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Interview mit TU-Professor Roland Baar zu Motoren - Die Lösung für saubere Städte lautet "Abwarten"

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Fast alle scheinen gegen den Diesel zu sein. Einer, der sich damit auskennt, ist dafür. Professor Roland Baar von der TU Berlin erklärt im Interview mit MOTOR-TALK, warum er die Diskussion für hysterisch hält.

Wir sprachen mit Professor Roland Baar über Diesel, Benziner und die Zukunft des Verbrennungsmotors Wir sprachen mit Professor Roland Baar über Diesel, Benziner und die Zukunft des Verbrennungsmotors Quelle: dpa / Picture Alliance & Technische Universität Berlin

Berlin - Hat der Diesel noch eine Daseinsberechtigung? Lohnt sich eine Nachrüstung und wer muss das bezahlen? Wir sprachen mit Professor Roland Baar von der TU Berlin, Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen, über die aktuelle Diesel-Debatte, Stickoxide und saubere Innenstädte.

MT: Herr Professor Baar, hat der Dieselmotor noch seine Berechtigung?

Natürlich hat er das. Moderne Dieselmotoren sind sehr sauber und sparsam. Diese Antriebstechnologie ist derzeit überhaupt nicht wegzudenken, ganz gleich, ob für Pkw oder Lkw.

MT: Was ist für Sie der umweltfreundlichste Antrieb?

Das kann ich so nicht sagen. Nach heutigem Stand der Technik sind Verbrennungsmotoren mit Dieselkraftstoff oder Gas sehr sauber. Gas hat den Vorteil, dass der Wasserstoffanteil höher liegt, daher ist der CO2-Ausstoß kleiner. Dafür besitzt der Diesel einen höheren Wirkungsgrad. Elektroantriebe bieten zwar ein lokal emissionsfreies Fahren, ihre CO2-Gesamtbilanz ist aber schlechter. Bei der Produktion von Batterien fällt viel CO2 an und unser Strom kommt noch zu wenig aus regenerativen Energiequellen. Das verhagelt die Bilanz.

MT: Welche Probleme haben Dieselmotoren? Welche Benziner?

Die Hauptkritik bei Verbrennungsmotoren richtet sich nicht gegen die Motoren, sondern den fossilen Kraftstoff. Dessen Vorteil liegt in der hohen Energiedichte, der Nachteil darin, dass der gespeicherte Kohlenwasserstoff bei der Verbrennung CO2 erzeugt. Wir müssten einen anderen, neuen Energiespeicher finden und einsetzen, wie beispielsweise einen synthetischen Kraftstoff.

Benzinmotoren ohne Ottopartikelfilter bekommen künftig Schwierigkeiten mit Rußemissionen, sagt Professor Baar im Interview Benzinmotoren ohne Ottopartikelfilter bekommen künftig Schwierigkeiten mit Rußemissionen, sagt Professor Baar im Interview Quelle: dpa / Picture Alliance Batterien, die derzeit noch Strom aus Braunkohlewerken beziehen, müssen künftig über andere Quellen gespeist werden. Die überschüssige Windenergie muss gespeichert werden können. Eine Wandlung durch chemische Prozesse wäre ein guter Ansatz. Dann ließe sich diese grüne Energie auch weitergeben, wie beispielsweise zur Produktion synthetischer Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren oder von Wasserstoff für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle.

MT: Sind Diesel mit aktueller Norm wirklich schädlicher als Benziner (6d-temp)?

Das sehe ich nicht. Aktuelle Dieselmotoren arbeiten sehr sauber. Künftig werden Ottomotoren ein Problem mit Rußemissionen bekommen, wenn sie keinen Ottopartikelfilter einsetzen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man jetzt, wo der Dieselmotor endlich sehr sauber ist, ihn wieder abschaffen will. Die modernen Dieselmotoren sind nicht gesundheitsschädlich.

MT: Welche Motoren lassen sich mit einem SCR-Kat nachrüsten?

Motoren mit Euro 5 lassen sich technisch gesehen mit einem SCR-System nachrüsten. Aber der Aufwand ist sehr groß. Es wird nicht nur der Kat getauscht und ein zusätzlicher Tank installiert, es muss der Oxidationskatalysator getauscht, beheizte Leitungen gelegt und die ganze Software angepasst werden. Das ist ein massiver Eingriff. Bei Euro-4-Motoren würde das nicht mehr funktionieren. Ältere Autos werden sauber, indem man sie vom Markt nimmt und durch neue ersetzt.

MT: Ist eine Nachrüstung überhaupt sinnvoll?

Eine Nachrüstung ist bei manchen Fahrzeugen technisch möglich. Ob sie sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Bei einer Nachrüstung soll der Motor weniger Schadstoffe ausstoßen, trotzdem nicht mehr verbrauchen und mehr CO2 ausstoßen. Zudem muss er bei allen Temperaturen und Belastungen sicher und zuverlässig laufen. Das sind alles Eigenschaften, die über Jahre entwickelt werden. Und so schmutzig arbeiten die aktuellen Fahrzeuge ab Euro 5 wirklich nicht, dass sich der Aufwand lohnt. Besitzern von Euro-5-Diesel-Fahrzeugen kann ich deshalb nur raten: Ruhe bewahren, weiterfahren und abwarten, wie die Politik reagiert.

MT: Wer muss denn nachbessern?

