Bis sich Strom durchsetzt, müssen Autos auf andere Weise umweltfreundlich werden. Eine Möglichkeit: Erdgas (CNG). Der Seat Leon ST 1.4 TGI im Alltagstest.
Quelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Berlin – „Alternative Antriebe“ bedeutet meistens: Irgendwas mit Elektro. Hat Seat aber nicht im Programm, trotz aller Möglichkeiten der Konzernbaukästen. Die Spanier sparen (vorerst) mit anderen Mitteln Sprit: Der Kompaktwagen Leon fährt optional mit Erdgas. Und das kann sich lohnen. Denn ein Leon TGI kostet weniger als ein ähnlich starker Diesel – in der Anschaffung und an der Tanke. Klingt gut, hat aber Haken. Trotz aller Vorteile fallen Erdgas-Autos in der Zulassungsstatistik kaum auf. Denn die Reichweite mit dem günstigen Kraftstoff ist verhältnismäßig gering. Und wenn der Gastank leer ist, kann eine Tankstelle weit weg sein: Deutschlandweit gibt es nur knapp 900 CNG-Tanken. Eigentlich kein Problem, denn der Motor arbeitet bivalent. Bedeutet: Er verbrennt Erdgas (CNG) oder Superbenzin. Nach zwei Wochen im Alltag sind wir uns allerdings sicher: Ein monovalenter Antrieb (ohne Benzin) würde dem Seat Leon TGI besser stehen. Denn der würde alle Nachteile beseitigen. Abmessungen | Platzangebot | KarosserieQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Erdgas ist nur für die fünftürigen Versionen des Leon und Ausschließlich mit der Ausstattung „Style“ verfügbar. Äußerlich unterscheiden sich die CNG-Modelle nicht von Benzinern oder Dieseln. Hinter dem Tankdeckel verbirgt sich ein zweiter Stutzen für den Erdgastank, am Heck steht TGI statt TDI oder TSI. Und er wiegt mehr. Rund 150 Kilogramm kommen verglichen mit einem gleich starken Benziner für Tanks, Leitungen, Sensorik und Steuerung hinzu. Die Passagiere merken davon nichts. In unserem Test-Kombi gibt es Platz wie in jedem anderen Leon. Vorn sitzt man bequem, angenehm tief und mit genug Raum in alle Richtungen. Hinten gibt es zumindest auf den äußeren Plätzen genug Luft nach oben und vorn. Zu fünft wird es eng. Das große Panoramadach macht den Innenraum schön hell, kostet aber Kopffreiheit im Fond. Ganz ohne Kompromisse funktioniert Erdgas im Leon dann doch nicht. Der Kofferraum schrumpft. Nicht sofort sichtbar, sondern unter der Bodenplatte. Dort wölbt sich das Bodenblech nach oben und blockiert den Bereich, wo sonst das Reserverad sitzt. Der zweite Kraftstoff kostet 105 Liter Laderaum: Statt 587 lädt der Leon ST nur noch 482 Liter Gepäck ein. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Sonst gibt es wenig zu meckern am Leon-Innenraum. Im unmittelbaren Sichtbereich ist der Kunststoff unterschäumt und fasst sich angenehm an. Tasten und Schalter klicken schön und liegen gut erreichbar. Praktisch: Die Gummierung der (optionalen) Smartphone-Ladeschale hält das Handy richtig fest. Das kann manch teureres Auto nicht so gut. Die Türverkleidungen könnte Seat allerdings liebevoller gestalten. Große Wasserflaschen passen nicht in die Seitenfächer. Und der Ellenbogen mag sich partout nicht mit der Fensterkante anfreunden. Klar, eigentlich sollte er dort nicht liegen. Aber manchmal möchte man es sich einfach gemütlich machen. Das klappt im Leon so nicht. Infotainment | Radio | KonnektivitätIn den Basis-Leon baut Seat gar kein Radio, auch nicht gegen Aufpreis. Die Style-Ausstattung der TGI-Modelle kommt serienmäßig mit einem 