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Große deutsche Ford: Granada - Der Granada, mein Freund

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Es gibt Autos und es gibt Traumwagen. Und irgendwo dazwischen gibt es noch etwas anderes. Unser Redakteur Philipp schloss blecherne Freundschaft mit einem Ford Granada.

Ford Granada: MOTOR-TALK-Redakteur Philipp Monse fuhr erst einen Taunus und stieg dann auf den größeren Granda um Ford Granada: MOTOR-TALK-Redakteur Philipp Monse fuhr erst einen Taunus und stieg dann auf den größeren Granda um Quelle: Christoph Michaelis für MOTOR-TALK

Berlin – Die Deutschen lieben ihr Auto nicht mehr wie früher. Aus ihrem liebsten Kind ist eine Prostituierte am Straßenrand geworden. Käuflich, für ein paar Stunden und Kilometer. Mir ist das egal. Ich habe meine Autos kaum besser behandelt als irgendwelche Webdesigner die nächste Drive-now-Schleuder. Autos sind Maschinen, Gebrauchsgegenstände.

Berlin, Westhafen: Von 1926 bis 1931 wurden hier die ersten Ford in Deutschland zusammengebaut. Es waren T-Modelle aus angelieferten Teilen Berlin, Westhafen: Von 1926 bis 1931 wurden hier die ersten Ford in Deutschland zusammengebaut. Es waren T-Modelle aus angelieferten Teilen Quelle: Christoph Michaelis für MOTOR-TALK Aber manchmal sind sie auch mehr. Wenn man das eine gefunden hat, das zu einem passt. Das mit Stil, mit Charakter. Eigentlich gar kein Auto mehr, sondern ein Partner. Nicht in einem klebrigen romantischen Sinn - das ist höchstens was für Fahrer italienischer Coupés. Nein, ich rede von blecherner Freundschaft.

Zu ostdeutsch

Mein Name ist Philipp Monse, ich bin 30 Jahre alt und erhalte einen 42 Jahre alten Ford Granada. Er bringt mich durch den Sommer. Für eine Beziehung zu Fords 70er-Jahre-Klassiker bin ich eigentlich zu jung - und zu ostdeutsch. Wer ’85 im Erzgebirge zur Welt kam, hat Fords große Zeit in Deutschland definitiv verpasst.

Frühfordliche Erfahrungen sind rar. Eine dreht sich um den elterlichen Mondeo Turnier (Mk1) eines Freundes. Kein Auto, um sich in eine Marke zu verlieben. Die Stoffsitze und das liederliche Plastik zeigen keinen automobilen Charakter. Später setzte mein Kumpel den großen Mondeo gegen eine kleine niedersächsische Birke. Für Baum und Auto war es das Ende. Getrauert hat niemand – jedenfalls nicht um das Auto. So beliebt waren Ford Mitte der 2000er-Jahre.

20 Jahre früher wäre das Schicksal eines verbrauchten Fords das gleiche gewesen, aber das Auto ein Granada. So wie der zweite Ford in meiner Erinnerung. Noch in den 90ern stand er im Nachbarort: ein weißes Consul Coupé. Von ’72 bis Anfang ’75 die weniger gut ausgestattete Variante des Granada. Mit kleinem V4 und dem später begradigten, wunderschönen Hüftschwung. Einer der letzten Überlebenden der „Verbrauchsphase“.

Im Gegensatz zu einem Mondeo wird der Granada immer begeistern Im Gegensatz zu einem Mondeo wird der Granada immer begeistern Quelle: Christoph Michaelis für MOTOR-TALK

Das Granada-Design ist zeitlos

Schon in den 80ern begannen Jugendliche, die barocken Schiffe sinnlos zu verheizen. Der Turnier genannte Kombi hatte bei seinem Erscheinen das größte Kofferraumvolumen seiner Klasse. Er wurde zum Lastesel der Nation – und ihrer Gastarbeiter. Besonders türkischen Familien wurde damals keine große Liebe, aber eine innige Beziehung zum großen Ford nachgesagt.

Ende der 90er löste sich Fords Oberklasse-Anspruch dann endgültig in Rost auf. Die „Grannis“ waren lange Zeit zu groß und zu billig gewesen. Es gab ja mehr als genug. 1.642.084 Consul und Granada wurden von 1972 bis 1985 gebaut. So wurde der Granada behandelt wie später der Mondeo - mit kleinen Unterschieden.

Während der Mondeo bis heute lieblos wirkt, begeistert das Granada-Design noch immer. Ob mit viel Chrom behangen (frühe GXL-Modelle) oder in der Holzklasse-Ausführung. Der gammlige Consul aus dem Nachbarort war die coolste Schleuder im Landkreis. Mit mattweißem Lack und handflächengroßen Blechflicken hielt sich das Coupé überdurchschnittlich lange. Das muss ein Ami-Schlitten sein, dachten wir als junge Rotznasen.

