Die bekanntesten Ecken im Automobilbau stammen aus Italien: Giorgio Giugiaro zeichnete mehr als 300 Autos. Nach 60 Berufsjahren geht er jetzt in Rente.
Turin/Italien – Es klingt nach einem Abschied ohne Abschied. „Giorgetto Giugiaro leaves Italdesign Giugiaro“, steht in der Pressemeldung. Giugiaro verlässt seine Firma Italdesign. Dahinter folgt eine knappe Begründung und die wichtigsten Eckdaten zu Giugiaros Karriere. Nach 47 Jahren beendet der „Maestro“ die Arbeit bei seiner Firma Italdesign. "Maestro", so adelte ihn VW-Patriarch Ferdinand Piëch vor vielen, vielen Jahren. Audi übernimmt die Firma des berühmten Designers vollständig, inklusive der 1.000 Angestellten. Seit 2010 gehört die Designfirma Italdesign in Teilen dem VW-Konzern. Am 25. Mai 2010 erwarb Audi 90,1 Prozent für einen „substantiellen Kaufpreis“. Giugiaro wies damals darauf hin, dass es seiner Firma zwar sehr gut gehe. Doch sein Sohn Fabrizio und er wollten die Zukunft von Italdesign sichern. Giorgio Giugiaro: Autodesigner mit 17 Jahren Giugiaro bewies Talent. Und hatte Glück: Sein Zeichenlehrer war ein Onkel des Fiat-Chefkonstrukteurs Dante Giacosa. Der sah Giugiaros Arbeit bei einer Präsentation und holte den damals 17-Jährigen zu Fiat. Dort sollte er helfen, ein Design-Center nach GM-Vorbild aufzubauen. Vorher erkannte jedoch ein anderer die Fähigkeiten des jungen Designers: 1959 wechselte Giugiaro zu Nuccio Bertone. Seine Bewerbung beinhaltete Skizzen für ein neues Alfa-Coupé. Dieser Entwurf ging als Alfa 2000 Sprint in Serie. Giugiaro wurde sofort Chefzeichner bei Bertone – parallel zu seinem Wehrdienst. In der Armee malte er für seinen Vorgesetzten Portraits. Heimlich zeichnete er nebenbei Autos für Bertone. Für ihn entwarf er unter anderem Iso Grifo und Rivolta, BMW 3200 CS, Maserati 5000 GT, Fiat 850 Spider und Simca 1000 Coupé. Trotz vieler schöner Autos wurde Giugiaro bei Bertone nie befördert. 1968: Giorgio Giugiaro gründet ItaldesignAm 7. Februar 1967 gründete Giugiaro die Firma Ital Styling. Freiberuflich arbeitete er weiterhin für Ghia. Ein Jahr später gründete er das „S.I.R.P.“ („Studio Italiano Realizzazione Prototipi“). Später änderte er den Namen zu Italdesign. Sein Partner war der ehemalige Fiat-Cheftechniker Aldo Mantovani. Gemeinsam wollten sie Autos für die Großserie entwerfen. Die Fertigung sollte der Hersteller erledigen. Im Gründungsjahr zeichnete Giugiaro den Alfa Romeo Alfasud. Vier große Koffer sollten hinter seine Rücksitze passen. Deshalb setzten die Ingenieure die Scharniere der Kofferraumklappe außen an die Karosserie. Giugiaro stößt das bis heute sauer auf. Ein Detail, das wohl nur ihn stört. Denn 1969 meldete sich einer, der heute ganz groß ist: Für VW sollte Giugiaro zwei Autos entwerfen. Ähnlich dem Fiat 128, aber kompakter und mit Schrägheck. Dazu eine größere Limousine. Also Golf und Passat. Trotzdem verkaufte Giugiaro 2010 an Audi, also an den VW-Konzern. Ferdinand Piëch gilt als ein enger Freund. Für ihn und die Sicherheit eines Konzerns gab er seine Freiheit auf. Die legendäre, italienische Design-Schmiede wird zu einem von vielen Designzentren. „Wir sind so etwas wie die externe Alternative“, sagte Giugiaro vor vier Jahren der „Süddeutschen Zeitung“. Der Freigeist wurde Teil des KonzernsFreie Entscheidungen gibt es nicht mehr. Einst hatte Giugiaro den Bugatti EB 112 komplett eigenständig gezeichnet. Der Auftraggeber habe nur den Motor definiert. „Heute geben 50 Marketing-Experten ihren Senf dazu und erzählen dann zuhause, sie hätten entschieden, wie der neue „XY“ anders aussehen wird. Ich habe die Nase voll davon“, sagte er 2013 der „Autozeitung“. Bei Italdesign zeichnete Giugiaro mehr als 200 Autos. Insgesamt waren es mehr als 300. Seine Entwürfe erhielten zahlreiche Preise. Darunter sechsmal der „Goldene Kompass“, dreimal „Car of the Year“ und zweimal das „Goldene Lenkrad“. Viel wichtiger: Seine Kollegen schätzen ihnen als einflussreichsten Automobildesigner des 20. Jahrhunderts. 1999 wurde er zum „Autodesigner des Jahrhunderts“ gewählt. Ferdinand Piëch habe zu Giugiaro einmal gesagt: „Männer wie wir können nie in Rente gehen.“ Das stimmt wahrscheinlich, im übertragenen Sinne.
Quelle: Autozeitung, Italdesign, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung |
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