Diese Limousine ist die Alfa-Rettung! Das steht als Motto über der neuen Giulia. Und das war vor 30 Jahren die Mission des Alfa 164 - des ersten Alfa unter Fiat-Regie.
Köln - „Alfa ist wieder Alfa!“ So oder so ähnlich empfingen Fachwelt und Fans 2015 das neue Mittelklassemodell Giulia. Déjà-vu: Ganz ähnliche Emotionen weckte bei seiner Weltpremiere vor 30 Jahren der Alfa 164. Denn der Centosessantaquattro – so klangvoll sind Zahlen nur auf italienisch – war wie sein heutiger Nachfolger der ersehnte Hoffnungsträger für das am Boden liegende Mailänder Traditionshaus. Eine sportive Limousine, deren Dieselvariante 164 TD es auf 200 km/h brachte und damit schnellster Selbstzünder der Welt war, und die als ProCar-Prototyp mit 3,5-Liter-V10 vor dem Grand Prix von Monza sogar auf unfassbare 329 km/h beschleunigte – und damit schneller fuhr als Ferraris Formel-1-Boliden. Die Form des Alfa 164 vollendete der Designspezialist Pininfarina, nachdem Alfa Romeo wie Ferrari finanzielle Zuflucht unter dem Dach des Fiat-Konzerns gefunden hatte. Eine Entscheidung, die durch den wirtschaftlichen Erfolg des zehn Jahre lang gebauten Alfa 164 zumindest vorläufig Bestätigung fand. Tipo 4 statt HinterradantriebQuelle: Alfa RomeoTrotz des von Fiat verfügten internen Entwicklungscodes Alberto („Al“ für Alfa, „ber“ für Berlina-Limousine, „to“ für den Fiat-Sitz Torino-Turin) handelt es sich beim Alfa 164 noch nicht um eine Fiat-Entwicklung, sondern um den letzten Alfa aus der Arese-Ära. Ein Alfa-Flaggschiff, dessen Entwicklungsgeschichte viel Drama birgt, und das für den Hersteller vielleicht noch wichtiger war als es die Giulia heute ist. Um 1980 darbten mehrere traditionsreiche Marken. Saab lag nach gescheiterten Fusionsverhandlungen mit Volvo am Boden, ohne finanzielle Kraft zum Befreiungsschlag durch ein neues Modell. Lancia musste den glücklosen Gamma ersetzen. Fiat war erst mit dem 130 auf Grund gelaufen, dann mit dem Argenta. Und Alfa Romeo? Tiefrot waren die Zahlen, das Image durch Qualitätsprobleme stark angerostet. Alfa-Chef Ettore Massacesi suchte nach einer Möglichkeit, sein fast unverkäufliches Flaggschiff Alfa6 und die alternde Alfetta durch einen Überflieger zu ersetzen. Vermutlich die letzte Chance. Für diesen Neuanfang setzte Massacesi zunächst auf die Entwicklung einer Limousine mit klassischem Alfa-Layout: Hinterradantrieb und Transaxle-Bauweise. Der Entwurf wurde verworfen, denn es gelang Massacesi 1982, in letzter Minute auf den Entwicklungszug für ein europäisches Gemeinschaftsprojekt aufzuspringen. Frische Frontantriebler für Fiat, Lancia und Saab waren das Ziel, der Name: Tipo 4. Frisches Geld für MailandDen Anfang machten 1984 Lancia Thema und Saab 9000, ein Jahr später folgte der Fiat Croma und 1987 endlich der Alfa Romeo 164. Vier Typen, die trotz vieler Gleichteile höchst unterschiedliche Charaktere besaßen, ganz besonders der Alfa. Dies dokumentiert sich am nachdrücklichsten durch die völlig eigenständige Formensprache des 164, während die anderen drei Tipo-4-Entwürfe sämtlich den Grundlinien eines bei Giugiaro gezeichneten Karosseriekörpers folgen. Die Fachpresse nannte den 164 den schönsten und leistungsfähigsten Alfa Romeo seit zwei Jahrzehnten. Mit glatten Flächen, horizontalen Linien und zeitgeistiger Schutzbeplankung aus Kunststoff holte die 4,56 Meter lange Limousine Alfa in die Neuzeit. Vor allem überzeugte die Front des 164 mit dem Alfa-Triptychon aus Scudetto und „baffi“ - dem Alfa-Signet und den beiden flankierenden Schnauzbärtchen. Fertig wurde der 164 erst, als Fiat frisches Geld schickte. Ab 1986 integrierte der Turiner Riese den Mailänder Konkurrenten und führte Alfa Romeo vorerst gemeinsam mit Lancia in der Division Alfa-Lancia Industriale S.p.A. Schöne Motoren, zu wenig HändlerQuelle: Alfa RomeoDie Motoren blieben dennoch eigenständig. Neu war ein 2,0-Liter-Twinspark-Vierzylinder mit zwei Zündkerzen pro Zylinder, der mit Katalysator 143 PS entwickelte und den Alfa 164 schneller und zugleich sparsamer machte als vergleichbare Audi 100, BMW 5er und Mercedes W124. Wirklich rasant wurde der Alfa 164 mit dem so genannten Arese-V6, der auch ohne heute übliches elektronisches Soundengineering prima klang. Als 24-Ventiler brachte der 3,0-Liter-V6 in seiner letzten Ausbaustufe 232 PS an die Vorderräder, genug für Tempo 245. Wer diese Kraft mit mehr Traktion kombinieren wollte, konnte ab 1993 auch Vierradantrieb via Viskokupplung bestellen. Nur schöne Vision blieb die Coupé-Studie 164 Proteo. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Centosessantaquattro bereits zwei Facelifts erlebt und ging in die letzte Runde. Zufrieden war man im Konzern mit den Absatzerfolgen in Europa, aber unglücklich mit der verhaltenen Akzeptanz in Nordamerika und Fernost, wo der 164 unter der in Asien Glück versprechenden Zahl 168 vermarktet wurde. Was Alfa Romeo damals bereits fehlte, war ein flächendeckendes Netz von Handelspartnern. Zudem litt der Alfa 164 unter dem Imageschaden, den Schnellroster wie der Alfasud hinterlassen hatten. Dauertests der deutschen Medien resümierten: „Es bleibt noch viel zu tun für eine überzeugende Qualität“. Aber der Anfang war gemacht. Mit dem 164 galt Alfa wieder als Adresse, mit der man sich sogar auf dem Vorstandsparkplatz zeigen konnte. Immerhin griff der damals größte Alfa sogar Designdetails wie die Doppelsicke auf, die Pininfarina zunächst für die viertürige Ferrari-Studie „Pinin“ von 1980 entwickelt hatte. Als sich der 164 als erstes Alfa-Topmodell unter Turiner Führung im Sommer 1997 nach fast 270.000 Exemplaren verabschiedete, herrschte gespannte Erwartungshaltung. Denn Alfa ließ das nachfolgende Flaggschiff 166 erst 1998 vom Stapel – zugunsten der Qualität. Wichtige Motorisierungen: Alfa 164
Quelle: SP-X (Wolfram Nickel) |