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Unimog: Fahrbericht - Der beste Geländewagen der Welt

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Wenn die Räder eines Unimogs durchdrehen, hilft nur noch ein Panzer. Denn der Unimog ist das härteste Gerät des zivilen Verkehrs. Ein Fahrbericht mit einem neuen und alten Exemplar.

Gaggenau - Vor mir geht es steil bergauf. Mehr Eiger-Nordwand in den Alpen als Plaidter Hummerich in der Eifel. 100 Prozent Steigung, das entspricht einem Winkel von 45 Grad. Ein gängiger Geländewagen schafft das kaum, erst recht nicht, wenn es rutschig ist.

Der Unimog packt das locker. Erstens ist er ein Alleskönner und zweitens ist der Parcours des Unimog-Museums sein Heim-Spielplatz. Kriechgang rein, Kupplung kommen lassen und der U4000 klettert lässig über das Hindernis. Die Druckluftbremse zischt kurz durchs Überdruckventil. Ich schaue in den Himmel, spüre das Stampfen des Diesels und vertraue auf die Kletterfähigkeit des Lkw.

Aus der Not heraus

„Der Unimog hat die Welt verändert. Es gibt heute kein Nutzfahrzeug, das bekannter ist als der Unimog“, sagt Hans-Jürgen Wischhof. Wischhof war jahrelang Chef der Daimler-Sparte und am Erfolg des Universalfahrzeugs beteiligt. Heute sind Straßenmeistereien, Feuerwehren und Armeen ohne Unimog kaum vorstellbar.

Der Unimog entstand aus der Not heraus: Der ehemalige Daimler-Flugmotorenentwickler Albert Friedrich erhält nach dem Zweiten Weltkrieg im November 1945 von der amerikanischen Militärregierung die Erlaubnis, ein motorgetriebenes landwirtschaftliches Nutzfahrzeug zu entwickeln. Robust durfte es sein, jedoch nicht zum Militäreinsatz taugen. Friedrich tüftelt, zeichnet – und trickst. Er entwirft ein Allradfahrzeug mit vier gleich großen Rädern, 25 PS, Kriechgängen und Pritsche.

Produktionsstart: 1948

Der Unimog wird als mehrachsiges Motorfahrzeug für die Landwirtschaft patentiert. Ab 1948 rollt er beim Maschinenbau-Unternehmen Boehringer in Göppingen vom Band. Das Neue: Seine extreme Geländegängigkeit durch vier gleich große Räder, Portalachsen sowie den Allradantrieb mit Differenzialsperren vorne und hinten. Die Anbaumöglichkeiten für Geräte vorne, hinten, seitlich und in der Mitte geben dem Fahrzeug seinen Namen „Universal-Motorgerät“ (Unimog).

Als Markenzeichen dient ein stilisierter Ochsenkopf mit Hörnern in Form eines U. Bis 1951 verlassen 600 Fahrzeuge die Fertigung, dann kauft Mercedes die Firma und die Produktion zieht nach Gaggenau. Dort wird die überarbeitete Version produziert.

3,5 bis 50 km/h

Wie der Unimog U2010 von 1953. Hans-Jürgen Wischhof öffnet die kleine Tür des Klassikers und klettert hoch. Ich nehme auf dem Fahrersitz Platz. Die Rundinstrumente auf dem spartanischen Armaturenbrett zeigen mir den Aggregatzustand. Und was ich nicht sehe, das höre ich. Und zwar deutlich.

Nach kurzem Orgeln springt der 1,7-Liter-Vierzylinder-Diesel OM 636 mit 25 PS an, schüttelt die ganze Fahrerkabine durch und pustet Ruß aus dem Auspuff. Ich lege den ersten von sechs Gängen vorsichtig ein. Mit etwas Gas und langsam weggenommener Kupplung kriecht der Unimog los, je nach Gangwahl mit 3,5 bis 50 km/h.

Mit einem Leergewicht von 1,9 Tonnen und einem zulässigen Gesamtgewicht von 3 Tonnen kann er die eine oder andere Milchkanne transportieren. Selbst beim vollbeladenen Oldie brauche ich keine Angst zu haben: Für Sicherheit sorgt die hydraulische Vierrad-Bremse, für Arbeitserleichterung ein Luftkompressor für die Hebelanlage.

