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Dashcam (Auto-Kamera): Legalität, Beweismittel vor Gericht - Die Auto-Kamera steht vor Gericht

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In diesem Verfahren geht es nur oberflächlich um Blechschaden. Der Bundesgerichtshof verhandelt über Dashcam-Videos als Beweismittel. Er wird ein Grundsatzurteil fällen.

Karlsruhe – Zwei Autos begegnen sich an einer Kreuzung in Magdeburg. Es kracht. Beide Fahrer beteuern vor Gericht ihre Unschuld, einer meint, sie beweisen zu können: Mit einer Aufnahme seiner Dashcam. Nur: Ist das Video der Frontscheibenkamera überhaupt zulässig? Der Bundesgerichtshof klärt das aktuell. Seit Dienstag tagt das höchste deutsche Zivilgericht (VI ZR 233/17), ein Urteil fällt frühestens Mitte Mai.

Juristen erwarten eine Grundsatzentscheidung zum Videobeweis. Bislang war die Rechtslage in Deutschland dazu diffus, die Haltung der Gerichte zu Autokamera-Aufnahmen als Beweismittel höchst unterschiedlich.

Was die Frage der Akzeptanz so komplex macht? „Es stehen sich zwei Rechtsideen gegenüber: Datenschutz und Beweissicherung“, erklärt DAV-Verkehrsjurist Andreas Krämer. Laut ADAC sind Videoaufnahmen im Straßenverkehr grundsätzlich gestattet, ihre Nutzung allerdings nur im privaten Bereich. Zumindest dann, wenn andere Verkehrsteilnehmer zu sehen sind. Wir sprechen etwa von Fahrten durch schöne Landschaften, die der Pilot noch einmal vor dem Fernseher erleben will. Landet die Aufnahme auf Youtube, kann das aus datenrechtlicher Sicht ein Problem werden. Bis zu 300 Euro Bußgeld sind denkbar.

Die Weitergabe der Aufnahmen an Behörden und Gerichte liegt irgendwo zwischen Heimkino und Online-Veröffentlichung. Das Interessante: Selbst eine Aufnahme, die im Prinzip als unzulässig gewertet und mit Bußgeld belegt wird, kann vor Gericht unter Umständen trotzdem als Beweismittel herangezogen werden.

Wenn eine Straftat nachgewiesen werden soll

In strafrechtlichen Fällen ließen deutsche Gerichte Dashcam-Aufnahmen bereits seit 2015 unter bestimmten Voraussetzungen zu. Das Amtsgericht Nienburg berücksichtigte 2015 den Videobeweis eines zu dicht auffahrenden Angeklagten (Az: 4 DS 520 Js 39473/14 (155/14). Begründung: Die Kamera wurde erst während des Vorfalls aktiviert.

Mitschnitte aus dauerhaft laufenden Cams sind weniger gern gesehen. „Wir wollen keine Überwachung der Bürger durch den Bürger“, begründet Polizei-Gewerkschaftschef Oliver Malchow. Und denkt womöglich an einen als „Knöllchen-Horst“ bekannt gewordenen Frührentner aus dem Harz. Er machte mit der Dashcam Jagd auf angebliche Verkehrssünder zeigte Zehntausende an. Nun droht ihm Filmverbot.

Wenn es gekracht hat

Der seit Dienstag vor dem Bundesgerichtshof verhandelte Fall ist anders. Der Besitzer der Dashcam will das Video zur Beweisführung nutzen, seine Unschuld an einem harmlosen Unfall belegen. Die in vorigen Instanzen zuständigen Magdeburger Gerichte wollten die Aufnahmen nicht sehen, die Karlsruher Richter könnten durchaus anders entscheiden.

Ein roter Faden war in den Sichtweisen deutscher Gerichte bisher nicht erkennbar: Das Landesgericht Heilbronn etwa entschied 2015 (Az.: I 3 S 19/14), dass mittels einer Dashcam angefertigten Aufnahmen im Zivilprozess nicht als Beweismittel für den Unfallhergang gelten. Das Landgericht München I sah eine Verwertung der Aufnahmen im Zivilprozess als möglich an. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Juristen erwarten durch das für 15. Mai angekündigte Urteil mehr rechtliche Klarheit. Die wünschenswerte Lösung aus Sicht der Experten: Videos sollten „anlassbezogen“ zulässig sein - etwa bei schweren Verstößen oder einem Unfall. Missbrauch, wie eine Veröffentlichung im Internet, sollte hingegen weiterhin bestraft werden. „Damit wären gleichzeitig die Interessen an der Unfallaufklärung als auch am Datenschutz erfüllt“, meint Anwalt Krämer.

Freiwillige Sheriffs und unfreiwillige Kinohelden

Unsere Empfehlung anhand bisheriger Begründungen und Urteile der Gerichte: Erst einschalten, wenn ein Grund besteht. Und generell lieber nicht, um Hilfssheriff der lokalen Polizeidienststelle zu spielen. Oder einen Onlinepranger zu errichten.

Außerdem Achtung bei der Fahrt über die Grenze. Nicht in jedem Land ist die Kamera an der Windschutzscheibe gestattet. In Belgien, Luxemburg, Portugal und der Schweiz rät der ADAC von der Nutzung ab. In Frankreich sollen die Ordnungshüter besonders auf etwaige Sichtbehinderungen durch die Cam und ihre Halterung achten. In Österreich sei eine Genehmigung notwendig. In Dänemark und den Niederlande gäbe es keine Probleme.

In Thailand wiederum geht man ganz entspannt mit dem Datenschutz um. Dort hat die Polizei zusammen mit einer Zeitung einen Videowettbewerb für die besten Unfallvideos ausgelobt. Die Aufnahmen sollen bei der Jagd nach Verkehrssündern helfen. Die Gewinnerin der Kampagne "Freiwillige Augen" bekam umgerechnet etwa 520 Euro für ein Video.

Hartnäckig hält sich das Gerücht einer verpflichtenden Dashcam bei Fahrten in Russland. Tatsächlich ist die Kamera dort kein Muss, doch weit verbreitet. Unter anderem, weil dortige Gerichte die Aufnahmen höher bewerten sollen als die Aussagen der Beteiligten. Auf Youtube finden sich viele Clips mit (beinahe-)Unfällen und bizarren Situationen auf russischen Straßen. Und nicht nur dort: Es gab sogar einen Kinofilm aus unzähligen Sequenzen. Titel: "The Road Movie".

Trailer zum Dashcam-Kinofilm "The Raod Movie"

Quelle: Mit Material von dpa

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