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Ferrari FF - Der sexy Techniker aus Maranello

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Es gibt viele Gründe, nach Italien zu fahren. Drei davon heißen Aventador, Zonda und Ferrari FF. Wir sind die italienischen Traumwagen gefahren. Und so gefiel uns der FF.

Unterwegs im FF: Wir fuhren den großen Ferrari mit dem mächtigen V12 und dem kurzen Heck Unterwegs im FF: Wir fuhren den großen Ferrari mit dem mächtigen V12 und dem kurzen Heck Quelle: Fabian Mechtel / MOTOR-TALK

Von MOTOR-TALK-Reporter Fabian Mechtel

Es ist der dritte Zwölfzylinder innerhalb einer Woche und das Gehirn kommt kaum hinterher, die Eindrücke zu sortieren – doch die drei italienischen Meisterstücke könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Pagani Zonda, quasi ein einziger Material-Exzess aus Kohlefaser, Titan und mattgolden eloxiertem Aluminium, garniert mit der Brutalität des schärfsten AMG-Motors aller Zeiten. Daneben der blutorangerote Lamborghini, ein Auto wie ein Hammer. Ein großer, schwerer Hammer. Grob, laut, wunderbar. Und nun der Ferrari FF, der Schwächste im Bunde, der Technoide, der Perfekte?

Maranello - Es gibt Menschen, die glauben, erst das volle Dutzend, ein mächtiger V12, mache einen Ferrari zu einem echten Ferrari. So, wie beim großen FF.

Am Shooting-Brake-Ferrari scheiden sich die Geister. Wir lieben seine Fahrdynamik Am Shooting-Brake-Ferrari scheiden sich die Geister. Wir lieben seine Fahrdynamik Quelle: Fabian Mechtel Doch was, wenn man Dir plötzlich von vier vollwertigen Sitzen, einem großen und variablen (!) Kofferraum erzählt und sogar vom Allradantrieb vorschwärmt? Ist Ferrari mit dem FF in der Welt der Langeweile angekommen, der drögen Realität mit Kundenwünschen und Kindersitzen? Nicht wirklich, trotzdem ist vieles anders.

Wo früher die Legenden um Enzo den Mythos getragen haben, wo man jeden noch so haarsträubenden Mangel verziehen hat, zeigt sich heute das humorlose Gesicht der Perfektion. Ein Ferrari lebt nicht mehr nur von seinem Geräusch und seiner in Aluminium geklopften Schönheit, ein Ferrari lebt heute auch – oder gerade – von der technischen Finesse.

Technik, die Eindruck macht

Das merke ich, wenn die 660 PS beim vollen Gasanlegen am Scheitelpunkt nicht sofort das Heck ausrücken lassen. Da staunt man schon ein wenig. Kein dramatischer Drift, kein süßlich-blauer Reifenqualm, sondern einfach nur effizienter Abzug. Das feine Theater geht natürlich auf den Allradantrieb zurück, der den FF zum Ferrari Four macht. Dabei sprechen die Italiener selbst gar nicht von Allradantrieb, sondern von einem zusätzlichen Frontantrieb. Und eigentlich haben sie recht: wo sonst die Kraft von der Kurbelwelle auf ein Verteilergetriebe geht und von dort über Kardanwellen nach vorne und hinten geleitet wird, fehlen diese Bauteile im 4RM-System von Ferrari.

Runde Formen vollenden das schöne Heck Runde Formen vollenden das schöne Heck Quelle: Fabian Mechtel Natürlich, eine Kardanwelle ist vorhanden und zwar jene, die nach hinten ans Transaxle-Doppelkupplungsgetriebe geht. Doch auch vorne wird die Kraft direkt von der Kurbelwelle gezapft. Von der Power-Transfer-Unit (PTU). Und diese Wunderbox hat es in sich, ist sie doch Kupplung, Getriebe und Differenzial in einem und dabei gerade einmal 17 Zentimeter lang und gute 40 Kilogramm schwer. Möglich ist das, weil die PTU nur zwei Gänge und kein Ausgleichsgetriebe hat. Die Drehzahlunterschiede zum Hinterachsgetriebe werden einfach durch programmiertes Durchrutschen der PTU-Kupplungspakete ausgeglichen.

