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Statistik: Modellvielfalt in der Autobranche - Die Zahl der Modelle wächst, der Absatz nicht

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Noch nie gab es beim Autokauf so viel Auswahl: In den vergangenen 24 Jahren hat sich die Zahl der angebotenen Fahrzeugmodelle vervierfacht. Der Absatz blieb fast gleich.

Es gibt stetig mehr Fahrzeugmodelle, die Kunden verwirrt das Es gibt stetig mehr Fahrzeugmodelle, die Kunden verwirrt das Quelle: Israel Sundseth via Unsplash.com

München/Genf - Vor 25 Jahren passte die Autowelt beinahe in ein Autoquartett: Damals gab es 101 verschiedene Fahrzeug-Varianten. Im Jahr 2014 boten die Hersteller 453 verschiedene Fahrzeugmodelle (inklusive Karosserievarianten) an. Das hat die Unternehmensberatung Progenium gezählt. Mehr Autos verkaufen die Autobauer dadurch allerdings nicht.

Neue Formen, neue Segmente

"In gewisser Weise stecken die Hersteller in einem Dilemma", sagt Progenium-Chef Michael Mandat. "Niemand kann und will einzelne Marktsegmente dem Wettbewerb überlassen, gleichzeitig vernichtet die hohe Komplexität jedoch auch Wert und eine klare Positionierung."

Die Zahl der Modelle wächst ständig: Mercedes beispielsweise bot im Jahr 1990 sechs Karosserieformen an. Heute sind es elf. VW bietet ebenfalls Autos in elf Karosserieformen an, bei BMW sind es neun. Parallel dazu dringen die Hersteller in neue Segmente vor: Mercedes bot 1990 Autos in drei Segmenten an, heute sind es sechs.

BMW wagte sich mit dem Active Tourer sogar in ein Segment, das für die sportlichen Münchner lange undenkbar war. In Genf zeigen die Bayern den Van in einer siebensitzigen Variante.

VW: Mehr Außenspiegel als Modelle

Trotz vieler neuer Modelle wächst der Absatz kaum. Die Hersteller betreiben aber größeren Aufwand Trotz vieler neuer Modelle wächst der Absatz kaum. Die Hersteller betreiben aber größeren Aufwand Quelle: PROGENIUM Während die Zahl der Varianten stetig wächst, schrumpfen die Absatzzahlen der einzelnen Versionen. Zudem könne die große Auswahl die Autokäufer überfordern und die Marken schwächen, sagt Progenium. Und das liegt nicht nur an den Karosserievarianten, sondern auch an der Vielzahl an Ausstattungsmöglichkeiten.

1990 konnte der Käufer einer BMW 3er Limousine 70 verschiedene Extras bestellen. 2014 waren es 215. Bei VW etwa gibt es heute mehr Außenspiegel-Varianten als Modelle. In diese Zählung flossen unterschiedliche Farben sowie Zusatzfunktionen wie Heizung oder automatisches Einklappen ein. Das zu steuern, zu entwickeln oder zu liefern ist hochkomplex. Der Konzern verkauft immerhin mehr als zehn Millionen Autos im Jahr.

Diese Vielfalt hat auf dem deutschen Markt allerdings nicht für einen steigenden Absatz gesorgt. Im Gegenteil: Die Zahl der Neuzulassungen ging von 1990 bis 2014 in Deutschland um rund drei Prozent zurück. International kommt die Modellvielfalt hingegen an.

Peugeot Citroën will jedes zweite Modell streichen

Modellplanung ist eine Kunst für sich. Zusätzliche Varianten sollen der Konkurrenz Kunden abspenstig machen, nicht aber den Schwestermodellen des eigenen Konzerns. Diese sogenannte Kannibalisierung schwächte etwa beim französischen Autobauer Peugeot Citroën das Geschäft. Die Autos der Marken wurden sich so ähnlich, dass Konzernchef Carlos Tavares bis 2022 fast jedes zweite der 45 Modelle streichen will. "Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir am besten können", sagt er. Zum Beispiel zielen Peugeot 308 und Citroën C4 auf ähnliche Kunden - und müssen sich gegen den VW Golf durchsetzen.

BMW gehört vor allem im SUV-Segment zu den Pionieren der Vielfalt. Angefangen beim X5 gibt es inzwischen auch hier viel Auswahl. BMW X4 und X6 mit ihrem Coupé-ähnlichen Schrägdach sind so erfolgreich, dass Daimler mit seinem Mercedes GLE Coupé einen direkten Rivalen entwickelte. Die Verkaufszahlen geben den Herstellern recht - dabei zweifelten sogar Branchenkenner zunächst, ob die extrem bulligen Modelle sich mit dem eleganteren Premium-Anspruch der Oberklasse verbinden ließen.

Kein Ende des Wachstums in Sicht

Aus diesem Grund jagen BMW, Audi und Daimler weiterhin jeder kleinen Nische nach, um sie möglichst als erster zu besetzen. Die Schwaben planen bis 2020 elf völlig neue Autos. Die Stuttgarter Kompaktklasse bekam gerade erst Zuwachs mit dem Mercedes CLA Shooting Brake: einer Art Mini-Kombi mit angeschrägtem Heck. Audi-Chef Rupert Stadler will die Zahl der Modelle von rund 50 auf etwa 60 wachsen lassen.

Beim Mutterkonzern Volkswagen kündigte Vorstandschef Martin Winterkorn im vergangenen Jahr zwar "eine Produktoffensive über alle Marken hinweg" an. Allerdings verschwindet das VW-Cabrio Eos wegen schrumpfender Nachfrage demnächst vom Markt.

Insgesamt ist im Wolfsburger Zwölf-Marken-Konzern die Kannibalismusgefahr durch die schiere Größe besonders hoch. So gilt etwa der Skoda Octavia vielen Autofahrern als günstigere Alternative zum VW Passat. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht wegen dieser großen Nähe sogar von einem "Eigentor".

Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht

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