Ich bin natürlich der Meinung, dass der Hersteller auf jeden Fall nachbessern muss, wenn er betrogen hat. (Anm. d. Red.: Nach aktuellem Stand wurde nur dem VW-Konzern Betrug nachgewiesen.) Aber wenn das Auto der damaligen Gesetzgebung Genüge leistete, dann ist das Fahrzeug auch nicht illegal. Diese Fahrzeuge aus Städten zu verbannen, gleicht einer Zwangsenteignung. Diese Umrüstung muss ja auch jemand bezahlen.

Elektroautos fahren lokal emmissionsfrei. Doch solange der benötigte Strom für die Fahrzeuge nicht aus regenerativen Quellen kommt, verlagert sich der CO2-Ausstoß lediglich Elektroautos fahren lokal emmissionsfrei. Doch solange der benötigte Strom für die Fahrzeuge nicht aus regenerativen Quellen kommt, verlagert sich der CO2-Ausstoß lediglich Quelle: dpa / Picture Alliance MT: Hat sich die Stickoxidbelastung in den letzten Jahren verringert?

Die Gesamtbelastung in den Städten hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. In der Diskussion stehen aber nicht komplette Städte, sondern nur einzelne Straßen. Es gibt zudem keine Studie, welche die Wirkung von Stickoxid einzeln untersucht hat. In der untersuchten Luft stecken immer auch andere Schadstoffe wie Feinstaub beziehungsweise Ruß oder eine Mischung als allem. Es ist also nicht klar, ob Stickoxide einzeln so gefährlich sind, wie viele behaupten. Ich halte die Diskussion deshalb für hysterisch, die Bedeutung der Stickoxide wird völlig überschätzt. Ebenso wie der Einsatz von Elektrofahrzeugen. Solange unser Strom nicht aus regenerativen Energien stammt, wird der CO2-Ausstoß nur verlagert – aber nicht verringert.

MT: Wird es in zehn Jahren noch Verbrennungsmotoren geben?

Auf jeden Fall, ja, sogar noch in 50 Jahren wird es Verbrennungsmotoren auf der Straße geben. Ich halte die derzeitige Diskussion auch für völlig ungeeignet. Man kann nicht von heute auf morgen die ganze Mobilität umstellen. Vor allem dann nicht, wenn es keine richtigen Alternativen gibt. Dazu zählen nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Infrastruktur, ganz gleich, ob für Elektromobilität oder Brennstoffzelle. Den Verbrennungsmotor in Autos wird es deshalb noch lange geben – aber auch mehr Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Diese Entwicklung schreitet schnell voran.

MT: Was für ein Auto fahren Sie, mit welchem Motor?

Derzeit fahre ich einen Audi A6 mit einem Dieselmotor mit SCR-Technik und tanke Harnstoff. Das funktioniert einwandfrei. Wenn ich mir jetzt ein neues Auto kaufen müsste, wäre das vielleicht ein Erdgasauto. Methan gehört die Zukunft. Es ist in Form von synthetischen Prozessen einfach herzustellen und sehr sauber. Nur leider gibt es bei mir in der Nähe keine Erdgastankstelle, die Infrastruktur ist dafür zu schlecht.

MT: Würden Sie Ihren Bekannten raten, sich einen Diesel zu kaufen?

Messtationen untersuchen die Qualität der Luft, die nicht nur Stickoxide enthält, sondern auch immer Staub und andere Schadstoffe Messtationen untersuchen die Qualität der Luft, die nicht nur Stickoxide enthält, sondern auch immer Staub und andere Schadstoffe Quelle: dpa / Picture Alliance Das hängt immer von den individuellen Fahrbedürfnissen ab, von der Strecke, dem Einsatz. Elektrofahrzeuge sind in der Stadt auf kurzen Strecken sinnvoll, Langstreckenfahrer setzen besser weiterhin auf Dieselantriebe. Wahrscheinlich sollten wir uns von dem Ansatz verabschieden, dass es ein Fahrzeug für alle Zwecke gibt. Dieses Einheitsauto hat ausgedient, vielmehr wird es verschiedene Fahrzeuge für verschiedene Zwecke geben. Vielleicht ein kleines Elektroauto für die Stadt. Oder auch einen Elektro-Transporter wie den Streetscooter der Deutschen Post. Es kommt immer auf die Anwendung an.

MT: Welche Lösungsvorschläge haben Sie für saubere Städte?

Meiner Meinung nach reguliert sich der Fahrzeugaustausch von selbst. Alte Autos werden aussortiert und durch neuere, noch sauberere Fahrzeuge ersetzt. Mit mehr Elektro- oder Hybridfahrzeugen werden in Städten lokale Emissionen reduziert. Aber ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, Autoverkehr in Städten komplett zu verbieten. Irgendwie müssen die Menschen in die Städte fahren. Und der öffentliche Nahverkehr ist bei weitem nicht so gut ausgebaut, dass er alle bisher anderen Verkehrsteilnehmer aufnehmen kann.

MT: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Dr.-Ing. Roland Baar ist seit 2011 Professor für das Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen an der Technischen Universität Berlin. Davor arbeitete er unter anderem für den Zulieferer VoithTurbo und Volkswagen. Seine Dissertation schrieb er über „Die Untersuchungen zu Beschleunigungsvorgängen von Partikeln in Düsen und Strahlen“. Mit Professor Baar sprach MOTOR-TALK über die Zukunft von Verbrennungsmotoren.

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