5-Zoll-Farbdisplay, USB, Bluetooth und sechs Lautsprechern. Um das Smartphone-Navi mit dem Auto zu verknüpfen, muss es das „Media System Plus“ mit 8-Zoll-Display, CD-Player und acht Lautsprechern für 485 Euro sowie „Full Link“ (190 Euro) mit den wichtigsten Handy-Standards sein. Ein integriertes Navi (ebenfalls 8 Zoll) kostet 215 Euro mehr. Quelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Seat greift auf den Konzern-Baukasten für Infotainmentsysteme zurück, gestaltet die Geräte aber eigenständig. Das große System bekommt echte Knöpfe für Hauptmenü und Handy-Apps sowie einen Drehregler für die Lautstärke. Diese Kombination funktioniert besser als die reinen Touch-Lösungen. Im Seat fehlt allerdings ein Annäherungssensor. Manche Funktionen erscheinen erst nach Antippen des Bildschirms. Ein digitales Cockpit, Internet oder die ganz großen Navis des Konzerns gibt es nicht im Leon. Hier muss sich der Spanier intern unterordnen. Immerhin: Das Display sitzt weit oben im Armaturenbrett und damit gut im Sichtbereich des Fahrers. Assistenzsysteme | SicherheitDer Leon unterstützt und schützt abhängig vom Aufpreis. Seat bündelt die Helfer in vier Pakete. Sie kosten 310 bis 750 Euro. Im besten Fall hält der Leon Spur und Abstand (bis 210 km/h), erkennt Verkehrszeichen sowie Müdigkeit und schaltet das Fernlicht automatisch ab. Empfehlenswerte LED-Lampen kosten 1.220 Euro. Eine Fernlicht-Funktion, die den Gegenverkehr maskiert, ist nicht im Angebot. Serienmäßig gibt es sieben Airbags und zwei Isofix-Verankerungen im Leon Kombi. Schlecht: Eine Gurtwarnung für Beifahrer und Fond kostet Aufpreis. Im Basismodell ist diese Funktion gar nicht verfügbar. Das darf in einem Familienauto nicht sein. Antrieb | Motor | GetriebeQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Der interessanteste Teil des Leon TGI steckt unter seiner Haube. Der 1,4-Liter-Turbobenziner leistet 110 PS, 200 Newtonmeter Drehmoment und läuft mit Benzin oder Erdgas. Der Benzintank fasst wie in anderen Modellen 50 Liter. Hinzu kommen Erdgas-Flaschen für etwa 15 Kilo Kraftstoff. Laut Seat ergibt sich eine Gesamtreichweite von mehr als 1.000 Kilometern. Die interessiert aber wenig – Erdgas-Fahrer wollen schließlich mit Erdgas fahren. Die reine Gas-Reichweite lag in unserem Alltagstest bei mindestens 250 Kilometern. Bei äußerst ungünstigen Bedingungen: Die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt und der Leon fuhr viel Kurzstrecke im Berliner Berufsverkehr. Die Gas-Qualität lag laut Bordcomputer bei 90 Prozent. Für dieses Profil sind etwa 6 Kilogramm CNG pro 100 Kilometer ein sehr guter Wert. Beim Pendeln ins Berliner Umland notieren wir 4,3 kg Durchschnittsverbrauch. Flotte Autobahn-Etappen schafft der Leon mit etwa 5 kg pro 100 km. Bei zügigen Langstrecken tankt man also nach ungefähr 300 Kilometern nach. Im besten Fall nach 370 Kilometern. TGI-Fahrer im Leon-Forum berichten von höheren Reichweiten. Mehr Reichweite wäre schön, zumal sich der Leon problemlos als Langstreckenauto eignet. Hierfür müsste Seat aber Kompromisse streichen. 50 Liter Benzin sind viel zu viel für ein CNG-Fahrzeug. 