Er ist das ungewöhnlichste Auto bei BMW: Wir testen den 2er Gran Tourer – ein Van mit Frontantrieb. Und weil das nicht schräg genug war, saß im Motorraum ein Dreizylinder.
Berlin – Van, Frontantrieb, sieben Sitze – alles Dinge, auf die Papa beim Autokauf gern verzichten würde. Darf er aber nicht, wenn Mutti und die zwei Kinder ihn weiter lieb haben sollen. Das hat in den vergangenen 10 bis 15 Jahren für viele Verkäufe bei Opel, VW, Ford und vielen anderen Autoherstellern geführt. Mercedes floppte mal mit einem Auto in dieser Klasse grandios. Den Vaneo gibt es heute für 2.000 bis 3.000 Euro gebraucht. Jetzt will die Marke mit dem "Freude am Fahren"-Motto beweisen, dass das Markenimage einen Van aushält. „Einen sportlichen Van, den dann alle Familienväter kaufen“, oder so ähnlich müssen die in der Ideenabteilung gedacht haben, als sie das Auto erfanden. Schade nur, dass sportliche Vans in etwa so klug sind wie geländetaugliche Sportwagen. Wobei, den hat BMW ja auch (X6). 1. Gang: Die BasisSo ein 2er Gran Tourer ist schnell erklärt: Praktisch soll er sein – und zwar noch praktischer als der 2er Active Tourer. Auf dessen Frontantriebsplattform baut der Konkurrent von VW Touran, Opel Zafira und Ford S-Max auf. BMW addiert 21 Zentimeter Blech und streckt den Active Tourer so auf 4,56 Meter. Der Radstand wächst im Vergleich zum Active Tourer um sieben Zentimeter, die Höhe steigt um fünf Zentimeter. Wichtigste Frage: Was bringt das? Die knappe Antwort: Ein Kofferraumvolumen von starken 645 bis 1.905 Litern und damit 177 beziehungsweise 395 Liter mehr als bei der Basis. Für 790 Euro extra lässt sich dieser Raum mit zwei zusätzlichen Stühlen füllen – der Kofferraum schwindet dann auf 560 bis 1.820 Liter. Wie üblich bei Siebensitzern eignen sich die zusätzlichen Plätze allerdings nur für den Notfall. 2. Gang: Das BesteDas Beste an einem Van ist der Platz. Noch besser ist es, wenn man den variabel nutzen kann. Die Sitze der zweiten Reihe im Gran Tourer sind serienmäßig verschieb- und im Verhältnis 40:20:40 umklappbar. Dazu kann die Neigung der Lehnen verstellt werden. Das alles funktioniert bei uns einfach und schnell. Werden die hinteren Sitze umgeklappt, um den maximalen Laderaum zu nutzen, ergibt sich eine gut zugängliche, große Ladefläche. Mehr kann man von einem Van nicht verlangen. 3. Gang: Das (Zweit-)SchwächsteTaufen wir diese Kategorie um: Der „zweitschwächste“ Benziner, den BMW für den Gran Tourer anbietet, steckt in unserem Testwagen. Im 218i arbeitet ein 1,5-Liter-Dreizylinder mit 136 PS und 220 Newtonmetern Drehmoment, geschaltet wird über ein Sechsgang-Getriebe. Das klingt nach streng verordneter Enthaltsamkeit. Tatsächlich aber reicht der Motor für das typische Einsatzgebiet eines Vans völlig aus. Besonders in der Stadt sind wir sehr zufrieden. Auf die Autobahn fährt der 2er flott genug auf und zum Überholen auf der Landstraße reicht es auch. Nur wer auf der Bahn schnell fahren will, wird enttäuscht, ab 160 km/h verlässt den 218i die Kraft – dabei liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 205 km/h. Mit den 1.470 Kilogramm Gewicht wird der Dreizylinder ansonsten gut fertig. Leider nicht mit der versprochenen Menge an Treibstoff. Maximal 5,5 Liter soll unser Testwagen auf 100 Kilometern schlucken – tatsächlich fließen laut Bordcomputer deutlich mehr als 8 Liter in die Brennräume. Und das bei, sagen wir, Van-typischer Fahrweise in der Stadt. 4. Gang: Das ÜberflüssigsteDie Rechnung, bitte. Ah, ja: 26.950 Euro. Und da geht der Spaß beim Gran Tourer erst los. Unser Testwagen mit Dreizylinder kostet in der Basis 28.650 Euro. Mit Advantage-Ausstattung (niedrigste Linie) und einigen Extras wie Rückfahrkamera, elektrischer Sitzverstellung, Sitzheizung, LED-Scheinwerfern und dem Navigationssystem Plus kommen insgesamt happige 41.730 Euro zusammen. Quelle: MOTOR-TALK Damit liegen wir im oberen Mittelfeld, wie eine kleine Spielerei mit dem BMW-Konfigurator zeigt. Top-Ergebnis: ein 220d xDrive mit allem für 62.650 Euro. Es gibt also noch genug überflüssige Sonderausstattung für den Gran Tourer. Denn im Grunde haben wir in unserem Testwagen nichts vermisst. 5. Gang: Das WissenswerteBMW möchte mit Gran und Active Tourer in einem völlig neuen Segment Kunden gewinnen. Das funktioniert anscheinend. Wie das Marktforschungsinstitut „Dataforce“ Anfang Dezember 2015 bekannt gab, erreicht der Van eine Eroberungsrate von 71,3 Prozent und kann damit für BMW die meisten Kunden von anderen Marken gewinnen. 24,7 Prozent der Gran-Tourer-Fahrer kommen demnach von VW, 9,7 Prozent von Opel und 6,7 Prozent von Mercedes. Innerhalb der eigenen Marke wechseln die meisten Kunden vom 3er auf den 2er Gran Tourer. Und ja, es ist der Kinder wegen: Der Anteil der 17- bis 44-Jährigen ist beim Gran Tourer mit rund 35 Prozent überdurchschnittlich hoch. 6. Gang: Das BesondereAb einem gewissen Alter ist es ja am Schönsten, wenn Dinge einfach funktionieren. Wer also tatsächlich so etwas wie einen sportlichen Van (jetzt haben wir es doch geschrieben) sucht, der findet das beim 2er Gran Tourer. Quelle: MOTOR-TALK Das Fahrwerk federt ein bisschen straffer und die Lenkung reagiert ein Stück direkter als bei der Konkurrenz. Die Sitzposition ist für einen Van allerdings niedrig. Im Sportmodus und mit dem großen 192-PS-Benziner bewegt sich der Gran Tourer richtig flott. Nur das lange Heck zerrt in Kurven nach außen. Wer allerdings schon in dem Alter ist, in dem beim Sitzen und Einsteigen einfach nix mehr weh tun soll, der wählt bitte einen konventionelleren Vertreter der Spezies Van. Ausrollen und FazitBMWs ulkigstes Auto funktioniert in unserem Test. Der Dreizylinder bietet ausreichend Leistung und die Idee „sportlicher Van“ kommt der Realität hier vielleicht näher als je zuvor. Trotzdem: Das beste am 2er Gran Tourer bleibt, dass er bei genauem Hinsehen einfach nur ein guter Van ist. Nur ein BMW-Gefühl stellt sich nicht ein. So gar nicht. Die Sitze sind dafür zu eng geschnitten und zu dünn gepolstert. Das, was man heute Premium-Gefühl nennen würde, das fühlt man vielleicht beim BMW-Händler oder in der Service-Pauschale. Nur nicht im Auto.
Technische Daten - BMW 2er Gran Tourer 218i
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