Bei Geschwindigkeiten über 200 km/h braucht es sowieso keinen Allradantrieb mehr und deshalb reicht das System völlig aus, sagen die Entwickler. Besonderer Reiz an der cleveren Kupplungslösung: Man kann gleich auch noch die Torque-Vectoring-Funktion (gezielte Kraftverteilung an einzelne Räder) des E-Diffs der Hinterachse an der Vorderachse einsetzen. Und im Zusammenspiel mit der F1trac-Traktionskontrolle fährt sich der FF im Ergebnis schlichtweg spektakulär. Dem Ferrari wohnt eine Handlichkeit, ja sogar eine Leichtigkeit inne, die man bei fast 1.900 Kilogramm Lebendgewicht einfach nicht für möglich hält.

Das Gefühl zählt

Vor allem aber ist es das Gefühl, das den FF so reizvoll macht. Trotz elektronisch geregeltem Differenzial an der Hinterachse, der genialen Kraftverteilung an der Front und einem erbarmungslos effizienten Doppelkupplungsgetriebe fühlt sich das Fahren einfach „echt“ an. Weit weg von Computerspiel-Synthetik. Das Geräusch zum Beispiel – sündig. Nie vulgär oder unpassend und doch in einer Laszivität, wie sie nur ein Zwölfzylinder zu Stande bringt. Natürlich wird auch hier mittlerweile nachgeholfen, Ansaugröhrchen werden ins Armaturenbrett verlegt, pneumatische Klappen in den Auspuff integriert. Aber das liegt eher daran, dass der FF einfach mehr können muss als nur schnell sein.

Rechts am Lenkrad das Manettino zum Einstellen der Fahrmodi Rechts am Lenkrad das Manettino zum Einstellen der Fahrmodi Quelle: Fabian Mechtel Das zeigt der Allrad-Ferrari, wenn das Manettino (spezieller Ferrari-Schalter) am Lenkrad auf Comfort steht. Der Motorsound wird ruhiger, die Dämpfer sanfter, der V12 zahmer und das ganze Auto ist bereit für die lange Reise. Denn dafür wurde er gebaut und dafür bekam er die Shooting Brake-Karosserie, vier Sitze, umklappbare Lehnen und einen großen Kofferraum mit 450 Liter Fassungsvermögen.

Selbst modernes Infotainment mit Navi, Bluetooth, Soundsystem und Bildschirmen gibt es für die Fondpassagiere. So rolle ich entspannt durch die Stadt, das Getriebe wechselt unmerklich die Gänge, die 6,3-Liter säuseln unter der Motorhaube und die Welt ist für mich in Ordnung.

Schließlich weiß ich, dass ich das V12-Vieh auf Knopfdruck wieder von der Kette lassen kann. Dann wäre sie wieder da, diese Souveränität, wenn die 683 Nm in vollem Eifer nach vorne drängen und sich trotzdem alles mit lockerer Hand dirigieren lässt. Die Lenkung ist vielleicht das Beste am großen Ferrari. Sie geht leicht und bietet doch unvergleichlich viel Gefühl. Nie ist es anstrengend, den FF in der Kurve zu positionieren, trotz der Massen, die dabei arbeiten – vor allem bei höheren Geschwindigkeiten. Natürlich kann man den Ferrari nicht mit dem Lamborghini und dem Pagani vergleichen: Dafür fehlt ihm das Kompromisslose. Aber die Erkenntnis, dass er sich nicht so viel langsamer anfühlt als die beiden Hypersportler, ist wirklich überraschend.

Ferrari FF - Technische Daten:

  • Modell: Ferrari FF
  • Motor: 6,3-Liter-V12
  • Leistung: 660 PS
  • Drehmoment: 683 Nm
  • Antrieb: Allrad, Siebengang-DKG
  • Verbrauch: 15.4 l/100 km Super Plus
  • 0-100km/h: 3.7 sec
  • Vmax: 335 km/h
  • Preis: ab 258.200 Euro
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