Ganz gleich, in welcher Ecke man Anfang der 80er-Jahre auftaucht, die BMW G/S ist schon dort. Wir fuhren das unverwüstliche Zweirad.
München - Groß, schwer und viel zu fett. Enduros haben einen Zylinder, mächtig Dampf. Maschinen für echte Kerle mit Bart und Schnäuzer, die gerne ein paar Spritzer Schlamm im Gesicht haben – so ein Vorurteil unter Motorradfahrern Ende der Siebziger. Dann kommt die BMW G/S und stellt die Biker-Szene auf den Kopf. In der mittlerweile siebten Generation gilt das Zweirad als das erfolgreichste Motorrad der Welt. Damit hat selbst BMW bei der Einführung nicht gerechnet. Enduro für AbenteurerVollgetankt wiegt der Oldie 192 Kilogramm. Doch mit der niedrigen Sitzhöhe, der schmalen Sitzbank und dem spartanischen Cockpit kann man die G/S einfach handeln. Im Vergleich zum aktuellen Modell mit 238 Kilogramm Leergewicht wirkt die G/S wie ein Mofa: schmal, tief, handlich. Der große Tacho beschlägt ab Werksauslieferung, dazu gibt es fünf Funzel-Kontrolllampen. Wüstenfüchse greifen ins Zübehörregal und montieren Handprotektoren, Sturzbügel, 35-Liter-Fass und Koffersystem. So wird G/S so zum Expeditionsfahrzeug. Erst 1984 reagiert BMW mit dem Sondermodell G/S Dakar inklusive großem Tank, Einzelsitzbank, Gepäckbrücke und Rallye-Optik. Die kleine 260 Millimeter Scheibenbremse vorne benötigt etwas Zeit, ehe sie sich entschließt zuzupacken. Und das auch nur widerwillig. Von der hinteren Trommelbremse darf man außer einem leichten Krächzen nicht viel erwarten. Wer vorausschauend unterwegs ist, stört sich daran nicht. Das sind anscheinend einige: Bis zum Modellwechsel 1987 greifen über 20.000 Kunden beherzt an den Lenker. Ein Motorrad fürs GrobeDass BMW bei den SUVs der Motorräder den Kotflügel vorne hat, ist Zufall. Die Bayern haben 1979 bei ihrer Motorradsparte eine Absatzkrise, neue Ideen müssen her. Eine davon ist der Umbau eines Geländesportmaschinen-Prototypen zu einer Straßenmaschine, der aber auch noch fürs leichte Gelände taugen soll. Denn die schon bei anderen BMW-Straßenmodellen seit 1955 eingesetzte Einarmschwinge „Monolever“ stemmt mit Vehemenz das Heck nach oben. Schuld ist das Federbein, das sich gegen den Rahmen abstützt. „Fahrstuhl-Effekt“ nennen das Fans, alle anderen, nach dem Motorradjournalist Ernst Leverkus, dagegen „Gummikuh“ (weil sich eine Kuh mit dem Hintern zuerst anhebt). Dass man mit der schweren Enduro auch schnell sein kann, beweisen die Rallye Paris-Dakar-Siege von 1981, 1983, 1984 und 1985. Damit festigt sich der Zweiventiler den Ruf als Unverwüstliche. Ganz gleich, ob Schlammspritzer im Gesicht oder nicht.
Quelle: Fabian Hoberg |
