Luxusautos kauft man eigentlich nicht im Luxushotel. Oder bei Mobile.de. In den vergangenen Monaten wurden aber genau dort die ausgefallensten Exemplare angeboten. Ein Besuch.
Quelle: AndreaAstes, wibofoto - istockphoto.com, Lamborghini, Bonhams Aktualisierung: Wir haben den Artikel auf Wunsch eines Betroffenen geändert. Berlin – Der Markt für betagte, seltene Blechschätze boomt; und wenn etwas boomt, dann drängeln sich im Gefolge der Pioniere die „Investoren“ nach vorn. Manche von ihnen lieben alte Autos, aber die meisten lieben vor allem Geld und Rampenlicht. Quelle: Screenshot AMS Im September veröffentlichte das Unternehmen Golden Tower GmbH ein Inserat über eine äußerst seltene Carbon-Pretiose bei Mobile.de. Die Onlineausgabe von „Auto Motor und Sport“ schrieb, Golden Tower würde einen von weltweit nur neun gebauten Lamborghini Veneno Roadster veräußern. Ein paar Wochen vorher schrieb Focus-Online, Golden Tower verkaufe einen ziemlich teuren - 47,6 Millionen - Ferrari 250 GTO. Eines von 39 gebauten Fahrzeugen. Schmuck oder SchminkeGolden Tower hat seinen Sitz in Berlin, wie MOTOR-TALK. Als Autofans wollen wir natürlich einen Blick auf einen der beiden Wagen werfen. Also ab in den Dienst-Omega und rüber zum Brandenburger Tor. In der Ladenpassage des Hotel Adlon Kempinski hat Golden Tower zwei Räumlichkeiten angemietet. Schon wer das Adlon betritt, fühlt sich a) beobachtet und b) bitterarm. In jeder Ecke des Flurs spiegeln sich die abgetragene Jeans und die nicht mehr ganz neuen Turnschuhe in den Schaufenstern der kleinen Läden. Hinter den gewaltigen Scheiben helfen brav gekleidete Mittvierzigerinnen vermögenden Frauen dabei, sich besser zu fühlen. Mal mit Schmuck, mal mit Schminke. Aber im Grunde geht es immer um die Seele. Quelle: MOTOR-TALK Am Ende der Passage, neben einem verschlossenen Seiteneingang, befinden sich zwei Läden, in denen niemand wartet. Eine Telefonnummer und „Termine auf Anfrage“ steht an der Tür der GT Golden Tower Real Estate and Luxury GmbH. Visitenkarten mit goldener Prägung stecken in einem kleinen Spender. Gegenüber, in der Galerie der Royal Art Capital hängen ein paar Gemälde. Sie sehen teuer aus. Anrufe, viele AnrufeHier oder zumindest in der Tiefgarage des Adlon sollen sie dann also stehen, die beiden Luxusautos. Denn Golden Tower bietet diese und andere wie ein Gebrauchtwagenhändler auf Mobile.de zum Verkauf an. Das passt zum Ferrari 250 GTO von 1962. Er kostete bei der letzten Versteigerung 28,5 Millionen Euro. Die Meldung des Mobile-Ferrari-GTO wirbelte im Sommer 2014 durch den weltweiten Medienwald. Einer von 39 GTO! Für 47 Millionen! Auf Mobile. Lustig, skurril. Die Meldung lief gut, ohne Recherche, wer Golden Tower eigentlich ist. Das ist schade. Denn, wer bei GT anruft, der bekommt viele interessante Informationen. Geschäftsführer Holger Thorsten S. spricht persönlich über das Auto, als wir ihn erreichen. Er erklärt, dass seine Firma den GTO natürlich nur im Auftrag verkaufe. Dass es sich aber um eines der besten Exemplare überhaupt handele, mit Matching Numbers, einem Ersatzmotor und nur 15.000 Kilometern auf dem seltenen Tacho. Quelle: Screenshot Mobile.de Google sagt, Thorsten S. ist eigentlich Mathematiker und dazu Geschäftsführer einer Reihe von Firmen wie Golden Tower und Royal Art Capital. Eine seiner Firmen, die Mega NFC, verkauft Nahrungsergänzungsmittel, die das Leben verlängern sollen. In einem Youtube-Video erzählt S., dass er selber gerne länger leben möchte. Er trägt feinen Stoff am Körper und Gel in den Haaren. Auf dem Handy erreicht man ihn gut. Wenn nicht, ruft er zurück oder hinterlässt eine Nachricht auf