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Ciccio: Der Schuhmacher der Rennfahrer - Die Sohlen der Weltmeister

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Wir alle kennen Rennfahrer – sie alle kennen "Ciccio" Liberto. Jahrzehntelang fertigte der Schuster aus Sizilien die Schuhe der schnellsten Männer der Welt. Ein Besuch.

Francesco Liberto, gennant Ciccio, war viele Jahre der Schuhmacher der Weltmeister Francesco Liberto, gennant Ciccio, war viele Jahre der Schuhmacher der Weltmeister Quelle: press-inform

Cefalù/Italien - Cefalù ist exakt das, was man sich unter einem sizilianischen Badeort vorstellt. Lange Sandstrände, verwinkelte Gassen, kleine Häuschen aus beigem Stein mit Wäscheleinen voller Kleidung. Die Hauptattraktionen sind ein 270 Meter hoher Kalkfelsen namens "Rocca di Cefalù“ und eine Normannen-Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert. In dem ehemaligen Fischerdorf, gut eine Autostunde von Palermo, kennt jeder jeden. Aber nur wenige die weite Welt da draußen. Uninteressant. Denn einer von ihnen brachte dien Ruhm der schnellsten Männer der Welt nach Cefalù.

Wenn der kleine Mann mit leicht tippelndem Gang die Straßen entlang flaniert, schalt es fast aus jeder Ecke "Ciao Ciccio". Es folgt die herzliche Umarmung, wie sie auf der Mittelmeer-Insel üblich ist. „Ciccio“ heißt eigentlich Francesco Liberto und ist Schuster. Sein kleiner Laden liegt direkt an der Strandpromenade.

Ciccios Laden ist ein heilloses Durcheinander - seine Kunst gehört dennoch zum UNESCO-Kulturerbe Siziliens Ciccios Laden ist ein heilloses Durcheinander - seine Kunst gehört dennoch zum UNESCO-Kulturerbe Siziliens Quelle: press-inform

Als die Scuderia anrief

Von außen gleicht das Geschäft einer typischen mediterranen Verkaufsecke - Tür, Fenster, fertig. Das Innere ist eine Mischung aus Messi-Wohnung, Bildergalerie und Werkstatt. Überall liegen Schuhmacher-Leisten, Formen und Lederstücke. Dazwischen Schuhe in allen erdenklichen Farbkombinationen: kunterbunt, weiß und beige. Durcheinander, heillos aufeinandergestapelt auf Schuhkartons. Wühltisch-Atmosphäre. Einige sind normale Straßenschuhe, aber die meisten filigrane Leder-Exemplare mit einer dünnen Sohle und einer Sechs-Ösen-Schnürung. Rennfahrer-Schuhe, die aussehen, als würden sie am besten an zarte Frauenfüße passen. Aber in den wilden 60ern und 70ern von Männern getragen wurden, die dem Tod ins Auge spuckten.

Mitten im Raum steht Ciccio. Sobald man seinen Laden betritt, verwandelt sich sein Schmunzeln in ein Lachen. "Als ich 1975 einen Anruf von Ferrari bekam, war ich wie vom Donner gerührt. Ich sollte doch tatsächlich Schuhe für die Scuderia machen", erzählt er mit ehrfürchtig bebender Stimme. Dann präsentiert er einen seiner Schätze. Ein schlichter schwarzer Leder-Rennschuh: "Niki Lauda hat 1977 mit diesem Modell die Weltmeisterschaft gewonnen".

Targa-Gewinner "Gijs“ van Lennep und Ciccio in seinem Laden auf Sizilien Targa-Gewinner "Gijs“ van Lennep und Ciccio in seinem Laden auf Sizilien Quelle: press-inform

Laudas Leisten

Anders als sein Rivale James Hunt, der die Spitzen seiner Schuhe einfach abschnitt, schwor der österreichische Perfektionist Lauda, auf die sizilianische Maßanfertigung. Und auf das Gefühl, das sie seinen Sohlen zum Bremsen und Gasgeben verlieh. "Ich habe Niki Lauda damals nicht persönlich getroffen", bedauert Ciccio. Stattdessen ließ er sich eine Zeichnung von den Füßen des Ferrari-Piloten schicken und fertigte das Schuhwerk nach diesem Muster. Noch heute findet sich der Leisten, den Ciccio 1975 für Niki Lauda maßgefertigt hat im Laden.

