Große Ziele beim Zulieferer ZF: Autos sollen unfall- und emissionsfrei fahren. MOTOR-TALK hat die neuesten Sicherheits- und Komfortsysteme ausprobiert.
Von Joachim Walther Pachfurth - „Wir unterbrechen das Programm für eine wichtige Verkehrsmeldung – ein Falschfahrer ist unterwegs. Überholen Sie nicht und fahren Sie ganz rechts.“ Jeder Autofahrer kennt solche Ansagen. Der Verkehrsfunk warnte im vergangenen Jahr vor 2.200 Geisterfahrern, also durchschnittlich sechs pro Tag. Bei Unfällen mit Falschfahrern starben 12 Menschen in Deutschland. In den USA sogar 360. Insgesamt sterben jährlich 1,25 Millionen Personen im Straßenverkehr. In 90 Prozent der Fälle liegt es an menschlichem Versagen. Automatisiertes Fahren hat das Potenzial, die Zahl der Verkehrstoten weltweit am deutlichsten zu reduzieren. Autonome Fahrzeuge gehen keine Risiken ein, sie fahren niemals zu schnell oder unter Alkoholeinfluss, sie werden nicht müde, sind nicht abgelenkt. Und sie kennen keine Schrecksekunde. Autonome Autos müssen auf Menschen reagieren Innerhalb dieser maximal halben Sekunde müssen Fahrzeuge also reagieren, um zumindest die Auswirkungen des Aufpralls abzumildern. Das schafft heute noch kein System. Sensoren senden erst nach 200 Millisekunden ein Signal. Aber man kann Unfälle verhindern, lange bevor sie passieren. Wir haben uns fünf Systeme für Sicherheit, Komfort und Umwelt angesehen. ZF will Geisterfahrer bremsenEines davon heißt „Wrong Way Inhibit“. Es erkennt, wenn der Fahrer falsch abbiegen will, zum Beispiel von der Landstaße auf eine Autobahnabfahrt. Sobald er den Blinker setzt oder eindeutig in eine verbotene Richtung fährt, wird die Technik aktiv. „Wrong Way Inhibit“ nutzt zwei Informationsquellen: Exakte Karten, die via Cloud permanent aktualisiert werden, und das Front-Kamerasystem, das Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen erkennt. So wird beispielsweise vermieden, dass Autofahrer nach einem Stopp an der Autobahnraststätte ihre Fahrt in falscher Richtung fortsetzen. Wenn sie es versuchen, warnt die Technik den Fahrer. Erst akustisch, dann haptisch durch Gurtvibration und optisch im Display. Zusätzlich gibt das Lenkrad mittels erhöhtem Lenkwiderstand dem Fahrer zu verstehen, dass er etwas falsch macht. Hilft alles nicht, stoppt die Geisterfahrerbremse das Fahrzeug automatisch und aktiviert Abblendlicht sowie Warnblinkanlage. Vorwärts geht dann nichts mehr, der Fahrer kann dann nur noch rückwärts aus der Gefahrenzone herausfahren. Smartphones verursachen im Auto mehr Todesfälle als Alkohol In den USA starben 2015 sogar 3.477 Menschen durch Ablenkung am Steuer. Eine Studie des Virginia Tech Transportation Institute ergab: Fahrerinnen und Fahrer sind dort über die Hälfte (52 Prozent) der Fahrdauer abgelenkt. ZF entwickelt deshalb den „Driver Distraction Assist“. Die Technik dahinter merkt ganz genau, worauf sich die Aufmerksamkeit des Fahrers richtet. Und sie reagiert bei Bedarf. Technische Basis des Anti-Ablenkungsassistenten ist eine lernfähige, laserbasierte Innenraumkamera. Die erfasst die Position des Fahrerkopfs dreidimensional - selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen. Ist der vom Verkehrsgeschehen abgewandt und droht Gefahr, schlägt das System Alarm. Ebenfalls optisch, dann akustisch und haptisch (Gurtstraffen). Reagiert der Fahrer nicht, verlangsamt das System das Auto und stoppt es an sicherer Stelle automatisch. Das vernetzte Fahrwerk sorgt für Komfort und SicherheitJe selbstständiger ein Auto arbeitet, desto wohler müssen sich die Passagiere fühlen. „Sitzt man nicht selbst am Steuer, macht jedes spürbare Schlagloch, jede Bodenwelle die Insassen unruhig“, weiß Dr. Holger Klein, Leiter der ZF Fahrwerkstechnik. Grund genug, sich dem Thema zu widmen. Das sorgt für mehr Stabilität, Sicherheit und Fahrkomfort. Ergänzt wird das System von der sogenannten „Electromechanical Roll Control“ (ERC), einer elektromechanischen Wankstabilisierung. Ein kleiner 48-Volt-Elektromotor im Stabilisator stemmt sich in Kurven innerhalb eines Augenzwinkerns gegen die Wankrichtung und hält das Auto gerade. Bei schlechten Straßen entkoppelt er die Achse und sorgt für mehr Komfort. Eine ähnliche Technik gibt es bereits in Serie: Audi setzt sie beim SQ7, Porsche beim Panamera ein. Auto-Lift spart Sprit, hilft beim Beladen oder Ein- und AussteigenÜberhaupt: Was bei solchen Autos selbstverständlich ist, soll es bald in kleineren Klassen geben. Im Luxussegment gehört ein Luftfahrwerk mit Niveauregulierung zum guten Ton. Darunter ist es nur vereinzelt zu haben. ZF will zumindest die variable Höhe nach unten streuen. Das System heißt Electro Hydraulic Leveling (eLEVEL), eine Höhenverstellung auf Knopfdruck. Vier elektrische Antriebselemente justieren die Höhe des Pkw-Aufbaus stufenlos. Beim Ein- und Aussteigen fährt das Auto hoch. Bei schneller Fahrt duckt sich die Karosserie, reduziert den Windwiderstand und spart Sprit. Zudem kann das System schweres Gepäck ausgleichen und auf Hindernisse reagieren. Beim Beladen sinkt die Ladekante. Ein Elektroantrieb für jeden FahrteugtypDen passenden Elektro-Strang testet ZF ebenfalls. „Vision Zero“ bedeutet auch: keine lokalen Emissionen. In einem umgebauten VW Touran arbeitet ein elektrisches Achsantriebssystem mit 150 kW Leistung. Dieses Modul sitzt platzsparend in einem Hinterachs-Baukastensystem namens „mSTARS“ (modular Semi-Trailing Arm Rear Suspension). Das modulare Achssystem macht die Elektrifizierung selbst von bereits bestehenden Serienfahrzeug-Plattformen möglich. „Der Einsatz in Hybrid-, Brennstoffzellen- sowie batteriebetriebenen Fahrzeugen ist ebenso möglich wie die Kombination mit konventionellen Allradmodulen oder der aktiven Hinterachslenkung AKC“, erklärt Klein. Damit sollen sich Elektro- oder Hybridfahrzeuge günstiger entwickeln lassen. Ein wichtiger Punkt, an dem die Elektromobilität derzeit noch arbeiten muss. |
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