Der größte Feind der Entwickler ist die Neugierde der Anderen. Gut für Andreas Kubis. Er verdient sein Geld damit, Erlkönige bis zur Unkenntlichkeit zu bekleben.
Rüsselsheim - Wer Andreas Kubis im Opel-Werk Rüsselsheim besucht, fühlt sich wie ein Spion beim Agentenaustausch. Erst zum Werksschutz, danach ein konspiratives Treffen auf dem Parkplatz, dann über verschiedene Rampen, durch Tore und Tunnel in die Katakomben des Gebäudes K40. Vermutlich kommt man einfacher ins Vorzimmer von Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. Kein Wunder, denn der 36-jährige Andreas Kubis ist der Tarnmeister in Opels Abteilung „Karosserie Vorausentwicklung“. In seinem Atelier stehen die Prototypen der nächsten Jahre. Das macht ihn zum größten Geheimnisträger von Rüsselsheim. Die Tarnung wird zunehmend schwieriger Doch das wird zunehmend schwieriger: Die Fotografen der Fachmagazine haben heute viel bessere Möglichkeiten als früher. „Die Bildbearbeitungsprogramme sind so gut, dass aus einem unscharfen Prototypen-Foto schnell eine fotorealistische Computerretusche des neuen Autos wird.“ Jede Linie wird kaschiertDamit genau das nicht passiert, kleidet Kubis spätestens ein Jahr vor dem Serienstart Opels neue Modelle ein. Wo die Designer liebevoll jede Falz und jede Fuge herausarbeiten, pappt er so lange seine Tarnfolie aufs Blech, bis auch die letzte Linie kaschiert ist und selbst das beste Bildbearbeitungsprogramm nur noch Pixelbrei erkennt. Das Muster der Folie lässt die Konturen verschwimmenDabei setzt er nicht mehr wie früher auf ein Zebra-Muster, auf Karos oder Rauten. Die Folie hat vielmehr ein von ihm selbst entwickeltes und in dutzenden Probeläufen getestetes Muster aus unterschiedlich hellen Karos, von denen keines größer ist als eine Spielkarte. Dieses Spiel aus Hell und Dunkel und die vielen verschiedenen Linien lassen alle Konturen verschwimmen. Pro Erprobungsprojekt bestellt Kubis von der Folie schon mal 10.000 Bogen a 60 x 40 Zentimeter. Zusätzlich polstert der Tarnmeister bestimmte Karosserieteile mit Gummimatten, Kunststoffleisten oder Hartplastik-Covern. „Dafür laufe ich ständig mit offenen Augen durch Spezialstoff und BlickschutzfolieFür die Tarnung des Innenraums verwendet Kubis einen Spezialstoff mit Netzstruktur, der die Luft der Klimaanlage durchlässt, ansonsten aber absolut blickdicht ist. Damit die Netze nicht verrutschen, greift Kubis in manchen Fällen sogar zum Akkuschrauber und versenkt ein Dutzend Schrauben im Armaturenbrett. „Skrupel darf man in diesem Geschäft nicht haben“, sagt er. Viel wichtiger seien pfiffige Ideen wie die Blickschutzfolie über den Instrumenten. Die hat sich Kubis aus dem Computerhandel besorgt. Denn was neugierige Blicke auf fremde Laptop-Monitore abhält, das hält auch den Bordcomputer des neuen Corsa geheim. Kubis kaschiert aber nicht nur. Er baut auch an: fiktive Auspuffrohre, Kühlöffnungen, sportliche Turbo-Hutzen oder zusätzliche Türen. Auch Anbauteile aus dem Vorrat des Vorgängers werden verwendet, um den Betrachter zu verwirren, sagt der Tarnmeister. Manche Hersteller schrauben sogar die Markenzeichen der Konkurrenz an ihre Prototypen oder erfinden neue Logos. Kubis hat sich in seinem Job schon so manche verrückte Tarnung einfallen lassen. Doch die beste Idee hatte einer seiner Vorgänger bei der Entwicklung des ersten Corsa Combo. Statt eines auffälligen Streifenkostüms, haben die Tarner ihn mit der Werbung für eine fiktive Gärtnerei beklebt und auf Testfahrt geschickt, sagt Kubis und kann sich das Lachen nicht verkneifen: „Den Trick hat bis heute keiner gemerkt.“ |
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