Etwas weniger Rennstrecke, ein bisschen mehr Alltag: McLaren führt die „Sports Series“ als Basis-Baureihe ein. Den Anfang macht der McLaren 570S. Erster Test.
Portimao/Portugal – Manche Dinge gab es in einem McLaren bislang nicht. Ein Handschuhfach zum Beispiel, oder einen Schminkspiegel in der Sonnenblende. Wer zwischen Brünnchen und Döttinger Höhe den Lidstrich nachziehen wollte, dessen Fahrer fuhr augenscheinlich zu langsam. Für diese Langsamfahrer bauen die Manager von McLaren jetzt das Einstiegsmodell 570S. Hier wird an die Belange der Beifahrer gedacht. Mit Ablagen, Soundsystem und einem zweiten Scheibenwischer. McLaren 570S: Fast so schnell wie der 650SAuf den ersten Blick konkurriert der McLaren 570S mit seinem größeren Bruder. Zum 650S fehlen ihm 80 PS und 78 Newtonmeter Drehmoment. Dafür spart er 19 Kilogramm Gewicht (im Idealfall) und 50.000 Euro Grundpreis (in der Basisversion). Auf dem Papier bedeutet das: 5 km/h weniger Topspeed, eine kaum langsamere Beschleunigung auf Tempo 100 und ein NEFZ-Verbrauch von 10,7 statt 11,7 Liter pro 100 Kilometer. McLaren spricht trotzdem von einer eigenen Klasse. Denn dem 570S fehlt Vieles, was den 650S auf der Rennstrecke schnell macht. Seine Stabilisatoren halten die Karosserie ohne hydraulische Unterstützung gerade, einen Heckflügel gibt es nicht. Die Spoiler leiten den Fahrtwind am Auto vorbei und erzeugen keinen Abtrieb. Hinten spannen schmalere Reifen (285/35 statt 305/30) auf 20-Zoll-Felgen. Ein Rennwagen unter StraßensportlernVerkaufszahlen hin, Schnickschnack her – das Projekt „Straßenauto“ fühlt sich ungemütlicher an als ein Porsche 911 GT3. Bei der Fahrt prasseln Steinchen laut gegen den Unterboden, Leder und Alcantara spannen ohne Polsterung auf Armaturenbrett und Türtafeln. Wo sich andere Sportwagen in Super-Leicht-Versionen mühsam ein paar Gramm Speck weghungern, zeigt der McLaren generell nur Muskeln. Das Handschuhfach? Eine leichte, harte Schale. Die Schminkspiegel? Nicht der Rede wert. Dafür fährt der McLaren herrlich direkt und unmittelbar. Jede Welle, jeder Belag kommt im Cockpit an. Straffere Kennlinien im Sport-Modus rücken die Wahrnehmung dichter an den Asphalt. Er lässt sich präzise zirkeln oder übermütig driften. Wer in Kurven zu sehr mit dem Gas spielt, der wirft den Hintern aus der Bahn. Ohne ESP rutscht der 570S leichtfüßig, sicher und berechenbar. Wozu braucht man nochmal Abtrieb? Hinter den Vordersitzen röhrt, dröhnt und pfeift der Doppelturbo-V8. Seine Basis stammt aus dem 650S, ein Drittel seiner Bauteile hat McLaren neu entwickelt. Zum Beispiel die Abgaskrümmer, die den 3,8-Liter-Block heller und melodischer kreischen lassen als Steven Tyler. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe auf der Hinterachse prügelt im Takt die Gänge durch die Gassen. Es ist die Unvernunft, die dieses Auto so faszinierend macht. Der 570S legt keinen Wert auf Perfektion auf der Strecke. Er ist präzise und turbulent, taktvoll und frech. Manchmal zwickt es hier und da - na und? Zum Liebesspiel gehören schließlich auch keine glattgebügelten Laken, sondern, wie beim McLaren, heiße Kurven und am Ende nassgeschwitzte Rücken. Außen ein Angeber, innen bescheiden Der McLaren 570S ist ab sofort bestellbar. Vor den ersten Serienfahrzeugen gibt es aber noch Arbeit für die Ingenieure. Im getesteten Vorserienmodell stimmten die Passung der Türen und die Verarbeitung des Leders nicht. Zudem suppte nach einer (riesigen) Pfütze Wasser in den Beifahrerfußraum. McLaren-Sprecher Wayne Bruce hat Korrekturwünsche längst an die Ingenieure weitergegeben. Der Beinahe-Namensvetter des Comic-Helden „Batman", den die englische Presse „Manbat“ nennt, verspricht eine Serienversion ohne Mängel. Hält er Wort, könnte der Plan aufgehen. Spätestens, wenn 2016 der McLaren 540C für 160.000 Euro startet. McLaren 570S: Technische Daten
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