Seit Tagen geistert die Idee durch das Netz, Anwälte könnten alle Blitzer in Deutschland lahm legen? Ob das stimmt, klärt für Euch MOTOR-TALK.
Goslar – Es droht Anarchie auf deutschen Straßen. Zumindest in der Theorie. Johann-Markus Hans von der Deutschen Hochschule der Polizei hat eine Gesetzeslücke entdeckt: Stellt ein vermeintlicher Verkehrssünder die Funktion einer Blitzanlage vor Gericht in Frage, sei rechtlich nicht eindeutig geklärt, ob den Anwälten und Gerichten die Original-Bedienungsanleitung des betreffenden Blitzers vorgelegt werden muss. Was nach rechtlicher Haarspalterei klingt, könnte praktische Folgen haben. Muss das Original zum Gericht, haben die Mess-Beamten keinen Zugriff mehr darauf. Laut Johann-Markus Hans brauchen sie das Papier aber, um den Blitzer bedienen zu dürfen. Die Folge wäre klar. Wenn genug Anwälte genügend Blitzer-Anleitungen anfordern würden, dann könnte nicht mehr, oder zumindest weit weniger geblitzt werden. Ohne Anleitung sei der Aufbau dieser komplexen Geräte nicht mehr möglich, sagt zumindest Polizeidirektor Hans. Und wer jetzt sagt: „Sollen die sich doch ‘ne Kopie machen!“, der denkt viel zu praktisch. Quelle: dapd "Wir dürfen selbst keine Kopien anfertigen, weil die Anleitungen urheberrechtlich geschützt sind", erläutert Hans. Allianz der findigen Anwälte"Findige Rechtsanwälte könnten praktisch über Nacht die komplette Geschwindigkeitsüberwachung lahmlegen", vermutet Johann-Markus Hans. Sie müssten schließlich nur alle Blitzer-Bedienungsanleitungen einfordern. Das Szenario mag man für reizvoll oder brandgefährlich halten. Vor allem klingt es unrealistisch. MOTOR-TALK sprach deswegen mit Philip Leichthammer, Anwalt für Verkehrsrecht und Spezialist für Bußgeldsachen. Er bestätigte, dass noch nicht eindeutig geklärt sei, ob die Bedienungsanleitung eines Messgerätes überhaupt Aktenbestandteil ist. Er bestätigte uns ebenfalls: „Maßgeblich für ordnungsgemäßen Messbetrieb sind vor Gericht Aufstellung, Inbetriebnahme und Bedienung einer Messanlage strikt nach der Bedienungsanleitung des Herstellers und der einschlägigen Richtlinie des Bundeslandes für die Geschwindigkeitsüberwachung.“ Also doch!Könnte das Licht der deutschen Blitzer also tatsächlich über Nacht erlöschen? Anwalt Leichthammer erklärt: „Wenn der Messbeamte dies [den beschriebenen ordnungsgemäßen Messbetrieb] vor Gericht versichert, glauben die meisten Richter das blind. Ob der Messbeamte damals die Gebrauchsanleitung dabei hatte, interessiert den Richter meist nicht.“ Was Leichthammer sagt, wiegt schwerer als alle Theorie. In der Praxis wird es also kaum dazu kommen, dass alle oder auch nur viele Blitzer zeitweilig außer Dienst gestellt werden. Sollte sich so eine Situation trotzdem einmal anbahnen, hat MOTOR-TALK einen Vorschlag: Lieber Herr Hans, einfach mal bei den Herstellern der Messgeräte anrufen. Die statten die Polizei sicher mit ein paar Kopien ihrer Bedienungsanleitungen aus.
Quelle: MOTOR-TALK |