Immerhin, Lauda bedankte sich wie viele andere mit einem Autogramm: "To Ciccio di Cefalu" steht da in krakeliger Handschrift. Die Wände des Ladens sind gefüllt mit Fotos, die die Formel-1-Stars mit seinen Schuhen zeigen. Clay Regazzoni, Jacky Ickx und auch Sebastian Vettel. "Für Herrn Cicco. Danke für die Schuhe!", bedankt sich der Jungspund artig. Cicco – ohne zweites "i". Es sei ihm verziehen, auch viermalige Formel-1-Weltmeister machen Fehler.

„Ich habe die Rennschuhe erfunden“

Francesco Liberto ist heute 80 Jahre alt, aber wie das ist, wenn man jung ist, weiß er noch. Natürlich hat die Mama ihn zum Beruf des Schusters gebracht. Er solle etwas Anständiges lernen, um zu überleben, beschied sie ihm. Damals kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war das Leben auf Sizilien hart.

Ciccio half bei einem Schuster aus und fand Gefallen an dem Handwerk. Doch seine wahre Leidenschaft das waren die Autorennen. Zwei Jahrzehnte nach dem Krieg ging es Sizilien besser als heute. Jedes Jahr trafen sich die besten Fahrer der Welt zum legendären Langstrecken-Rennen "Targa Florio". Höllenlärm auf öffentlichen Straßen, zwischen herumlaufenden Hühnern und Menschen. Eine Runde 72 Kilometer lang. Das vielleicht härteste Rennen, das es jemals gab.

Bei seinen Streifzügen um die Boliden traf Ciccio Mitte der 1960er-Jahre die bekannten italienischen Rennfahrer Nanni Galli und Ignazio Giunti. Als er von seinem Beruf erzählte, wollte Giunti ein Paar Rennschuhe. "Ich hatte keine Ahnung, wie ich die machen sollte", lacht Ciccio heute. Er machte sich an die Arbeit und brachte dem Piloten wenige Tage später die Schuhe. Giunti war hellauf begeistert und so fing der Siegeszug der Latschen mit den dünnen Sohlen an. "Früher haben die Piloten Schuhe mit Absätzen getragen. Ich habe die Rennschuhe erfunden", strahlt der Sizilianer noch heute.

Ciccio fertigte von jedem Rennfahrer-Fuß eine Skizze an Ciccio fertigte von jedem Rennfahrer-Fuß eine Skizze an Quelle: press-inform

Als die Targa starb

Ciccio hatte seine Sache gefunden. Immer wieder kam er in die Restaurants, in denen sich die Fahrer trafen, und bot ihnen an, Maßschuhe zu fertigen. Die Lenkrad-Künstler gingen gerne darauf ein. Ciccio hatte stets ein Blatt Papier dabei und malte die Umrisse der Füße.

Der Engländer Vic Elford war Ciccios persönliche Targa Florio. Elford war nach einem Unfall als Kind eine Zehe des linken Fußes amputiert worden. Ciccio nahm Maß, hämmerte, nähte und schnitt die ganze Nacht durch und brachte dem Engländer die Schuhe. Der stieg in seinen Porsche 907 und fuhr 1968 die gesamte Konkurrenz in Grund und Boden. Neun Jahre später war Schluss für die Targa – zu gefährlich, zu viele Unfälle. Für Sizilien und die Menschen in den kleinen Dörfern an der Strecke starb damals mehr als eine Veranstaltung.

Auch Ciccios aktive Zeit endete einige Jahre später, als die FIA feuerfeste Rennschuhe vorschrieb. Aber noch heute sitzt Ciccio in seiner kleinen Werkstatt im Herzen Cefalùs und fertigt seine legendären Schuhe. Nun bietet er neben seinen Klassikern auch Gürtel und konventionelle Schuhe an. Seine berühmten Rennschuhe macht er nur noch für spezielle Kunden. Oder für Hollywood-Spektakel wie das Rennfahrer-Epos "Rush". Wie viel die Schuhe eigentlich kosten, weiß keiner. Der Preis ist Verhandlungssache - für Rennfahrerfreunde sind die Schuhe aber heute umsonst.

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