Der V6 braucht nicht viel: Öl, Wasser, ab und zu ein paar Einstellungsarbeiten - und im Alltag rund 13 Liter Super Der V6 braucht nicht viel: Öl, Wasser, ab und zu ein paar Einstellungsarbeiten - und im Alltag rund 13 Liter Super Quelle: Christoph Michaelis für MOTOR-TALK

Ein V8 hat zwei Zylinder zu viel

Heute gehört einer der 1,6 Millionen Granada mir, eines von wenigen noch zugelassenen Coupés mit 2,6-Liter-V6. Und mit dem eigenen Granada an der Tankstelle werde ich oft auf den Verbrauch des Ami-Schlittens mit V8 angesprochen. Ich lächle dann mild, kläre auf, starte den V6 und zische ab.

Einen V8 gab es in deutschen Ford-Pkw zuletzt 1941. Danach folgten lange Zyklen von Vier- und Sechszylinder-Motoren. In meinem Granada arbeitet Fords größter Hit. Im September 1964 vorgestellt, trat der Köln-V6 eine 47-jährige Karriere an.

Mit Hubräumen von 1,8 bis 4,0 Litern, Vergaser oder Einspritzung fand er nicht nur in P7, Granada und Scorpio, sondern auch in amerikanischen Modellen Verwendung. Nach 14,2 Millionen gebauten Motoren endete die Produktion im Kölner Motorenwerk 2011. Eindeutiger kann ein Generationenwechsel nicht sein: Seitdem läuft dort eine Einliter-Büchse vom Band, mit halb so vielen Zylindern und Turbo.

Beinah wär's ein Opel gewesen

Nach dem Naseplattdrücken am Nachbarorts-Consul herrschte Funkstille in Sachen alte Fords. Mehr als zehn Jahre später war der erste 70er-Jahre-Ford, den ich überhaupt fuhr, mein eigener.

1973 kamen Granada und Consul noch mit dem ausladenden Heck -  es wurde später begradigt 1973 kamen Granada und Consul noch mit dem ausladenden Heck - es wurde später begradigt Quelle: Christoph Michaelis für MOTOR-TALK Mein Vater und ich wollten ein cooles 70er-Jahre-Auto aufbauen. Ich schwankte zwischen Opel und Ford. Doch dem Alten war als Kind in einem Ford Taunus der Westverwandtschaft mal schlecht geworden. Selbst ein Trabant war komfortabler als der Ford mit der starren Achse. So entschieden wir uns aus nostalgischen Gründen für einen Taunus. Sieben Jahre später im Mai 2013 übernahm ihn mein Vater und ich stieg auf einen Granada um – den ersten deutschen Ford mit Einzelradaufhängung an der Hinterachse.

Wenn aus ein paar Monaten Jahre werden

Im November 2010 hatten wir den Dicken aus dem Sauerland geholt. Im nächsten Sommer sollte er wieder auf die Straße. Doch es dauerte zwei Jahre länger. Und heute weiß ich, es geht beim Aufbauen und Pflegen eines Autos um viel – nur nicht um Geschwindigkeit.

Das sieht man meinem Ford an. Der Granni wurde so gut, dass ich manchmal glaube, er sei zu schade für mich. Ich habe ihm einen Stellplatz besorgt. Ein ruhiges Fleckchen. Und wenn ich ihn manchmal vernachlässige, wegen der ganzen Arbeit und dem Geschrei meines kleinen Sohnes, dann denke ich wehmütig an ihn.

Den Zündzeitpunkt habe ich schon zu lange nicht kontrolliert, den Reifendruck auch nicht. Ich fahre ihn so selten, dass ich ewig orgeln muss, bis die mechanische Spritpumpe genug Treibstoff in den Vergaser gefördert hat. Doch dann springt er an und läuft wie am ersten Tag. Problemlos, auch nach mehreren Monaten.

Unter der Haube steckt einer von Fords Besten: ein sogenannter Köln-V6 mit 2,6 Litern Hubraum und 125 PS Unter der Haube steckt einer von Fords Besten: ein sogenannter Köln-V6 mit 2,6 Litern Hubraum und 125 PS Quelle: Christoph Michaelis für MOTOR-TALK Das ist es, worauf es mir mittlerweile ankommt. Auf den Burschen ist Verlass. Wie auf einen alten Kumpel, den man nie anruft, aber alle Jubeljahre trifft. Öl und Wasser braucht er. Ab und zu eine Einstellung des Ventilspiels. Dann bringen mich die 125 PS gemächlich, aber souverän wohin ich will.

Freunde fürs Leben?

Ein Gebrauchsgegenstand ist der Granni nicht mehr. Unsere Ausflüge sind mittlerweile so selten wie er selbst. Seit 2006 sind die Preise für 70er-Jahre-Ford stark gestiegen. Es gibt da draußen schlecht restaurierte Coupés, für die 12.000 Euro aufgerufen werden. Ohne Kontakte kann auch ein alter Ford arm machen.

