Was für ein Auto? Nein, eher: Was für ein Spaß. Citroëns neuer E-Méhari ist mindestens so exzentrisch wie sein Vorbild - als Kleinserien-Elektroauto aber deutlich teurer.
Westerland - Méhari? Méhari! Der Citroën-Oldtimer (1968-1987) war mehr Kult als Auto. Mit Plastikkarosse und ohne Dach, mit Enten-Fahrgestell und in Deutschland ohne TÜV-Zulassung. Die Karosserie hätte schließlich abbrennen können. Jetzt ist der Méhari wieder da. Mit Plastikkarosse und ohne Dach, mit Elektromotor und ohne Benzintank. Und sagt: Hey, Elektromobilität kann auch einfach nur Spaß machen! Ein richtiges Auto ist dieser E-Méhari eigentlich nicht, so wenig wie sein Urahn. Die Typzulassung als Kleinserie erlaubt vage Datenangaben wie "0-50 km/h: ca. 6,4 Sekunden" und sogar das Weglassen von Airbags. Immerhin: ABS, ESP, Dreipunktgurte und Tagfahrlicht sind an Bord. Sicherheitsbedenken lächelt der Méhari einfach weg. Fährste halt nicht so schnell. Allein hätte PSA ein so unvernünftiges Auto kaum gebaut. Die Franzosen fertigen das Elektro-Cabrio in Kooperation mit dem Mischkonzern Bolloré, seit Jahren engagiert in Batterieentwicklung und Carsharing. Bis auf Details (wie das Citroën-Logo) ist das Citroën-Auto ein Bolloré-Auto. Eine Win-win-Situation: Bolloré braucht kein Autowerk und kein Vertriebsnetz, und Citroën bekommt ein Elektroauto, wie es sonst keiner hat. Touché! 1,4 Tonnen Gewicht und 800 Liter KofferraumQuelle: CitroënTrotz PSA-Fertigung, ein bisschen Hinterhof-Elektropionier-Flair bleibt. Nicht sauber entgratete Plastikteile, schief verklebte Gummifußmatten - der Qualitätseindruck ist mehr „so lala“ als „oh, là là“. Auf Bodenwellen knarzt die Karosse, der E-Motor heult bei Lastwechseln wie die leisere Ausgabe einer Vorkriegs-S-Bahn. Trotzdem fühlt sich der Bolloré-Citroën professioneller an als viele andere Kleinserien-Elektroautos seiner Gewichtsklasse, und mal ehrlich: Wäre er gebaut wie ein Schwabe, wäre er ja kein Méhari. Den klassischen Méhari warf die französische Armee wegen seines niedrigen Gewichts (ca. 500 kg) gern per Fallschirm ab. Der Stromer wiegt 1,4 Tonnen. Ansonsten tritt der E-Méhari das Erbe als Spaß- und Freizeitauto erstaunlich konsequent an. Heckscheibe, Seitenfenster und Dach werden mit Druckknöpfen befestigt. Auf vier richtigen Autositzen finden vier Erwachsene genug Platz, die Rückbank ist umlegbar. Dann passen 800 Liter in den Méhari. Für Musikfreunde gibt es eine Radiovorbereitung und einen USB-Anschluss für MP3-Player. Anders als der Ur-Méhari fährt das bunte Cabrio leicht und sicher. Die schweren Batterien sorgen für einen tiefen Schwerpunkt, Servolenkung und Bremsen arbeiten hinreichend exakt. Natürlich erschrecken 68 PS niemanden. Von der Ampel weg schafft es das kleine Elektroauto trotzdem flotter als mancher GTI. Bis zur Endgeschwindigkeit von ca. 115 km/h lässt die Zugkraft nicht merklich nach. Windig wird es dann natürlich im Cockpit. Wer will, kann die (Plastik-)Scheiben montieren und die optionale Klimaanlage aufdrehen - dann schwindet die Reichweite von 100 bis 200 Kilometern (reell eher 100 bis 130 km) natürlich schneller. Einsteigen, Knopf drücken, losfahrenEin Türschloss gibt es nicht. Wozu auch, schließlich könnte man einfach über die Tür hüpfen. Stattdessen setzt Bolloré auf eine Wegfahrsperre. Wie vom Carsharing bekannt, wird sie per RFID-Chip an der Frontscheibe deaktiviert. Jacke, Papiere und Ladekabel verstaut man am besten im abschließbaren 100-Liter-Fach unterm Kofferraumboden. Quelle: Citroën Ja, der E-Méhari ist durchaus durchdacht. Leichte Regengüsse übersteht er problemlos, mit spritzwassergeschützten Knöpfen und Schaltern, wasserfesten Bezügen und einem Abfluss im Boden. Sand oder Speiseeis lassen sich leicht mit einem Schlauch hinausspülen. Aber wer mag das Plastikauto schon putzen. Man mag: Einsteigen, Knopf drücken, losfahren. Die Blicke der Passanten genießen, die so etwas wie den E-Méhari noch nie gesehen haben. Ein Auto für die Urlaubsinsel. Regen? Egal. Reichweite? Reicht bis zum Strand und zurück. Düne im Weg? Egal, Bodenfreiheit. Aufladen? Später. Das dauert am Hausstrom übrigens 13 Stunden und an der Ladesäule 8 Stunden. Nein, als Ganzjahres- oder Erstwagen will man sich den quietschbunten Plastik-Zwerg nicht vorstellen. Genausowenig wie den Ur-Méhari. Für Privatnutzer im Grunde zu teuerDennoch, ganz können wir dem Charme des E-Méhari nicht erliegen. Er taugt zwar als Viertwagen für Reiche, ist eigentlich aber nicht für Privatkunden gedacht. Car-Sharer, Luxushotels, Golfclubs und Stadtrundfahrt-Anbieter werden dieses Auto kaufen. Für Endnutzer ist der E-Méhari mit 27.000 Euro schlicht zu teuer, trotz Elektroauto-Prämie. Dann verbleiben 23.000 Euro plus 87 Euro Batteriemiete pro Monat. Den Vertrag dafür schließt man direkt mit Bolloré ab, als Acht-Jahres-Abo. Der Mischkonzern überwacht aus der Ferne seine selbst entwickelte Lithium-Metall-Polymer-Batterie, und greift bei technischen Problemen ein. Wer sich dennoch für den E-Méhari entscheidet, profitiert vom Vertrieb über das PSA-Netz, von lokalen Händlern und Citroëns Notrufsystem "Citroën Assistance". Größere Erfolge verhindert nicht nur der Preis, sondern auch die Kleinserienzulassung. PSA und Bolloré dürfen und wollen nur 1.000 Autos im Jahr bauen. Jede nationale Citroën-Division darf selbst entscheiden, ob sie den E-Méhari anbietet. Ausgeliefert wird bisher nur in Frankreich, dort hat Citroën 70 Autos verkauft. Im Juli kommt Deutschland hinzu. Citroën Österreich hat schon abgelehnt. Dort sieht man keinen Markt. Citroën E-Méhari 2016: Technische Daten
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