Technischer Giulia-Zwilling und Kombi-Ersatz: Der Stelvio ist das erste SUV von Alfa Romeo. Fahrerisch passt alles, aber die Konkurrenz ist stark. Erste Fahrt.
Von Joaquim Oliveira Ohne SUV geht nichts. Wer als Hersteller keins baut, verschenkt Marktanteil. Alfa kommt spät in das Segment, sehr spät. Trotzdem werfen die deutschen Premiumfirmen mehr als einen kurzen Blick auf den Konkurrenten aus Norditalien. Denn der Stelvio trägt die Gene in sich, die Alfa seit Jahrzehnten ausmachen: klasse Formen und tolle Fahrdynamik. Die schlechten Alfa-Jahre scheinen dabei fast vergessen. Denn Alfa verspricht viel, allein mit dem Namen. Der Stelvio ist nach einem Alpenpass benannt. Dem Stilfser Joch, der höchste Pass in Italien. Bedeutet: Dieses SUV mag Kurven. Natürlich mag es die. Es ist ein technischer Zwilling der wunderschönen und schnellen Giulia. Beide Modelle teilen sich weit mehr als nur Radstand, Karosseriestruktur, Aufhängung und Motorenprogramm. Alfa Romeo Stelvio: Vorn stark, hinten engDie Konkurrenz ist stark. Audi, Jaguar, BMW, Porsche und Mercedes verkaufen zum Teil seit mehr als zehn Jahren ihre Crossover. Manches machen sie deshalb besser. Beim Raumangebot ginge im Alfa mehr, besonders im Fond. Der breite Mitteltunnel nervt. Und die elektrische Heckklappe passt nicht zur manuellen Laderaumabdeckung. 525 Liter Kofferraumvolumen sind immerhin Mittelmaß. Dafür passen die Proportionen. Und man sitzt eben dennoch gut, zumindest vorn. Bei Alfa geht Form doch ein bisschen vor Funktion. Auch in einem Auto, das einen Kombi ersetzen soll: Einen Giulia-Sportwagon wird es nicht geben. Interessenten mögen bitte den Stelvio kaufen. Er übernimmt ja viel von der flachen Schwester. Das Armaturenbrett zum Beispiel. Materialien und Bedienung gefallen. So richtig zeitgemäß wird es aber erst in den höheren Ausstattungen. Die bekommen den großen 8,8-Zoll-Bildschirm. Über Dreh-Drück-Steller lassen sich die Fahrprogramme wechseln. Sie beeinflussen das Ansprechverhalten von Motor, Allradantrieb, Getriebe, ESP und Lenkung. „Wir haben versucht, die besten Fähigkeiten zu nutzen, die bei uns im Konzern existieren“, erläutert Alfa-Cheftechniker Roberto Fedeli, „die von Detroit in Bezug auf SUV und unsere Expertise in Bezug auf Alfa Romeos DNA. Nur so war es möglich, mit einem SUV zu kommen, das echt zu unserer Marke passt und das die Fähigkeit besitzt, anspruchsvolle Kunden von Audi, BMW und Porsche zu gewinnen.“ Ein Vierzylinder-Turbo zum EinstiegDen Basismotor packt Alfa deshalb genau in die Mitte. Mit 280 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment liegt der 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner zwischen Basis-Macan (252 PS) und Top-Benzin-X3 (306 PS). Der kleine Turbobenziner legt ordentlich los und beschleunigt ab knapp 2.000 Touren zackig. Richtig Laune macht der Stelvio auf kurvigen Landstraßen. Sein variabler Allradantrieb gefällt vor allem in flotten Kurven. Auf der Geraden sprintet er in 5,7 Sekunden auf Tempo 100. Hier hilft sein geringes Gewicht: Aluminium (Aufhängung, Haube, Frontkotflügel und Türen) sowie Kohlefaser (Kardanwelle) sparen ordentlich Pfunde. „Im Vergleich zum Giulia erhöht sich das Gewicht natürlich um 150 Kilogramm; aber mit einem Leergewicht von 1.660 Kilogramm sind wir die Benchmark in dieser Klasse.“ Verglichen mit der Konkurrenz wiegt er 90 bis 140 Kilo weniger. Das hilft beim Beschleunigen und Bremsen – aber besonders im Alltag. Die Lenkung ist ungemein präzise, das Einlenkverhalten vorbildlich. Das erste Alfa-SUV zischt sportlich und straff über Bodenunebenheiten hinweg, und wirkt dabei niemals schwammig. „Wir haben es geschafft, die perfekt ausgewogene 50:50 Gewichtsverteilung zwischen den beiden Achsen zu bewahren“, ergänzt Fedeli. Luftfederung und ein manuelles Getriebe folgen langfristig. Antriebe aus der GiuliaDer Motor läuft im normalen Fahrbetrieb untertourig. „Das ermöglicht nicht zuletzt auch unsere Achtgang-Automatik“, erläutert Fedeli. „Damit können wir die Drehzahlen des Motors moderieren.“ Der Normverbrauch liegt bei sieben Liter laut NEFZ. Bleibt abzuwarten, wie viele der Interessenten sich wirklich für den leistungsstarken Vierzylinder-Benziner entscheiden. Zumindest in Europa sind in diesem Segment meist Dieselmotoren interessanter. Die meisten Kunden dürften deshalb auf den Selbstzünder aus der Giulia warten. Der treibt die Limousine mit 210 PS zwar kraftvoll an, dröhnt und nagelt aber ungehobelt. Im Frühsommer wird der Stelvio auf die europäischen Märkte kommen. Für rund 60.000 Euro soll es eine sehr gut ausgestattet First Edition mit dem 280 PS starken Vierzylinder geben. Der 210-PS-Diesel dürfte bei rund 50.000 Euro starten. Ende des Jahres folgen der 180 PS starke Einstiegsdiesel mit Hinterradantrieb, ein 200-PS-Benziner und die Topversion Stelvio Quadrifoglio mit dem 510 PS starken 2,9-Liter-V6. Weiterlesen: Die Giulia im MOTOR-TALK-Test Technische Daten: Alfa Romeo Stelvio Q4
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