VON CONSTANTIN BERGANDER Leichtbau und Downsizing sind für Mädchen, der Jeep Grand Cherokee SRT-8 ist ein echter Kerl. Laut, bärenstark, bodenständig – und schneller als mancher Porsche. Turin – Im Straßenverkehr stehen mitunter die Bäume mehr im Mittelpunkt als früher. Die Umwelt ist das wichtigste. Das ist vernünftig und darum gut. Hubraumriesen wirken wirken da schnell schlecht. Ladedruck ersetzt Überfluss. Doch fügt sich jeder diesem Trend? Nein – ein Hersteller aus Michigan (USA) wehrt sich beständig. Wo andere die Motoren schrumpfen, bohrt Jeep seinen beliebten Hemi-Motor auf: Im neuen Grand Cherokee SRT-8 sorgt ein 6,4-Liter-V8-Sauger für beeindruckende Fahrwerte. Und beweist dabei ganz lässig: Unvernunft fühlt sich (manchmal) gut an. Und fährt sich phantastisch. Vor mir baut sich ein Muskelpaket aus Stahl auf. Auf dem Kühlergrill steht „Jeep“, von Geländegängigkeit ist sieht man nichts. Statt grobstolliger Schlechtwege-Reifen stecken 20-Zoll-Sportreifen an den Achsen, das Fahrwerk wurde drei Zentimeter abgesenkt. Am Heck umschließt ein Diffusor die zehn Zentimeter dicken Endrohre. Kurz überlege ich, ob meine Faust da reinpassen würde. Eine verrückte Idee. Was draußen gut aussieht wird drinnen noch besser. Leder und Karbon, Sportlenkrad und eine 300er-Markierung im Tacho. Geht nicht? Stimmt. Dem Grand Cherokee SRT-8 geht tatsächlich schon bei 257 km/h die Puste aus. Zweihundertsiebenundfünfzig! Was für eine Jeep, was für eine Rennmaschine. Der Lohn von 468 PS. Leider zeigt er schon vorm Start seine unverwechselbare Ami-Herkunft – die Aluminium-Applikationen aus lackiertem Plastik, das Navigationssystem eine unhandliche Katastrophe. Unwichtig, sobald ich den Startknopf drücke. Mit sattem Grollen erwacht der Achtzylinder. Ich throne ein wenig hoch über der Straße, in fester Umklammerung des Sportsitzes. Der Jeep und ich, wir cruisen genüsslich. Der Motor schaltet gelangweilt vier Zylinder ab. Gegenüber dem Vorgänger wurden nicht nur Leistung und Drehmoment um zehn Prozent gesteigert, sondern auch der Verbrauch um 13 Prozent gesenkt. Dennoch ist der Durst noch groß genug, damit der Tankwart sich ins Freundschaftsbuch schreiben darf: 14,1 Liter sind es im Mittel. Und dann öffnet sich der Weg und eine unbenutzte Asphaltstrecke erscheint, die bis zum Horizont reicht. Per Lenkradpaddels schalte ich zwei Gänge runter, vergesse den Verbrauch und gebe Vollgas! 624 Newtonmeter pressen mich ins Leder, der V8 schreit seine Power in die Welt, der SRT-Jeep stürmt los wie ein Donnerwetter. Laut Werksangabe sind 100 km/h nach fünf Sekunden erreicht, gefühlt geht es deutlich schneller. Locationwechsel. SRT steht für „Street and Racing Technology“, deshalb strotzt der Grand Cherokee nicht nur vor Kraft, sondern hat auch ein adaptives Fahrwerk und angemessene Bremsen: 380-Millimeter-Scheiben an der Vorderachse, Brembo-Festsättel mit sechs Kolben garantieren standfeste Negativbeschleunigung - Von 100 auf 0 geht es in 35 Metern. Ein Porsche kann das kaum besser. Eine Fünfgang-Automatik (2013 kommt die Achtgang-Automatik) verteilt die Kraft an vier Räder, bei sportlicher Fahrweise hauptsächlich nach hinten. Und der Wagen flitzt damit über den Rennkurs, dass es nur so quietscht. Agiler als meine Vorstellungen der Fahrphysik es sich je erträumt hätten. Dieser rasende Koloss besitzt keine Leichtigkeit. Aber Stärke und Dynamik wie ein gewaltiger Bulle. Dagegen wirkt ein Porsche Boxster wie eine Antilope. Und mal ehrlich, wer von beiden wird schneller gefressen. Also. Für jeden Anlass Per Drehregler können verschiedene Fahrstufen ausgewählt werden. Bei Fahrzeugstart steht dieser auf „Auto“ - ein Kompromiss. Dreht man nach links, ist Spaß garantiert: Im Sport-Modus versteift sich das Fahrwerk und der Motor klingt kerniger. Wählt man „Track“, wird zusätzlich die Traktionskontrolle deaktiviert. Jetzt knallt das Getriebe die Gänge rein, von einem gierigen Grunzen begleitet. Dreht man den Schalter nach rechts, wird das Auto vernünftig: Auf „Snow“ gibt es Wintertauglichkeit, „Tow“ zieht besser den Anhänger. Jeep bezeichnet den Sportler im SUV-Kleid trocken als „Multi-Purpose-Vehicle“ - also als Vielzweckfahrzeug. Viel zu emotionslos. Ein Entwickler scherzt treffend: „Einfach das Größte, was reingepasst hat.“ Das gilt für Bremsen, Räder, Motor und Leistung. Der Jeep Grand Cherokee ist ein Gigant. Nicht ökonünftig, sondern brachial und wild. Leider kostet der stärkste und schnellste Jeep aller Zeiten hierzulande mindestens 74.200 Euro – in den USA startet er bei rund 55.000 Dollar.
Die Daten: Modell: Jeep Grand Cherokee SRT-8 Motor: 6,4-Liter-V8-Zylinder Antrieb: permanenter Allradantrieb Getriebe: 5-Gang-Automat Leistung: 468 PS Verbrauch: 14,1 Liter CO2: 328 g/km 0 – 100 km/h: 5,0 Sekunden Höchstgeschwindigkeit: 257 km/h Länge x Breite x Höhe: 4,85 Meter x 2,15 Meter x 1,75 Meter Kofferraum: 782 – 1.554 Liter Preis: 74.200 Euro Gewicht: 2.360 Kilogramm
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 14.06.2012
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