Die „Dorstener Arbeit“ hilft Jugendlichen auf dem Weg ins Berufsleben. Ihr aktuelles Projekt vermittelte Arbeitsplätze – und fuhr bei einer Rallye aufs Treppchen.
Dorsten – Oben VW-Würfel, unten Strom. Das gibt es aktuell nicht, vor 35 Jahren aber schon: In den 1970er-Jahren experimentierten VW und Siemens gemeinsam mit Elektromotoren in Massenautos. Es entstanden ungefähr 150 Bulli mit Strom-Antrieb. Die Akkus im elektrischen T2 wogen etwa 900 Kilogramm und ermöglichten 60 bis 80 Kilometer Reichweite. Zu unpraktisch für eine Serienfertigung, zumal der Ladevorgang zu lange dauerte. Heute existieren nur noch wenige Elektro-Bulli. Einer steht im VW-Museum, ein anderer gehört der Interessengemeinschaft T2. Das Schicksal vieler anderer ist unbekannt. Doch im vergangenen Jahr tauchte im Internet eine Anzeige auf: Ein eT2, zwei Jahre für VW unterwegs, Erstzulassung 1981 auf die „Bücherstube“ in Berlin. Bis 2004 fuhren ihn zwei Wasserkraftunternehmen, dann wurde er mit defekten Akkus stillgelegt. Zehn Jahre später bot eine Privatperson den Bulli mit restaurierter Karosserie in Erfurt an. VW eT2: Elektromobilität von 1979Die „Dorstener Arbeit“ (DA) kaufte den Wagen. Langzeitarbeitslose und erfolglose Jugendliche bekommen in dieser gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft Hilfe bei Jobsuche und Ausbildung. In den vergangenen vier Jahren restaurierten Arbeitssuchende dort bereits zwei VW Käfer und zwei Ponton-Mercedes. Einen 73er Karman Ghia bauten sie auf Elektroantrieb um. DA-Geschäftsführer Jürgen Erhardt schwärmt im Gespräch mit MOTOR-TALK, wie sehr sich junge Erwachsene mit Oldtimern für die Arbeit an Autos begeistern lassen. Seine Schützlinge sollten im vergangenen Jahr eigentlich einen T3-Bus restaurieren. Stattdessen kaufte die DA das T2-Projekt mit lackierter Rohkarosse und unvollständiger Technik. Werkstattmeister Stephan Thiemann und 14 junge Menschen ohne Ausbildung begannen mit der Arbeit. Thiemann beschäftigt sich seit etwa zwei Jahren mit Elektroantrieben. Seine Helfer hatten keinerlei Vorbildung. Trotzdem bekamen sechs von ihnen schon vor der Fertigstellung des eT2 Jobangebote. „Wir verstehen nicht, dass Leute, die an so einem Projekt mitarbeiten können, keine Arbeit finden“, sagt Erhardt. Mittlerweile habe er fast alle Helfer vermittelt. Besonders stolz ist Erhardt auf die Arbeit seiner Teams. Das erste Restaurationsprojekt bewertete ein Gutachter von „Classic Data“ mit der Note 1-. Zweimal stellte die DA auf der Messe „Techno Classica“ aus. Der elektrische Bulli fuhr die „Wave“-Rallye für Elektroautos und erreichte in der Prototypen-Klasse Platz drei. In zehn Tagen legte er fast 4.000 Kilometer zurück. Dabei habe sich nur eine Schraube an der Heckklappe gelockert. Abgesehen davon mussten die Piloten nur laden und die Scheiben putzen. Neue Technik im alten BulliQuelle: Dorstener Arbeit So viel Reichweite und Zuverlässigkeit gibt es allerdings nicht mit Elektro-Technik von 1979. Eine Restauration mit Originalteilen habe deshalb nicht zur Debatte gestanden. Der neue Antrieb im Bulli stammt von Elektro-Spezialist Heiko Fleck. Anstelle der Blei-Batterien sitzen jetzt Lithium-Ionen-Akkus im Bulli. Die wiegen 230 Kilogramm weniger, ermöglichen dafür eine Reichweite von bis zu 340 Kilometern. Selbst im Gebirge sei der eT2 240 Kilometer weit gefahren. Ein neuer Elektromotor leistet 44 (statt 23) Kilowatt sowie 260 Newtonmeter Drehmoment. Die Kraft gelangt über ein verstärktes Viergang-Getriebe an die Hinterachse. Original fuhr dieser Bulli ohne Kupplung und mit einem festen Übersetzungsverhältnis. Nach den Umbauten wiegt der blaue Bus 2.020 statt ursprünglich 2.205 Kilogramm. Neben der neuen Technik bekam der eT2 eine Luftfederung an der Hinterachse, stärkere Bremsen mit Bremskraftverstärker, Sitze aus einem Smart, ein Cockpit mit Navigationssystem und Audio-Anlage sowie Felgen im Porsche-Fuchs-Design. Der ganze Umbau habe mehr als 60.000 Euro gekostet. Das Jobcenter Kreis Recklinghausen finanzierte den Umbau. Zudem sponsern RWE, das Solarunternehmen B&W Energy und die KAB das Projekt. Die DA bewege den eT2 mittlerweile im Alltag mit ungefähr 15 bis 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Zum Vergleich: Das stärkere, aber ähnlich schwere Tesla Model S verbrauchte in unserem Test 25 bis 30 Kilowattstunden auf der gleichen Distanz. "Wave"-Rallye: Platz 3 in der Prototypen-KlasseAuf der „Wave“-Rallye wollte das Team vor allem ankommen. Die gute Platzierung habe dann alle überrascht, erzählt Erhardt. Schließlich seien viele erfahrene Teams mitgefahren, darunter die FH Dortmund. Viele Erlebnisse der Rallye hat die DA in einem Video festgehalten. Ein detailliertes Tagebuch zu Aufbau, Zulassung und Jungfernfahrt gibt es in einem eigenen Blog. KF & CB |