Paris - Europa in den frühen 80er-Jahren: Auf den Tennisplätzen stehen junge Talente wie Boris Becker und Steffi Graf, im Kino ballert ein gewisser John Rambo alles nieder. Über die Konzertbühne rollt der Sonderzug nach Pankow - und auf der linken Spur der Autobahn tobt ein erbitterter Zwergenaufstand. Denn eine Generation nach dem Debüt des VW Golf GTI gibt es plötzlich jede Menge sportlicher Kleinwagen. Ganz vorne dabei: der Peugeot 205 GTI.
Der 205 erschien 1983 auf der Bühne, als bei VW gerade die zweite Golf-Generation ins Rollen kam, erinnert sich Ludwig Biewen aus Saarburg. Der Rheinland-Pfälzer war damals VW-Mechaniker. Heute ist er ausgewiesener 205-Kenner und Peugeot so sehr verbunden, dass das Löwen-Logo der Marke sogar einen seiner Zähne ziert.
Flotter Feger auf Golf-Jagd
Der neue und der alte Peugeot GTI Quelle: Peugeot
Nach Biewens Einschätzung gibt es gleich mehrere Gründe, weshalb der 205 GTI auf Anhieb Freunde fand: "Das war damals Frankreichs flottester Feger", sagt der ehemalige Rennfahrer. "Das Auto konnte bei den Fahrleistungen mit dem Golf mithalten und war mit seinem Grundpreis von 19.295 D-Mark schon beim Start deutlich billiger als die deutsche Konkurrenz." Kein Wunder, dass von den insgesamt 330.000 produzierten Exemplaren aus der Zeit bis 1993 knapp zehn Prozent in Deutschland verkauft wurden.
Natürlich hing das nicht nur mit Preis und Motorleistung zusammen - es war auch eine Image-Frage: frisch, frech und nicht so bieder - so überzeugte der Franzose die Kunden und die Fachpresse. Die deutsche Zeitschrift "Auto Bild" krönte den 205 GTI damals ganz unpatriotisch zum "unbestritten reizvollsten und echtesten aller GTI". Die Kotflügelverbreiterungen samt Seitenleisten aus dunklem Kunststoff waren zum Beispiel vor 30 Jahren noch eine echte Besonderheit.
105 PS auf 850 Kilo
Charme und Charakter des 205 GTI haben die Zeit überdauert. Zwar kann man mit einem 105 PS starken 1,6-Liter-Motor heute niemandem mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Doch wenn diese Leistung und maximal 132 Newtonmeter Drehmoment auf nur 850 Kilogramm Fahrzeuggewicht treffen, dann geht selbst mit einem 30 Jahre alten Oldtimer die Post ab: Nach 9,5 Sekunden zeigt der Tacho 100 km/h an, 190 km/h Spitzentempo sind möglich. Vor allem auf kleinen, kurvigen Straßen kann der 205 GTI sein Potenzial entfalten.
Dank des geringen Fahrzeuggewichts fährt sich der der Kleinwagen recht spritzig Quelle: Peugeot
"Aber das war ja nur eine Einstiegsdroge", sagt Biewen und lenkt den Blick auf eine weitere Version des 205, die ihn vollends zum Giftzwerg machte: Weil Peugeot mit dem Kleinwagenmodell auch in der Rallye-Weltmeisterschaft starten wollte, hat der Autobauer zur Homologation den 205 Turbo 16 aufgelegt - mit 200 PS starkem 1,8-Liter-Motor sowie Schwellern und Spoilern an allen Ecken. In gut sechs Sekunden stürmt dieser Zwerg auf Tempo 100 und schafft 200 Sachen.
Die 200 Exemplare, die 1984 fürs Rallye-Reglement entstanden, waren quasi im Nu verkauft, sagt Biewen. Obwohl der Turbo 16 zum Preis von 94.400 D-Mark damals der teuerste Peugeot aller Zeiten war.
GTI ab 5.000 Euro
Aus heutiger Sicht war das Geld gut angelegt: "Heute sind die Turbos locker 80.000 Euro und mehr wert", sagt Szene-Kenner Biewen. "Wenn man überhaupt mal einen angeboten bekommt." Ganz so schlimm ist es beim herkömmlichen GTI natürlich nicht: Fahrzeuge in gutem Zustand gibt es schon ab rund 5.000 Euro. "Doch auch beim 205 GTI wird das Angebot langsam dünn", klagt der Experte. Vor allem Exemplare im Originalzustand seien rar, weil die Autos oft getunt und verbastelt wurden: "Ausgestellte Kotflügel, abgesenkte Hauben, dicke Auspuffrohre: Damals war das ganz heiß, heute empfindet man das als hässlich."
Im neuen GT sorgen 200 PS für ordentlich Vortrieb Quelle: Peugeot
Der technische Gesamtzustand der Autos sei meist sehr ordentlich, sagt Biewen. "Rost ist bis auf die Heckklappe kein großes Thema, und die Motoren waren damals sehr haltbar." Wenn ein 205 GTI in der Vergangenheit nicht zu stark beansprucht und regelmäßig gewartet worden sei, bleiben seinem Besitzer heute in der Regel böse Überraschungen erspart.
Während sich Fans wie Biewen liebevoll um die heißen Eisen von einst kümmern, geht das PS-Wettrüsten der Hersteller im Jetzt und Heute munter weiter. Genau wie vor 30 Jahren treffen Peugeot und VW auch diesmal wieder aufeinander und lancieren fast zeitgleich die jeweils jüngste Auflage ihrer Kraftmeier: den 200 PS starken 205-Erben 208 GTI (ab 22.900 Euro) und den Golf VII GTI mit 230 PS (ab 28.350 Euro). Der Unterschied zwischen den Modellen sei zwar "größer denn je, aber Spaß machen die sicher beide mehr als genug", sagt Biewen. Wirklich interessant werden diese Autos für ihn ohnehin erst in 30 Jahren.
Quelle: dpa