Obwohl sie nie sterben haben sie eine sehr geringe Lebenserwartung: Crashtest-Puppen werden 10, vielleicht 15 Jahre gebraucht. Dann endet ihr kurzes, brutales Dasein.
Quelle: MOTOR-TALK, Shenki - istockphoto.com, © 3drenderings - Fotolia.com, dpa/picture alliance Berlin – Crashtest-Puppen sind härter als das Leben. Wo Menschen längst sterben, halten sie den Kopf, die Rippen oder den Rumpf hin. Zwar sind die Puppen so konstruiert, dass sie deutlich mehr vertragen als ein Mensch, sagt Crash-Experte Robert Mayr. Doch auch eine Dummy-Rippe bricht irgendwann. Ein heftiger Stoß von der Seite, ein Auffahrunfall, ein Frontalcrash. Dummys sterben Hundert Tode. Ihre Verletzungen werden während jedes Crashs aufgezeichnet. An Kopf, Hals, Brust und Becken – überall sitzen Sensoren und messen Beschleunigung, Kräfte und Deformation. Danach geht es zur Kalibrierung. Die Dummys werden getestet, beschädigte Teile werden ausgetauscht. Ein Satz Rippen kostet 3.000 EuroDer Bedarf an einzelnen Körperteilen ist groß, sagt Robert Mayr, Geschäftsführer des ersten Onlineshops für Dummy-Ersatzteile. Selbst das Arbeitstier unter den Dummys, der Hybrid-III-Standard-Mann, kostet in der einfachsten Ausführung rund 100.000 Euro. Quelle: dpa/Picture Alliance Bei solchen Summen und dem hohen Verschleiß lohnt sich der Tausch einzelner Rippen, der Kopfhaut, der Wirbelsäule. Ein Standardsatz Rippen kostet im Onlineshop rund 3.000 Euro. Eine Kopfhaut gibt es schon für 300 Euro. Die Idee für den Onlineshop hatte Mayr, als ihm ein befreundeter Professor für Fahrzeugsicherheit von der schlechten Verfügbarkeit der Einzelteile erzählte. Gemeinsam starteten sie www.Dummies4you.com. Mayr schätzt, dass weltweit momentan rund 3.500 Dummys im Einsatz sind. Etwa ein Viertel davon in Mitteleuropa. 1,75 Meter und 78 KiloAllein der ADAC hat elf Kinder- und sechs Erwachsenen-Dummys. Mit diesen Puppen führt der Autoclub jedes Jahr rund 60 Autocrashs und 250 Kindersitztests durch. Die restliche Zeit des Jahres sitzt Crash-Familie entweder gemütlich im Dummy-Labor oder wird repariert, kalibriert, untersucht. Die Hybrid-Dummy-Familie gibt es seit den 70er-Jahren. Sie wurde ständig weiterentwickelt und modernisiert. Momentan ist die dritte Generation im Einsatz. Der Familienvater wiegt knapp 78 Kilo. Würde er aufrecht stehen, wäre er circa 1,75 Meter groß. Seine Frau ist sehr klein und wiegt nur rund 50 Kilogramm. Nur fünf Prozent der lebenden Frauen sind leichter. Deshalb trägt sie den Namen „5 Prozent“. Die Familie hat ein drei, ein sechs und ein zehn Jahre altes Kind. Der Dummy-Hersteller Humanetics bietet außerdem noch ein Neugeborenes sowie einen sechs Monate alten Säugling an. Und dann gibt es da noch einen anderen Mann, einen sehr großen und schweren Mann. Nennen wir ihn Schwager. Schuhe ja, Haare neinQuelle: dpa/Picture Alliance Viele Dummys haben Gesichter, Hände und Füße. Doch es gibt Ausnahmen. Der Dummy, der bei der Zulassung von Fahrzeuggurten eingesetzt wird, hat keine Arme und nur ein Bein. Der Seitenprall-Dummy besitzt keine Unterarme. Dafür hat der Motorrad-Dummy ein spezielles Becken, mit dem er auf dem Zweirad sitzen kann. Und er hat als einziger einen Oberschenkelknochen, der brechen kann, sagt ADAC-Crash-Experte Andreas Ratzek. Einen Wildschwein-Dummy gibt es übrigens auch. Wenn die Dummys zur Arbeit gehen, tragen sie in der Regel Kleidung und Schuhe. Das habe sich so eingebürgert, sagt Mayr. Und es habe etwas mit Ethik und Ästhetik zu tun. Bei den Schuhen hat es tatsächlich auch funktionale Gründe. Haare haben die Puppen keine. Zwar haben Haare eine leicht dämpfende Wirkung. Doch beim Crashtest müsse man von der schlechtmöglichsten Dämpfung ausgehen: einer Glatze. Mary Ward ist die erste UnfalltoteRückschau: Künstliche Menschenfiguren werden seit 1949 entwickelt und eingesetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Autos in Deutschland rapide an. Und mit ihr die Zahl der Verkehrstoten. 1953, als das Statistische Bundesamt erstmals die Unfalltoten zählte, starben in Deutschland 12.631 Menschen bei Verkehrsunfällen. Im Jahr 1970 waren es 21.332 Tote. Der traurige Höhepunkt des neuen, deutschen Autorauschs. Der erste bei einem Autounfall getötete Mann starb laut einem Bericht der BBC in den späten 1890er-Jahren. Noch viel früher starb die erste Frau bei einem Unfall mit einem motorisierten Fahrzeug. Die irische Wissenschaftlerin Mary Ward erlag im Jahr 1869 ihren Verletzungen nach einer Kollision mit einem Dampffahrzeug. Sie gilt als das erste Opfer des Kraftfahrzeugverkehrs. Leichen und Tests mit FreiwilligenUm die Auswirkungen von Beschleunigung und Verzögerung auf den menschlichen Körper zu messen, experimentierten Wissenschaftler anfänglich mit Leichen. Teilweise wurden auch Tiere als Dummys eingesetzt. Oder Freiwillige. Der wohl bekannteste lebende Menschen-Dummy ist Colonel John Paul Stapp. Der Forscher beschäftigte sich jahrelang mit dem Thema Beschleunigung und deren Auswirkung auf den menschlichen Körper. Dafür suchte er Freiwillige und stellte seinen eigenen Körper zur Verfügung. 1954 wurde er zum schnellsten Menschen auf der Erde, als er festgeschnallt auf einem Raketenschlitten auf mehr als 1.000 km/h beschleunigt und ruckartig abgebremst wurde. Stapp überlebte mit zahlreichen Blutergüssen am Körper. In seinen Augen platzten so viele Adern, dass er lange nichts mehr sehen konnte. Hier ein Video zu Stapp: |