Schnell wie ein starker Kompakter, sparsam wie ein kleiner Diesel und leise wie eine Limousine: Der Volvo XC90 T8 soll alles können und vieles anders machen. Ein Test.
Berlin – Feine Technik, interessante Ideen und viel Mut: Volvo baut große Autos anders als alle anderen. Das beeindruckt, aber das Konzept muss funktionieren. Wir haben den Volvo XC90 T8 im Alltag getestet. Die detaillierte Bewertung findet Ihr weiter unten.
Irgendwie funktioniert es doch, dieses Downsizing. 320 Benzin-PS vorn, 65 Elektro-kW (87 PS) hinten, drum herum 2,4 Tonnen schwedisches Blech, mittendrin nur vier Zylinder. Der Taschenrechner zeigt: Zehn Liter Super als Durchschnittsverbrauch auf langer Strecke, 12,4 Liter bei flotter Fahrt. Insgesamt verbrauchen wir 11,5 Liter pro 100 Kilometer. Das mag mehr sein als manches grüne Gewissen erlaubt oder der NEFZ-Wert verspricht. Letztendlich zeigt diese Zahl aber, dass das Konzept von Volvo aufgeht. Große Motoren wollen die Schweden nicht mehr bauen. Für alle Klassen gilt: Verbrenner vorn quer, maximal vier Zylinder breit und zwei Liter klein. Optional gibt es Elektro-Unterstützung. Kompakte Schweden bekommen dafür bald die neue CMA-Plattform. Die großen basieren auf dem SPA-Chassis. Volvo XC90 T8: Der dickste Schwede fährt lautlos Eine Kardanwelle fehlt im stärksten XC90. Vermissen soll sie keiner. Der Verbrenner treibt die Vorderachse an, der Elektromotor die Hinterachse. Volvo gibt eine elektrische Reichweite von 43 Kilometern an. Je nach Fahrprofil haben wir 25 bis 40 Kilometer geschafft. Ab 125 km/h, bei steilen Steigungen und unter Last übernimmt (oder hilft) der Verbrenner. Eine Systemleistung gibt Volvo nicht an, man addiert die Daten beider Motoren auf 407 PS und 640 Newtonmeter Drehmoment. Der XC90 sprintet so schnell wie einige Hot Hatches: Nach 5,6 Sekunden erreicht er Tempo 100. Seine Software begrenzt die Höchstgeschwindigkeit auf 230 km/h, mit 18-Zöllern auf 210 km/h. Für ein riesiges SUV geht beides in Ordnung. Feine Abstimmung zwischen den Achsen Insgesamt fehlt dem XC90 T8 aber die gemütliche Souveränität eines großen SUV. Trotz Luftfahrwerk holpert unser Testwagen über Straßenschäden, die mancher Wettbewerber wegfedert. Und das Antriebskonzept findet seine Grenzen bei schnellen Sprints. Ein Großteil der Kraft zerrt an der Vorderachse: Dann wirkt der Volvo nervöser als Konkurrenten mit mechanischem Allradantrieb und variabler Verteilung. Die Differenzialsperre an der Vorderachse arbeitet mit Bremseingriff. Der dicke Schwede kann sprinten, Dauerlauf mag er aber lieber – oder lautloses Gleiten. Dann bleibt sogar Zeit, die feinen Materialien im Innenraum zu genießen. An der Stelle fährt er vielen Konkurrenten davon. Der Volvo XC90 im DetailKarosserie: Fünfmeter-SUV mit drei Sitzreihen Fahrwerk: Trotz Luft härter als üblichUnser Testwagen mit Hybrid-Topmotorisierung bringt es auf 2.343 Kilogramm. Gemessen an Leistung und Reichweite geht das in Ordnung, zumal er sein Gewicht erstaunlich flott ums Eck schiebt. Auf Dauer federte unser Modell aber zu straff, trotz optionaler Luftfederung (2.560 Euro). Im schwächeren Volvo XC90 D5 gefiel uns das gleiche Fahrwerk besser. Antrieb: Zwei Motoren und doppelte AufladungDas interessanteste Stück am XC90 T8 ist sein Allradantrieb. Denn Volvo baut in Serie, was Audi nur in Studien zeigt: Verbrenner und Elektromotor arbeiten an je einer Achse. Eine mechanische Verbindung gibt es nicht, die Synchronisierung erfolgt per Software. Der XC90 T8 startet elektrisch. Ein Synchronmotor von Siemens treibt über ein einstufiges Getriebe die Hinterachse an. Das Bauteil wiegt 49 Kilogramm und sitzt mittig im Achskörper. Der Motor leistet maximal 64 Kilowatt (87 PS) und 240 Newtonmeter Drehmoment. Der Strom kommt von einem 9,2-kWh-Akku im Mitteltunnel. Vorn arbeitet ein Baukasten-Vierzylinder mit 2,0 Litern Hubraum und doppelter Aufladung. Bei niedrigen Drehzahlen verdichtet ein Roots-Kompressor die Ansaugluft, später übernimmt ein Turbo. Insgesamt leistet der Verbrenner 