Das DDR-Kultmoped Schwalbe ist zurück: als Elektroroller ohne Zweitaktduft. Wir haben das Retro-Gefährt getestet, das man in Berlin und München im Sharing fahren kann.
Von Haiko Prengel Berlin - Wer die neue E-Schwalbe Probe fahren möchte, darf nicht zimperlich sein. Der Berliner Showroom liegt direkt am verkehrsumtosten Alexanderplatz. Nach einer kurzen technischen Einweisung wird man in den hektischen Innenstadtverkehr geschickt. „Das sollte passen“, sagt der Mitarbeiter, nachdem er mir einen Roller mit zwei Akkus startklar gemacht hat. Vorsichtig taste ich mich mit dem Gefährt auf die Straße und drehe am Gasgriff. Prompt düst die Schwalbe los, lautlos und ganz ohne Geknatter. Der DDR-Kultroller Schwalbe ist zurück. Statt mit einem Einzylinder-Zweitaktmotor arbeitet die Neuauflage mit einem zeitgemäßen Elektroantrieb von Bosch. Das Zweirad, das man mit Pkw-Führerschein fahren darf, stammt allerdings nicht mehr von Simson aus dem thüringischen Suhl. Verantwortlich ist nun der Elektrofahrzeug-Hersteller Govecs aus München. Produziert wird der Retro-Vogel mit dem Namen L1e in Polen. "Oh, eine Schwalbe"So richtig günstig ist die Schwalbe nicht: die Preise starten bei 5.390 Euro. Dafür ist der Roller mit Scheibenbremsen und LED-Licht in Serie ausgestattet. Über Händler wird die E-Schwalbe nicht vertrieben. Stattdessen kann der Scooter per Online-Konfigurator nach persönlichen Vorlieben zusammengestellt werden. Die Konkurrenten heißen Unu oder Emco: in den Metropolen sieht man elektrifizierte Motorroller inzwischen häufig, vor allem von Sharing-Anbietern. In verstopften Innenstädten haben die wendigen Zweiräder ihre größte Stärke. „Oh, eine Schwalbe“ oder „Mmmmh, schöne Farbe!“, das hört man oft. Wer mit der neuen E-Schwalbe unterwegs ist, kann sich auf positive Reaktionen von Passanten einstellen. Offensichtlich ist das Kleinkraftrad aus der DDR noch immer beliebt. Zumindest im ehemaligen Ostberlin, wo unsere Testfahrt an diesem sonnigen, aber noch kalten Vor-Frühlingstag hinführt. Auf der rechten Spur flitzen wir vom Alexanderplatz die Karl-Marx-Allee herunter, vorbei an viereckigen Wohnblöcken. Fast 1,2 Millionen Schwalben wurden zu DDR-Zeiten gebaut, kein anderes Kleinkraftrad war so erfolgreich. Mit seinen dreieinhalb PS war der Blechvogel das Alltagsgefährt für Arbeiter, Krankenschwestern, Studenten und Landwirte gleichermaßen. Heute knattert die alte Schwalbe oft durch hippe Altbauviertel, als cooles Mobil für die Sommermonate. Drei Fahrmodi plus KriechgangVom guten, alten Blech ist nicht viel geblieben. Wer die Elektro-Schwalbe näher in Augenschein nimmt, klopft auf eine Außenhaut aus Plastik. Leicht ist der Scooter trotzdem nicht. Für weniger kräftige Fahrer gibt es den Extra-Fahrgang „Crawl“, mit dem man das 120 Kilogramm schwere Gefährt im Vor- oder Rückwärtsgang rangieren kann. Bei den Fahrmodi sind drei Stufen wählbar. Uns wird zur Eingewöhnung der Eco-Modus „Go“ empfohlen, der weniger Beschleunigung und dafür mehr Reichweite bietet. Darüber hinaus gibt es den schnelleren Cruise- und den Race-Modus „Boost“. Der bietet laut Govecs maximale Power „für unglaublichen Fahrspaß“. Wer den Gasgriff bis zum Anschlag dreht, kann beim Ampelstart so manches Verbrenner-Auto abhängen. Etwas unkomfortabel: den Blinker muss man nach jedem Abbiegen manuell ausschalten. Das funktioniert nicht, ohne die Hand von der Bremse zu nehmen. Mit der „Go“-Taste kann man auf dem Display den Bordcomputer aufrufen, der mit Informationen sehr sparsam umgeht. Ladeproblem für InnenstadtbewohnerFür unsere Probefahrt errechnet der Bordcomputer eine zurückgelegte Gesamtdistanz von 18 Kilometern. Das ist in der Berliner Innenstadt bereits weiter als viele typische Arbeitswege. Beim Start hatte das doppelte Akkupaket eine Kapazität von 88 Prozent, der Bordcomputer zeigte mehr als 100 Kilometer Reichweite an. Bei unserer Rückkehr war sie auf 61 Prozent geschrumpft. Dieser Wert sei auch dem kalten Wetter geschuldet, erklärt der Mitarbeiter am Alexanderplatz. Im warmen Showroom würden sich die Akkus rasch wieder erholen. Das ist auch gut so, denn das Aufladen funktioniert bei der E-Schwalbe nicht so flexibel wie bei vielen anderen Elektrorollern. Die Akkus sind fest installiert, das Ladekabel befindet sich in einem Staufach unter der Sitzbank. Wer eine eigene Garage hat, kann den Scooter also bequem am Stromnetz anschließen. In 4,5 Stunden lädt ein leerer Akku dann auf, zudem gibt es eine Schnellladefunktion von 0 auf 50 Prozent in den ersten anderthalb Stunden. Wer in einem Mietshaus wohnt und nicht über einen Stellplatz mit Stromanschluss verfügt, hat dagegen ein Problem. Deshalb lassen sich bei vielen Elektrorollern die Akkus herausnehmen, um sie in der Wohnung zu laden. Unverständlich, warum die Schwalbe-Konstrukteure darauf verzichtet haben. Die Schwalbe im Sharing In Berlin und München kann man die neue Schwalbe L1e bereits fahren, ohne sie zu kaufen. Sie steht als Sharing-Roller beim Anbieter Emmy zur Verfügung. 2018 will Emmy seine Leihflotte um mehr als 1.000 der roten Retro-Mopeds aufstocken. Das ist natürlich im Interesse des Produzenten: Die gemeinsame Expansion auf weitere Städte steht bereits in den Startlöchern, erklärt Govecs. Auch das Akku-Problem ist den Konstrukteuren bewusst. Deshalb will Govecs ein Modell mit herausnehmbarem Speicher nachlegen. Technische Daten: Elektroroller Schwalbe L1e
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