Nach dem ersten Schreck finden sich in Deutschland viele Befürworter eines deutsch-französischen Autokonzerns. Denn bei Einsparungen steht wohl eher England im Fokus.
Rüsselsheim – „Die Opel-Krise“, überschreibt das „Handelsblatt“ seine Berichterstattung über den möglichen Verkauf des deutschen Autobauers an den französischen PSA-Konzern. Eine klassische Titel-Inhalt-Schere. Denn nachdem sich der erste Pulverrauch beim Thema Opel-Verkauf gelegt hat, sehen viele Beteiligte in der Perspektive PSA viel Positives. PSA-Chef Carlos Tavares habe gezeigt, dass er einen Konzern erfolgreich in die schwarzen Zahlen führen könne – und PSA-Manager haben seit Mittwoch aktiv das Gespräch mit den Deutschen gesucht, um Bedenken zu zerstreuen. Die Gewerkschaften wollen sich nun erst einmal die Vorteile einer PSA-Opel-Allianz erklären lassen. Sie seien bereit, mit PSA konstruktive Gespräche zu führen. Die bisherige Zusammenarbeit mit PSA werde von den europäischen Arbeitnehmervertretern positiv gesehen, schreibt der Opel-Gesamtbetriebsrat in einer Erklärung. Zudem würde PSA auch die Verpflichtungen "mitkaufen", die Opel gegenüber den Beschäftigten eingegangen sei. Diese reichten weit über 2020 hinaus. Quelle: dpa/Picture Alliance Die deutsche Politik versteht nach dem ersten Schrecken: Wenn Tavares bei Opel durchregiert, stehen nicht zuerst die deutschen Werke in Frage. Zittern müssen die britischen Standorte Luton und Ellesmere Port. Deren ökonomische Perspektive hat sich durch den Verfall des Pfunds deutlich verschlechtert. Kommen mit dem Brexit noch Handelsschranken hinzu, wird es richtig eng: „Peugeot wird kaum eine andere Wahl haben, als die Vauxhall-Werke zu schließen“, zitiert das Handelsblatt John Cooley von der London Business School. Deutsche kuscheln, Briten in Sorge„Automotive News“ zitiert zwei „Quellen, die PSA nahe stehen“, mit der Aussage, dass man dies in Paris ähnlich sieht. Zwar habe General-Motors-Präsident Dan Ammann dem britischen Wirtschaftsminister Greg Clark gesagt, dass es keine Pläne gebe, die Werke zu schließen. Nur: Was ist Ammanns Wort wert, wenn PSA das Sagen hat? Gegenüber britischen Gewerkschaftern wollte Ammann keine Garantien für die Jobs auf der Insel geben. Luton ist nach Fahrzeugausstoß das kleinste, Ellesmere Port das zweitkleinste Opel-Werk. Schon fordern die Arbeitnehmervertreter Staatshilfen für Vauxhall, um die Werke zu halten. PSA könne dort für den britischen Markt produzieren und so künftige Zollschranken umgehen, so die Hoffnung. Vauxhall beschäftigt 3.500 Arbeiter. Daran hängen rund 23.000 Jobs im Autohandel und 7.000 bei Zulieferern. Deutsche Politiker haben sich nach anfänglich kritischen Tönen auf Kuschelkurs mit PSA begeben. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries sagte, sie gehe davon aus, dass das Geschäft stattfinde. Zuvor hatte sie mit Managern von PSA und GM gesprochen. Sie setzt darauf, dass die Franzosen schon aus politischen Gründen nicht so hart sparen werden, wie GM das vielleicht tun würde. PSA-Chef Tavares hat deutlich gemacht, dass er Opel als deutschen Autobauer erhalten will. Und: „Wir kaufen Opel nicht, um das Unternehmen plattzumachen und französische Autos mit deutschem Namen zu vermarkten“, zitiert das Handelsblatt einen nicht genannten PSA-Offiziellen. Deutsch-französische FreundschaftDie Landespolitik haben die Franzosen in weiten Teilen offenbar überzeugt. Vor allem in Rheinland-Pfalz rollt die Regierung den roten Teppich aus, spricht gar von einem kommenden „europäischen Champion“. „PSA ist uns als Investor willkommen“, sagt der Wirtschaftsminister Volker Wissing. Seine Chefin, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, sagte: „Generell kann man sagen, dass man das nicht so negativ sehen muss, sondern dass sich aus dieser Konstellation auch positive Effekte ergeben können“. So sei PSA in Frankreich und Südeuropa stark vertreten, während Opel in Deutschland, England und