Ein Luxusauto mit dem deutschen Namen „Kaiser“. So was gibt’s im fernen Südkorea, und zwar von Ssangyong. Ein Ausflug in ein Stück Mercedes-Vergangenheit.
Seoul - Vor den Luxushotels der koreanischen Hauptstadt Seoul stehen auf abgekordelten Parkplätzen die S-Klassen, 7er und auch mal ein Porsche Panamera. Luxus für die Superreichen der Industrienation. Dazwischen immer wieder ein nagelneuer Genesis von Hyundai. Und da steht diese seltsame S-Klasse. Ohne Stern, dafür mit einem geflügelten Logo. Der schwarze Riese ist kein heimliches Sondermodell aus Stuttgart für Südkorea. Mercedes hat das Modell zwar mitentwickelt. Aber der Chairman stammt von Ssangyong, der kleinen Firma, die inzwischen dem indischen Konzern Mahindra gehört. Die Baureihe Chairman steht seit 25 Jahren für Luxus aus Korea. Damals war Mercedes an Ssangyong beteiligt, lieferte Motoren, Getriebe, Plattformen und Weiteres. Das deutsche Engagement ist längst Vergangenheit, die Teile aber fahren weiter. Der neueste Chairman trägt den Zusatz „Kaiser“ und verrät so, welche Zielgruppe im Visier ist. Zwar gibt es in Korea seit 1910 keine Monarchie mehr, aber die Top-Manager von heute verfügen über ähnliche Macht. Wie zum Beispiel Choi Johng-sik, der Chef von Ssangyong. Sein 5,14 Meter langer Dienstwagen muss für die Testfahrt herhalten. Motor aus dem S 500Quelle: SsangyongMit jährlich 1.500 gebauten Exemplaren stellt der Chairman Kaiser fast ein Zehntel der Ssangyong-Gesamtproduktion. Unter der Haube des Chef-Chairman werkelt ein guter Bekannter aus früheren S-Klasse-Zeiten. Der Fünfliter-Achtzylinder leistet 306 PS und stammt aus dem S 500 der Baureihe W 220, die bis 2005 gebaut wurde. Das gleiche gilt für die Siebengang-Automatik. Die Leistung zählt in Korea kaum, angesichts strenger Tempolimits von zumeist 110 km/h. Viel wichtiger: Gekühlte Sitze aus feinstem Leder, viel Beinfreiheit auf Einzelsesseln hinten, die Doppelverglasung hält den Lärm der 20-Millionen-Metropole draußen. Die feine Verarbeitung mit gesteppten Nähten, handgefertigten Applikationen an Armaturenbrett und Türen und zahlreiche Verstellmöglichkeiten sorgen für die dem Preis angemessene kaiserliche Aura. Mit den Monitoren vorn und hinten kann man sich auf Wunsch in zahlreiche TV-Programme einwählen oder das Navi nutzen, das dann vielleicht einen Weg aus dem Dauerstau von Seoul weist. Bei der kurzen Testfahrt auf der Einfahrbahn der Ssangyong-Fabrik bei Seoul zeigt sich schnell, dass der 2,5 Tonnen schwere Kaiser durchaus mehr Leistung vertragen könnte. Das dürfte vor allem für das auf 5,44 Meter verlängerte Spitzenmodell gelten, das nochmal gut 100 Kilogramm mehr wiegt. Nein, das Temperament des Korea-Riesen entspricht nicht europäischen Maßstäben. Die von Continental gelieferte Luftfederung für die Hinterachse bügelt Unebenheiten dafür souverän weg, hält die Seitenneigung in flott durchquerten Kurven im Rahmen. Die Lenkung ist für den deutschen Geschmack dagegen zu schwammig und erfordert zu viel Aufwand. Der Kaiser wird ein SUV - vielleichtEgal: In diesem Auto fährt man nicht selbst, das erledigt der Chauffeur, und der macht so etwas schließlich beruflich. Viele Assistenzsysteme baut Ssangyong derzeit nur im Chairman ein. Dazu gehören Front- und Heckkamera sowie Abstandsradar. Hinzu kommen Oberklasse-Features wie elektrisch zuziehende Türen, eine extrem teure Audio-Anlage oder die verstellbaren Pedale. Das kennt man aus europäischen Luxuslimousinen. Und obwohl – oder weil der Chairman deutlich weniger kostet, wählen die Reichen und Mächtigen lieber die Konkurrenz aus Europa, und das in acht von zehn Fällen. An das Einstellen des „Kaisers“ denkt Ssangyong nicht. Aber: „Es ist vorstellbar, dass ein kommender Chairman ein Edel-SUV wird“, sagt Präsident Choi Johng-sik. Das wäre eventuell auch im Ausland verkäuflich. Schließlich bezeichnet sich Ssangyong als die „respektierteste und innovativste Automarke Koreas“. Eine Aussage, gegen die die Anwälte von Hyundai und Kia bisher nicht vor Gericht gezogen sind. Ssangyong Chairman W Kaiser V8 5000 – Technische Daten
Quelle: SP-X (Peter Maahn) |