Wie lange mich mein Freund noch begleiten wird, weiß ich nicht. Manchmal träume ich von schnellen, teuren Sportcoupés, einer Alpine oder einem Bertone-Alfa. Immer öfter auch von meinem alten Taunus. Vielleicht verlieren wir uns irgendwann aus den Augen. Freundschaften enden eben manchmal. Aber eins ist klar, wenn einer meiner Kumpels irgendwann verlassen an der Straße steht, dann hol ich ihn da raus

Ford-Nachkriegsmodelle der oberen Mittelklasse in Deutschland

Taunus 17M P2 – Das Projekt 2 war Fords zweite Neukonstruktion nach dem Krieg und folgte auf den „Weltkugeltaunus“ P1. Das typisch amerikanische Design der 50er brachte ihm den Namen „Barocktaunus“ ein. Von 1957 bis 1960 wurden 239.973 Modelle der P2-Baureihe in Köln gefertigt. Den in der Standard- und Luxusausführung verfügbaren P2 gab es als Limousine und Kombi. Er war das erste deutsche Auto, das über McPherson-Federbeine verfügte.

Taunus 17M P3 – Mit der „Badewanne“ fuhr Ford gegen den Strom. Das rundliche, sachliche Design des P3 wurde als „Linie der Vernunft“ beworben. Als Motor werkelte im neuen Modell immer noch der Vorkriegs-Vierzylinder. Die Badewanne fand reißenden Absatz, sorgte für lange Wartezeiten und letztlich auch für den Bau des Ford-Werks in Genk. Von 1960 bis 1964 wurden insgesamt 669.715 P3 in Köln produziert.

Taunus 17M/20M P5 – Endlich neue Motoren. Mit dem P5 kamen erstmals neue V4-Motoren (17M) und der legendäre Köln-V6 (20M) zum Einsatz. Mit Kraft und Robustheit begeisterte vor allem der Sechszylinder. Außerdem wurde die dreistufige „Taunomatic“ angeboten. Von 1964 bis 1967 wurden in Köln und Genk 710.059 P5 produziert. Sie liefen als zwei- oder viertürige Limousine, drei- oder fünftüriger Kombi und als Hardtop-Coupé vom Band.

17M/20M/26M P7 – Fords letztes Nachkriegs-„Projekt“ war der P7. Und zunächst kam der nicht so recht an. Deswegen wurde er schon nach einem Jahr „versachlicht“. Man unterscheidet die beiden Versionen in P7a und P7b. Wieder gab es zwei- oder viertürige Limousinen, drei- oder fünftürige Kombis und ein Hardtop-Coupé. Als Luxus-Variante brachte Ford den 26M mit 2,6-Liter-V6 und 125 PS. Doch auch der verfügte nur über die überholte Starrachse mit Blattfedern. Hardtop-Coupés und RS-Varianten (RallyesSport) sind heute besonders selten. Von 1967 bis 1972 wurden insgesamt 723.622 P7 produziert.

Consul/Granada – „Viel Auto für’s Geld“ versprach Ford ab 1972 mit dem überdurchschnittlich großen Granada und stellte dabei Oberklasse-Ansprüche. Und Ford hatte so viel Geld in die Entwicklung investiert wie bis dahin kein anderer Hersteller: 500 Millionen Mark. Das mit einer Einzelradaufhängung gesegnete Modell (endlich) sollte BMW, Daimler und Citroën die Kunden abspenstig machen. Der weniger gut ausgestattete Consul trat gegen die Modelle von Audi, VW und Opel an. Neben V4, Reihenvierzylinder und den Kölner V6-Motoren stand auch ein englischer 3,0-Liter-Essex-V6 mit 138 PS zur Wahl. Gebaut wurden zwei- und viertürige Limousinen, ein Coupé und der Turnier genannte Kombi. Mehr Platz als er bot damals keiner. Bis 1985 wurden 1.642.084 Granada (inklusive Granada 2/3) und Consul gefertigt.

Scorpio – Der Scorpio wurde von 1985 bis 1998 gebaut. Genau so lange wie der Granada. Aber beerben konnte er ihn nicht. Mit rund 850.000 konnten nur halb so viele Exemplare produziert werden. Anfangs wurde der Scorpio nur mit Schrägheck angeboten, doch die Deutschen wollten damals unbedingt eine Stufe. Einen Kombi schob Ford erst 1992 nach – viel zu spät. Die zweite Überarbeitung von 1994 schreckte außerdem durch ihr (zu amerikanisches) Design ab und firmiert heute unter dem Namen „Glubschaugen-Scorpio“. Seitdem bietet Ford in der oberen Mittelklasse kein Modell mehr an.

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