Osteuropa seine wichtigsten Absatzmärkte habe. Für den Optimismus der politischen Ebene gibt es starke Argumente, denn die Politik würde absehbar an Einfluss gewinnen, wenn Opel und PSA zusammengehen – und der US-Konzern General Motors (GM) auf weitere Einflussnahme verzichten würde. Auf deutsche Politiker zu hören, gehört nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Amerikaner. Das musste Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits 2009 erleben, als Detroit einen ausgehandelten Verkauf von Opel an Magna platzen ließ. Mit den Franzosen, davon kann man ausgehen, gäbe es engere Verbindungen. Der französische Staat hält 14 Prozent an PSA, beide Staaten teilen im gemeinsamen Wirtschaftsraum gemeinsame Interessen. Paris signalisierte bereits, einen Kahlschlag bei Opel nicht unterstützen zu wollen: „Der Staat wird den Auswirkungen auf die Beschäftigung in allen betroffenen Ländern eine besondere Aufmerksamkeit schenken“, heißt es aus dem französischen Wirtschaftsministerium. General Motors: Profit statt GrößeQuelle: dpa/Picture AllianceFraglich ist, ob General Motors wirklich komplett bei Opel aussteigen will. Der Analyst Efraim Levy von CFRA Research hält das für unwahrscheinlich, denn Opel und GM seien zu eng vernetzt. „Man kann das nicht über Nacht ändern“, sagte er dem „Handelsblatt“. Tatsächlich hat Opel-Chef Karl-Thomas Neumann viel Wert darauf gelegt, die Bedeutung von Opel im globalen GM-Netzwerk zu steigern. Neue Opel-Modelle stehen auf globalen GM-Plattformen. Opel-Werke bauen Autos für Holden und Buick. Chevrolet nutzt Dieselmotoren von Opel. Trotzdem: Nach fast 90 gemeinsamen Jahren scheint General Motors prinzipiell bereit, die deutsche Tochter abzugeben. Bei einem kompletten Verkauf würde GM-Chefin Mary Barra auf die Präsenz in Europa verzichten – und damit den nach China und USA weiterhin größten Markt der Welt aufgeben. Ein schwieriger Schritt, der aber zur Strategie von GM passen würde. Profit steht im Detroiter Renaissance Center heute vor Tradition, Prestige und Größe. Mehr als 9 Milliarden Dollar Verlust seit 2009 machen Opel/Vauxhall da eher zum Ballast. GM zog sich unter Barras Führung bereits aus Thailand und Indonesien zurück, weil die Geschäfte schlecht liefen. In Russland zog sich GM ebenfalls zurück und nahm dafür hohe Abschreibungen in Kauf. 2013 hatte GM außerdem die Produktion in Australien aufgegeben. Das Manager-Magazin berichtet: Mary Barras Ziel sei es, Opel zu verkaufen. PSA dagegen könne sich auch eine „Vertiefung der bereits bestehenden Kooperation“ vorstellen. Dem Wirtschaftsmagazin zufolge will Barra PSA anbieten, künftig in Europa GM-Plattformen nutzen zu dürfen, inklusive der Elektro-Plattform des Opel Ampera-e. Dafür könne PSA eine Lizenzgebühr zahlen. An der Börse gibt es für Barras harten Kurs durchaus Beifall. Während Gewerkschafter und Politiker sich um Opel-Jobs sorgen, sagt etwa Barclays-Experte Brian Johnson: „GM trifft smarte Entscheidungen. Wenn Du Geld mit Autos verlierst, hör auf sie zu bauen“. Das wollen Opel und die deutsche Politik nicht. Und PSA könnte genau diese Chance eröffnen. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann hält ein Zusammengehen mit dem französischen PSA-Konzern für "prinzipiell sinnvoll". Man setze alles daran, die Zukunft von Opel nachhaltig zu gestalten, schrieb der Manager am Freitag auf Twitter. Er habe großes Verständnis für die vielen Fragen der Kunden und Mitarbeiter. Nach bislang unbestätigten Informationen des "Manager Magazins" soll Neumann im Fall einer Übernahme Chef eines weiterhin eigenständigen Unternehmens Opel bleiben. "Hier eröffnet sich die Chance, einen europäischen Champion zu schaffen und nach 88 Jahren Zugehörigkeit zu GM ein neues erfolgreiches Kapitel unserer Geschichte aufzuschlagen", schrieb Neumann in einem Brief an die Mitarbeiter. Weiterlesen: GM lässt bereits Verträge ausarbeiten Quelle: Handelsblatt; Automotive News; dpa |