Senkrecht verrippte Kühlergrills sind seit 1942 das Markenzeichen von Buick. 1950 gingen die Buick-Boys mit dem neuen Special jedoch aufs Ganze: Neun gigantische Raubtier-Zähne und acht Zylinder schockten die Konkurrenz. Aha, ein Buck, ein typischer Ami also: V8-Motor, Blattfedern, Automatikgetriebe, Servolenkung. Doch leider - alles falsch. Der 1950er Buick Special - das Auto des Umbruchs Die Limousine mit dem Raubfischmaul besitzt einen Reihen-Achtzylinder, eine schraubengefederte Hinterachse, ein Dreigang-Schaltgetriebe und noch keine Servolenkung, die Chrysler erstmals 1951 im Serienmodell Imperial anbot. Doch genau das macht diesen Buick Special Deluxe Tourback Sedan von 1950 so interessant. Es ist ein Wagen des Umbruchs und der Veränderung: Während die Optik bereits Zukünftiges offenbart, bleibt die Technik eher der Vorkriegs-Tradition verpflichtet. Die Karosserie-Front wird von neun mächtigen, über die Stoßstange hinweg nach unten verlängerten Chromzähnen dominiert. Sie kamen beim US-Publikum jedoch nicht so gut an wie heute die Monster-Grillmäuler von Audi und Peugeot, weshalb der sogenannte Bucktooth-(Dollarzahn)-Grill am Buick Special des Folge-Jahrgangs 1951 wieder verschwunden war. Entsprechend hoch steht der legendäre Special von 1950 bei Sammlern und Buick-Kennern im Kurs. Übergang zum Ponton-Look Das Gleiche gilt auch für das identische, etwas kräftiger motorisierte Schwestermodell Super und den größeren und luxuriöseren Roadmaster, dessen Karosserie sich jedoch nur in Details von Special und Super unterscheidet. Um es den weniger beflissenen Automobilisten etwas einfacher zu machen, erhielt das Topmodell Roadmaster vier statt nur drei der sogenannten "portholes" - funktionslose Belüftungslöcher an den Motorhaubenflanken - und einen noch stattlicheren Chromschmuck. Richtig modern und zukunftsweisend an der Special-Karosserie ist dagegen die 1950 neu eingeführte Panorama-Heckscheibe.Weil sich aber die Buick-Designer ihrer Sache nicht ganz sicher waren, bot man parallel zum Tourback Sedan mit Stufenheck und Panoramascheibe noch ein deutlich an die vierziger Jahre erinnerndes Fließheck mit dem schönen Namen Jetback an. Den Buick Special Jetback gab es auch als Sedanette, einen coupéhaften Zweitürer. Alle Karosserieformen kennzeichnet der Übergang vom kotflügelbetonten Vorkriegsstil zum modernen Ponton-Look. Die sich hoch aufrichtende Motorhaube und die vorne wie auch hinten noch leicht abgesetzten Kotflügel huldigen der Tradition, während die großzüge Verglasung der Tourback-Variante und der seitliche, nach unten verrutschte Hüftschwung in der Karosserieflanke die Design-Zukunft bereits deutlich erkennen lassen. Unter dem Blech des Buick Special Tourback Sedan werkelt Vorkriegstechnik Der langhubig ausgelegte Reihen-Achtzylinder mit 248 cubic inch (cui) Hubraum (4,06 Liter) stammt in seiner OHV-Basiskonzeption von 1931. Im Special von 1950 leistet er 110 PS bei 3.600/min. Erst 1953 stellte Buick termingerecht zum 50-jährigen Fimenjubiläum seinen V8-Motor vor, über den die gesamte Konkurrenz mit Ausnahme von Chevrolet schon seit Jahren verfügte. Die Maschine startet automatisch beim Tritt auf das Gaspedal. Gefühlsmäßig muss sich die Kurbelwelle hierzu vielleicht zwei oder drei Mal drehen: Ein leises "Klack" und der Reihenachter nuschelt dienstbeflissen vor sich hin. Der Fahrer sitzt auf einer bequem gepolsterten Sitzbank und fühlt sich im ersten Augenblick wie in einem geräumigen VW Käfer: Vor sich nur der zentral angeordnete Rundtacho, links an der Tür die verchromte, metallene Fensterkurbel, ein Bügel- Türöffner und eine weitere Kurbel mit kürzerem Arm für das drehbare Dreiecks- Seitenfenster. Jeweils eine ebenfalls runde Temperatur- und Kraftstoffanzeige ist, nach unten versetzt, links und rechts neben dem Tachometer im matten, graphitgrauen Armaturenblech platziert. Das Ganze wirkt kühl und sachlich, ganz ohne Schnickschnack, fast so fahrerorientiert wie in einem modernen Saab, gäbe es nicht diese chromglänzende,herrlich verrippte, in der Mitte des Armaturenblechs angebrachte Jukebox-Einheit mit Bedienknöpfen für Licht, Heizung und Belüftung. Ein heute noch problemlos funktionierendes Röhrenradio krönt den rechteckigen Schmuckkasten. Die Sitzbank des Buick Special Tourback Sedan ist an den Kühlkreislauf angeschlossen Die durch einen Kühlwasser-Kreislauf beheizbare Sitzbank erlaubt verschiedene Fahrpositionen: im kubanischen Taxifahrerstil lässig an die Tür gelehnt, im ängstlichen Hausfrauenstil direkt hinter dem Lenkrad oder als Profi-Casanova fast schon in der Mitte, wo man das Radio und potenzielle Mitfahrerinnen gut bedienen kann. Wir entscheiden uns für die zweite Variante, treten das stehende Kupplungspedal in den Fahrzeugboden, legen mit dem Lenkradhebel vorne unten den ersten Gang ein und lassen die Kupplung kommen. Mit etwas mehr als Leerlauf-Drehzahl beginnt die Reise im Buick und gestaltet sich very special. Der sanfte Bullenmotor macht seine Arbeit hervorragend - schon bei 30 km/h geht\'s in den zweiten Gang, bei 50 in den dritten, sogar bergauf. Auch die Trommelbremsen arbeiten vertrauenserweckend und mühelos. Die indirekte Lenkung verlangt dagegen nach Bärenkräften, als müsse Kap Horn im Sturm umsegelt werden. Und jedes Bremsmanöver, jeden Richtungswechsel quittiert die Karosserie mit atemberaubenden Schaukelbewegungen und der Schräglage eines irischen Leichtmatrosen nach dem Pub-Besuch. Der Buick Special Tourback Seda ist ein Softie Schuld daran ist eine komfortbetonte Chassis-Konzeption mit Einzelradaufhängung vorne und eine von zwei schräg verlaufenden Schubstreben sowie einem Panhardstab geführte Hinterachse mit Schraubenfedern. Vier Hebeldämpfer benötigen immer mehrere Anläufe, um die Karosseriebewegungen einigermaßen unter Kontrolle zu kriegen. Doch genau das macht den unvergleichen Charme des Buick Special aus: Er ist trotz seines aggressiven Kühlergesichts, mit dem er im Großstadtdschungel wie ein Rambomobil seinen Weg bahnen soll, ein ausgesprochener Softie. So erobert der Buick im Sturm die Herzen von Passanten und Autofahrern, die sogar in ihrer Wortwahl noch den Hut ziehen: Anstatt des gewöhnlichen "affengeil" vernahmen wir ein wirklich hübsches "superschön".
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 24.06.2010
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