Heute hat der Unimog eine Klimaanlage

Die Türen klappern, das Lenkrad vibriert und Steine schlagen mir ungefiltert ins Kreuz. Das dünne Bakelit-Lenkrad verlangt eine feste Hand. Auch das Getriebe will Aufmerksamkeit. Mit gut gezielten Zwischengasstößchen flutschen die Gänge sauber rein. Es ist ein Arbeitsplatz für Hartgesottene. Schon nach wenigen Metern mischt der Fahrtwind die Abstrahlhitze des Motors in die Atemluft. Ich bin froh, dass das Klappverdeck hinten festklemmt.

Verdeck? Eine Cabrio-Version des Arbeitstiers gibt es heute nicht mehr. „Alle Fahrzeuge haben für die ideale Arbeitstemperatur eine Klimaanlage an Bord. Der neuere Geräteträger U527 bietet zudem ein Multifunktionslenkrad, Radio, bequeme Sitze und eine Halbautomatik. Der 7,7-Liter-Sechszylinder-Diesel scheint tief unten im Fahrzeug zu stecken, so geräuscharm ist er. Die große, weit nach unten gezogene Frontscheibe erleichtert die Bedienung der Geräte.

Militärische Mobilitätsklasse A

Anders sieht es mit dem Unimog U4000 aus. Der hat das klassische Hauben-Layout und ist ein richtiger Büffel. Wo der nicht mehr durchkommt, bleibt auch ein Leopard stecken – und zwar der Kampfpanzer. Denn der Unimog gilt als extrem mobil im Sinne der militärischen Mobilitätsklasse A. Wer diese Auszeichnung erhält, muss einem Kettenfahrzeug im schweren Gelände unter allen Umständen folgen können. Der Unimog kann.

Es sind nicht nur die Höhe und Robustheit, die den Unimog ausmachen. „Das Herzstück ist das Getriebe“, sagt Karl-Josef Leib, Bereichsleiter Fahrzeug und Technik im Unimog-Museum. Schon der U2010 hat einen kompakten Portalachsen-Antrieb für eine große Achsverschränkung.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Technik ständig optimiert. „Es gibt kein Gelände und keine Situation, für das es nicht den passenden Gang hat.“ Die Wellen liegen in einem Gehäuse und sind vor Schlägen und Dreck geschützt. Ideal für härteste Einsatzgebiete, nicht nur im Krieg. Selbst im Rennsport zeigt der Unimog seine Qualitäten und gewann 1985 die Lkw-Klasse der Paris-Dakar.

Technische Daten Unimog

Unimog U2010

  • Baujahr: 1953
  • Produktionsbeginn: 1951
  • Sitzplatz: für Fahrer und Beifahrer
  • Motor: 1,-7-Liter-Vierzylinder Diesel OM 636
  • Leistung: 25 PS bei 2350 U/min
  • Getriebe: Sechs Vorwärtsgänge und zwei Rückwärtsgänge, während der Fahrt zuschaltbarer Vorderradantrieb und Differentialsperren
  • Geschwindigkeit: 3,5 bis 50 km/h
  • Ausstattung: Pneumatischer Kraftheber
  • LxBxH in mm: 3.460 x 1.630 x 2.035
  • Leergewicht: ca. 1.900 kg
  • Zul. Gesamtgewicht: 3.000 kg
  • Besonderheiten: Einsatz im Molkereibereich Berlin-Borsigwalde
  • Besitzer: Hans-Rüdiger Endres, Berlin

Unimog U527 Geräteträger

  • Baujahr: 2014
  • Baumuster: C405.202
  • Sitzplatz: Für Fahrer und Beifahrer
  • Motor: 7,7-Liter-Sechszylinder Diesel OM 936 (wie Actros)
  • Leistung: 272 PS bei 2.350 U/min
  • Drehmoment: 1.100 Nm bei 1.200 bis 1.600 U/min
  • Getriebe: UG 100/8 mit integriertem Verteilergetriebe
  • Antrieb: permanenter Allrad
  • Achsen: Lenkergeführte Portalachsen mit Schraubenfedern
  • Geschwindigkeit: max. 89 km/h

Unimog U4000 Hochgeländegängig

Baujahr: 2012

  • Motor: OEM 934 LA
  • Leistung: 231 PS
  • Drehmoment: 900 Nm bei 1.400 U/min
  • Getriebe: UG 100/8
  • Aschsen: Schubrohrgeführte Portalachsen mit Schraubenfedern
  • Antrieb: zuschaltbarer Allrad
  • Leergewicht: je nach Aufbau
  • Zul. Gesamtgewicht: 10.300 kg

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