vor allem der Rahmen, der mit der Karosserie verschraubt ist. Technik-Probleme sind zu vernachlässigen, denn die Ersatzteilsituation ist entspannt, Teile sind günstig. Aktueller Marktpreis Wartburg 353: ca. 4.000 Euro
Barkas B 1000: Der "Bulli des Ostens" konnte anfangs noch mit dem VW T1 technisch mithalten, doch irgendwann wurde er nicht mehr weiter entwickelt Quelle: dpa/Picture Alliance
4. Barkas B 1000
Er war der Bulli des Ostens: der Barkas B 1000. Feuerwehr, Polizei, Militär, der emsige Kleinbus taugte für viele Aufgaben. Dementsprechend dezimiert ist heute der Bestand. Als der Barkas 1961 in Serie ging, war er mit seinem Konkurrenten im Westen - dem VW Bus T1 – noch auf Augenhöhe: Anfangs hatte der Barkas mehr PS unter der Haube als der Bulli. Mit den Jahren verlor er den Anschluss an die technische Entwicklung. Fast 40 Jahre lang wurde er weitgehend unverändert gebaut. Das 46 PS starke Aggregat (100 Km/h Spitze) liegt zwischen Fahrer- und Beifahrersitz – entsprechend laut ist es beim Fahren im Innenraum. Aktueller Marktpreis Barkas B 1000: ca. 8.000 Euro
5. Skoda 1000 MB
Der Skoda 1000 MB war ein begehrtes Auto in der DDR. Schließlich hatte der tschechoslowakische Mittelklassewagen einen Viertaktmotor im Heck. Gegen die Zweitakter war der Skoda 1000 MB mit seinen 37 PS geradezu spritzig. Mitte der Sechzigerjahre löste der Wagen das Modell Octavia ab und war mit Heckmotor und -antrieb sowie selbsttragender Karosserie ein technischer Meilenstein.
Eins aber vergaßen die Ingenieure: vernünftigen Korrosionsschutz. Die Skodas rosteten schnell. Die Karosseriequalität war damals genauso schlecht wie die Hohlraumkonservierung. Schnell hatten die Autos den Spitznamen BMSR weg: Böhmisch-Mährischer-Schnell-Roster. Von über 400.000 produzierten 1000 MB sind nur noch wenige Exemplare erhalten geblieben. Aktueller Marktpreis Skoda 1000 MB: ca. 5.100 Euro
6. Lada 2101
Der Lada 2101 wirkt wie eine Italo-Limousine, ist aber ein Auto aus russischer Fertigung. Wie das geht? Die UdSSR schloss in den 1960er Jahren mit Fiat einen Lizenzdeal und baute Millionen Kopien vom Modell 124, im Osten auch Shiguli genannt. Die Technik ist äußerst robust, im ehemaligen Ostblock gehört der 2101 noch immer zum Straßenbild - meist als abgehalftertes Alltagsauto.
Weil der Wagen millionenfach gebaut wurde, gibt es ein reichhaltiges Angebot, auch was die Ersatzteile betrifft. Unter den klassischen Oldtimern, die es auf dem Markt gibt, ist der Lada 2101 daher einer der günstigsten. Exemplare in ordentlichem Zustand gibt es schon für 1.000 Euro. Aktueller Marktpreis Lada 2101: 5.400 Euro
Der Lada Niva wird noch immer fast unverändert gebaut, geändert hat sich in den vergangenen 40 Jahren nur der Name. Der Niva heißt jetzt 4x4 Quelle: dpa/Picture Alliance
7. Lada Niva
Seit 40 Jahren wird der Lada Niva produziert. Doch so ziemlich das Einzige, was sich seit dem Produktionsstart im Jahr 1976 änderte, war sein Name: Seit 2013 heißt der kantige Geländewagen 4x4. Technische Neuerungen gab es dagegen fast nicht – vielleicht bis auf Servolenkung und ABS. Denn der Niva ist etwas für Hartgesottene. Komfort? Fehlanzeige.
Dafür gibt es robuste und simple Technik, die sich auch draußen in der Tundra leicht reparieren lässt. Mit Allradantrieb und Differenzialsperre sind Fahrten auf rutschigem Untergrund kein Problem, das Ausgleichsgetriebe ermöglicht das Erklimmen extremer Steigungen. Allerdings verbraucht der Niva viel, federt schlecht und lärmt im Innenraum. Aktueller Marktpreis Lada Niva: 4.500 Euro
8. Polski Fiat 125p
Auch Polen begann in den Sechziger Jahren mit mit der Lizenzproduktion von Fiat-Modellen. Der 125p war ein Nachbau des Fiat 125 – ein schlichter, aber nicht unkomfortabler Kompaktwagen, der mit seinen 60 bis 75 PS vergleichsweise üppig motorisiert war. Schon für Westdeutsche war der Fiat 125 attraktiv, für Ostdeutsche beinahe ein Traumwagen. Als Mittelklassewagen konkurrierte er mit Lada und Moskwitsch. Obwohl Rost den Bestand an Fiat 125p dezimiert hat, gibt es eine noch reichlich Auswahl an Überlebenden. Aktueller Marktpreis: circa 3.000 Euro
9. Saporoshez 965
Im Saporoshez (abgewandelt Saporosch oder kurz Sapo) brauchte man starke Nerven, nicht nur wegen der hinten angeschlagenen Selbstmördertüren. Die komfortlose Heckschleuder machte zunächst sowjetische Familien mobil, dann wurde der Saporoshez 965 auch in die DDR exportiert.
Wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Fiat 500 bekam der bucklige Sapo den Spitznamen Fiatowitsch. Das bedeutet so viel wie „Sohn des Fiat”. Andere nannten den Sapo Kremlwanze oder T34 Deluxe. Die unzuverlässigen und stark rostenden Kleinwagen waren im Volk rasch unten durch. Heute stiehlt der Fiatowitsch auf Oldtimerveranstaltungen dagegen anderen die Show. Aktueller Marktpreis Saporoshez 965: ca. 3.500 Euro
10. Gaz 24 Wolga
Im Osten wurden nur Pappschachteln wie der Trabi gebaut? Falsch, die Behörden genehmigten sich gerne bessere Fahrzeuge: Der GAZ 24 Wolga war die Oberklasse des sowjetischen Automobilbaus. Bei dem Wagen, der von 1967 bis 1992 gebaut wurde, reichte es zum Prädikat „Mercedes des Ostens”. In Ost-Berlin war er häufig als Taxi unterwegs.
Die DDR-Volkspolizei und andere Behörden nutzten den Wolga, der mit seinen knapp 100 PS für Ost-Verhältnisse geradezu sportlich motorisiert war. In Kleinserie entstand sogar eine Version mit 5,5-Liter-V8 (197 PS), der allerdings Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes KGB vorbehalten war. Privatleute konnten dieses „Highend“-Modell nicht erwerben. Aktueller Marktpreis Gaz 24 Wolga: ca. 7.800 Euro