320 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment. Kraft und Leistungsentfaltung stimmen, nur der Klang nicht so. Innerorts fuhren wir den XC90 weitestgehend elektrisch. Je nach Fahrprofil lag die Reichweite zwischen 25 und 40 Kilometern. Mit leerem Akku wird er zum Vollhybrid. Dann pendelt sich der Verbrauch bei etwa 11 Litern pro 100 Kilometern ein. Auf langen Strecken lag der Verbrauch zwischen 10 (zügig, aber gemütlich) und 12,5 (flott) Litern pro 100 Kilometer. Volvo gibt einen Hybrid-Normverbrauch von 2,1 Litern pro 100 Kilometer an. Der ist genauso unsinnig wie der zugehörige Messzyklus. Dabei müsste sich der XC90 T8 nicht hinter diesem Fabelwert verstecken, der Realverbrauch geht voll in Ordnung. Schade: Der Tank fasst nur 50 Liter Sprit. Ergibt in der Praxis etwa 400 Kilometer Verbrenner-Reichweite. Innenraum: Tolles Holz, feines LederLackiertes Holz, das sich unbehandelt anfühlt, weiches Leder und ein aufgeräumtes Cockpit mit sieben Schaltern in der Mittelkonsole: Im Innenraum glänzt der XC90. In unserem Topmodell gibt es eine Glaswalze für die Auswahl der Fahrmodi und ein digitales Cockpit. Materialien und Verarbeitung wirken hochwertig, Ergonomie und Anordnung stimmig. Die (im T8) serienmäßige dritte Sitzreihe eignet sich nur für Kinder. Auf der Rückbank sind die Sitzflächen etwas kurz geraten. In riesigen SUV wird es generell schwierig mit der Übersicht, im XC90 ist das nicht anders. Hier empfiehlt sich die Parkkamera mit Anzeige in Vogelperspektive für 1.110 Euro Aufpreis. Infotainment: Alles digital im Volvo XC90 T8 Die Handyverbindung über Bluetooth läuft problemlos. Eine Kabelverbindung lohnt sich aktuell nur für Besitzer von Apple-Geräten. Der XC90 unterstützt gegen Aufpreis (360 Euro) den Standard Apple CarPlay, Android Auto soll langfristig folgen. Ein Navigationssystem kostet im XC90 T8 1.170 Euro Aufpreis, ein digitales Cockpit gibt es serienmäßig. Die Anzeigen hinter dem Lenkrad wirken trist und einfallslos. Vor allem dann, wenn man ohne Navi fährt. Das System könnte mehr, als Volvo nutzt. Assistenten: Viel Sicherheit im großen VolvoAb 2020 soll kein Fahrer eines neuen Volvo bei einem Unfall sterben. Entsprechend bieten die Schweden einen großen Schwung Assistenzsysteme an. Darunter ein Notbremssystem für Radfahrer, Fußgänger und Elche, ein Spurhalteassistent mit Lenkeingriff, Auspark- und Notbremsassistenten, präventive Gurtstraffer und ein Head-up-Display mit Warnfunktion. Im Stau kann der XC90 bis Tempo 50 teilautonom fahren. Leider bildet er nicht selbstständig eine Rettungsgasse, sondern folgt stur dem Vordermann. Ebenfalls verbesserungswürdig: Einige Systeme schlagen sehr früh Alarm. Das mag sicher sein, nervt aber im Alltag. Preis: Plug-in-Hybrid im Mittelfeld Das Spitzenmodell XC90 T8 mit 407 PS, 2,1 Liter NEFZ-Verbrauch und 43 Kilometern elektrischer NEFZ-Reichweite kostet bei Volvo mindestens 76.650 Euro. Damit liegt er zwischen BMW und Audi: Der BMW X5 xDrive40e iPerformance (313 PS*, 3,3 l/100 km, 31 km Reichweite) kostet mindestens 67.100 Euro. Ein Audi Q7 E-Tron Quattro (373* PS, 1,7 l/100 km, 56 km Reichweite) startet bei 80.500 Euro. Ein Volvo XC90 T8 Inscription kostet mindestens 80.550 Euro. Unser Testwagen bringt es mit viel Sonderausstattung auf 99.000 Euro. Ein Business-Paket (Navi und Parkpiepser, 1.500 Euro) sowie die Parkkamera (1.110 Euro) gehören auf jeden Fall ins Auto. Akustikverglasung (900 Euro) und Xenium-Paket (Head-up-Display, Panoramadach, Sonnenrollos, Leder auf Armaturenbrett und Türverkleidungen, 2.850 Euro) empfehlen sich ebenfalls. Auf die Luftfederung können wir verzichten. Technische Daten Volvo XC90 T8
*Anmerkung: BMW und Audi nennen eine Systemleistung. Sie gibt an, welche Leistung beide Motoren real gemeinsam abgeben können. Verbrenner und Stromer erreichen ihre Leistungsspitze in unterschiedlichen Drehzahlbereichen. Volvo gibt keine Systemleistung an, sondern addiert die Maximalwerte. |
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