10 Liter würden reichen, zugunsten weiterer Erdgas-Flaschen. Noch besser: Ein reiner (monovalenter) Erdgas-Motor. Der ließe sich mit einer höheren Verdichtung besser auf das Gas einstellen. Die mögliche Konsequenz: Weniger Verbrauch und mehr Leistung. Die täte dem Gas-Leon ganz gut. Seine Kraft passt zwar im Alltag sehr gut zum Auto. Mit voller Besatzung und viel Gepäck wird er aber träge. Etwas mehr Dampf dürfte zumindest zusätzlich in der Preisliste stehen. Den TGI ordnet Seat den als Spritsparer ein und stimmt ihn zahm bis komfortabel ab. Das Anfahren gelingt dem Doppelkupplungsgetriebe (1.700 Euro) angenehm harmonisch. Der Motor hält sich aber mit seiner Kraft zurück. Unbequem wird es bei laufendem Verbrenner an der Ampel. Da vibriert er stark und schüttelt das ganze Auto. Quelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Den Benzintank konnten wir in unserem Test fast vollständig vernachlässigen. Bei extremer Kälte lief der Motor einige Sekunden auf Sprit, bevor er auf Gas umsprang. Eine längere Gas-Pause (ca. 2 Minuten) legte er nach dem Tanken ein. Die Umschaltung läuft stets automatisch und lässt sich nicht vom Fahrer beeinflussen. Fahrverhalten | Fahrwerk | LenkungDer Leon fährt spitzer, als man es bei der Leistung vermuten würde. Generell stimmt Seat den Kombi etwas komfortabler ab als die kleineren Modelle. Dennoch federt der Leon straff. Unbequem wird er nicht, aber auf schlechten Straßen dämpft er mitunter hölzern. Das ist vermutlich dem höheren Fahrzeuggewicht geschuldet. Seine Lenkung arbeitet schön direkt und gibt ausreichend Rückmeldung. Er lässt sich trotz Kombi-Heck und schwerem Gas-Gepäck agil durch den Verkehr bewegen. Verstellbare Fahrmodi haben wir in unserem Testwagen nicht vermisst. Seat bietet sie nur in den Top-Ausstattungen an. Für TGI-Modelle sind sie nicht verfügbar. Ausstattung | Preis | FazitQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Der Erdgas-Antrieb im Leon senkt die Spritkosten gewaltig. Bei CNG-Preisen von rund 1,05 Euro pro Kilogramm unterbietet er einen Diesel in der gleichen Leistungsklasse locker. Der Leon 1.6 TDI (115 PS) kostet mit gleicher Ausstattung aber 1.050 Euro mehr als der Leon 1.4 TGI. Ein reiner Benziner (1.2 TSI, 110 PS) kostet 2.500 Euro weniger als die Erdgas-Variante. Der Basis-Kombi mit 86 PS kostet laut Liste 16.640 Euro. Realistisch betrachtet ist der aber nicht relevant. Radio, Klimaanlage und Sicherheitssysteme jenseits der nackten Serie sind nicht verfügbar. Einziges Extra ist eine Anhängerkupplung. Das erste kaufbare Modell (Leon ST „Reference“) kostet demnach 19.520 Euro. Der Aufpreis für Erdgas und „Style“-Ausstattung liegt also bei 5.040 Euro. Über das zusätzliche Gewicht und den kleineren Kofferraum des Leon TGI lässt sich in vielen Fällen hinwegsehen. Die geringe Gas-Reichweite hat uns allerdings gestört. Die große Benzin-Reichweite ist hingegen großer Quatsch. Seat sollte sich für das Gas entscheiden und einen besseren Kompromiss finden. Die Erdgas-Tanks im Leon TGI bestehen laut Seat übrigens aus Edelstahl. Eine Gefahr durch rostende Tanks besteht also nicht. Die Kernmarke VW baut ihre Tanks nach Rostproblemen mittlerweile aus Kunststoff. Erdgas stellt für den VW-Konzern eine Brückentechnologie dar. Der Kraftstoff lässt sich synthetisieren. Effektiv sinkt dadurch der CO2-Ausstoß drastisch. In der Gesamtbetrachtung spielt allerdings auch der sogenannte Erdgasschlupf eine Rolle. Gas, das beim Transport entweicht, ist schädlicher für das Klima als CO2. Technische Daten Seat Leon TGI
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