Band - wenn es sein muss. Der DealSein muss es zum Beispiel, wenn die Neutrino Inc, eine von Herrn S. Firmen, kurz vor einem revolutionären Durchbruch in der Batterietechnik steht. Dann erklärt Herrn S. mit sanfter und kultivierter Stimme, dass seine Technologie Elektroautos eine Reichweite von 1.000 Kilometern ermöglicht. Das sei der Hot Shot im Bereich Automobil-News. Der Mann addiert im Kopf. Bei einem schönen Bericht über die Neutrino Inc. könne man auch über eine exklusive Story zum 250 GTO reden. Ein verwegener Rechner. So einen „Deal“ kann man seltsam finden. Herrn S. findet ihn okay. Was er nicht okay findet? Leute, die behaupten, seine Anzeigen seien „Fakes“. Besonders beim 250 GTO treffe das nicht zu. Fälschungen und NeidIm August hatte der Ferrari-Experte Marcel Massini dem Nachrichtennetzwerk CNBC gesagt, dass es sich beim Golden-Tower-Ferrari um eine Fälschung handele. Kurz danach verschwand die Anzeige von Mobile. Das Portal war sich nicht sicher, ob die Anzeige den Nutzungsbedingungen entspricht. Diese ganzen Experten, alles Neider, sagt Herrn S.. Er kann sich aufregen, ohne laut zu werden: Was wissen die schon, die kennen ja nicht mal die Fahrgestellnummer. Wie können sie da beurteilen, ob es sich um eine Fälschung handelt? Laut Ferrari können Informationen über historische Fahrzeuge nur durch die Classic-Abteilung und anhand der entsprechenden Fahrgestell- oder Motornummern ermittelt werden. Ferrari-Experte Massini stützt sich auf sein Szenewissen. Er weiß, wem die 39 Original-GTO gehören und welche Fahrgestellnummern sie haben. Ob jemand für 47,6 Millionen verkaufen würde, weiß er nicht. Mobile.de weiß mehr, die Anzeige ist wieder online. Ass im AnzugDie Fahrgestellnummer seines Mobile-GTO kennt nur Herrn S. - und das bleibt vorläufig so. Im November oder Dezember soll sich das ändern. Mit einem Knall, der allen Experten das iPad aus den Händen schleudert. Herrn S. hat ein Ass im Anzug: im November (oder Dezember) soll der Mobile-GTO tatsächlich im Adlon parken. Dann will der Geschäftsmann ihn in der Galerie der Royal Art Capital „als teuerstes Auto der Welt“ ausstellen. Der Preis werde bis dahin noch einmal um drei bis vier Millionen erhöht. Die Papiere würden bei einer Anwaltskanzlei am Leipziger Platz in Berlin zu Einsicht hinterlegt. Experten, Presse und Neider könnten sich dann von der Echtheit des Ferrari überzeugen. Fußgänger könnten das zumindest von seiner Existenz. Die Galerie neben dem stets verschlossenen Seiteneingang liegt direkt an einer Straße. Ein Sicherheitsproblem gibt es nicht, weil es sich bei dieser Straße um die Wilhelmstraße handelt und beim Nachbar der Royal Art Capital um die Britische Botschaft. Nicht mal das Google-Street-View-Auto durfte da vorbeifahren. Wahrscheinlich gibt es in Berlin keinen sichereren Platz für ein Auto. Polizisten überwachen die Straße Tag und Nacht. Kameras, Absperrungen. Nur die Breite der Galerie-Tür wird Ferrari-Experten Sorgen machen. Es sind immer zehn MinutenBei der Suche nach dem Ausgang aus dem Adlon-Spiegelkabinett passiert man das sogenannte Business Center: Konferenzräume, Computerarbeitsplätze, zwei Damen in dunklen Hosenanzügen hinter einem Tresen. Während eine der beiden Telefonanfragen beantwortet, kümmert sich die andere um Laufkundschaft. Ob denn niemand da ist, bei den Läden da hinten? „Selten. Die kommen und gehen eigentlich wie sie wollen. Einmal in der Woche holen sie die Post ab. Gerade vor zehn Minuten war eine blonde Frau hier. Schauen sie doch nochmal nach, die müsste doch noch da sein.“ Schade. Es sind immer zehn Minuten. Auch, wenn man zehn Minuten vor dem Laden stand. |