Auf dem Vorfeld eines Flughafens geht es zu, wie in einem Ameisenhaufen. Marshaller wissen trotz des Trubels, wer wann wo sein soll. Wir haben einen von ihnen besucht.
Von MOTOR-TALK-Reporter Marcel Sommer Düsseldorf – Schon ein 40-Tonner im Rückspiegel macht viele Autofahrer nervös. Doch Heribert Ziegler sieht oft noch etwas viel Gewaltigeres beim Blick in den Spiegel: Verkehrsflugzeuge. Ziegler, ein 54-jähriger Essener, arbeitet am Düsseldorfer Flughafen als Marshaller, auf gut Deutsch: Einwinker oder Boden-Lotse. So unbekannt diese Berufsbezeichnung auch ist: Fast jeder Fluggast hat schon mal einen Marshaller gesehen, wie er im schwarz-gelb karierten Auto kreuz und quer über das gesamte Flughafengelände flitzt, alle Linien und Fahrspuren ignorierend. Die Marshaller dürfen das. Schließlich müssen sie schnellstmöglich zum ankommenden Flugzeug fahren und es in ein imaginäres Schlepptau nehmen. Ein Fingerdruck genügt Mit einer einzigen Berührung nimmt Heribert Ziegler den Auftrag an. "Bei meinen Kollegen ist dieser Flug nun vom Display verschwunden. Wir schauen jetzt erst einmal, ob am Gate alles in Ordnung ist", erklärt er kurz und gibt seinem Kia Sorento die Sporen. Die acht Jahre alten Kias mit rund 200.000 Kilometern auf der Uhr werden bald durch Opel Antaras ersetzt. In seiner zwanzigjährigen Karriere ist das nicht der erste Fahrzeugtypwechsel. Am 14. Oktober 2008 durfte er in einem 245 PS starken Porsche Cayenne die Flugzeuge abholen. Auch auf anderen Flughäfen werden gelegentlich Sportwagen zu Werbezwecken für Follow-me-Aufgaben eingesetzt. So sorgte zwischenzeitlich in Bologna ein Lamborghini Aventador und in Hannover ein Audi R8 auf dem Weg zum Gate für offene Münder im Cockpit. Auf dem Vorfeld wird die Kelle gezücktAm Gate C07 ist alles bereit für die Ankunft des Iraqi-Airways-Fluges aus dem Norden des Iraks. Heribert Ziegler fährt auf seine Warteposition. Die ist nur einen Steinwurf vom Gate entfernt. Die berühmten Kellen, mit denen früher jedes Flugzeug eingewiesen wurde, bleiben seit einigen Jahren oft im Auto. Ihren Job übernahmen visuelle Signalanlagen. „Sie können an jeden Flugzeugtypen angepasst werden und funktionieren wirklich gut“, sagt Ziegler. Liegt eine Parkposition nicht am Gate, sondern auf dem Vorfeld, müssen in Düsseldorf allerdings noch die guten alten Kellen gezückt werden. Bei Regen, Schnee oder strahlendem Sonnenschein. Marshaller haben aber noch andere Aufgaben, Nebentätigkeiten. Sie sind Müllsammler und Tierkadaverbeseitiger. „Wenn es zu einem Vogelschlag kommt, sprich: ein oder mehrere Vögel wurden von einem Flugzeug getroffen, sammeln wir die toten oder verwundeten Tiere ein. Aus diesem Grund brauchen wir auch Allradfahrzeuge, da wir oft über Wiesen und matschigen Untergrund fahren müssen“, sagt Ziegler. Auch das Einsammeln von Müll mag zwar nicht sonderlich spannend klingen, ist im Flugverkehr aber immens wichtig. Jeden Tag fahren die Marshaller sechs Mal die bis zu drei Kilometer langen Start- und Landebahnen ab. „Selbst kleinste Metallteile können bei einem Flugzeug zu verheerenden Folgen führen“, sagt Ziegler. Das wissen wir seit dem Absturz der Concorde am 25. Juli 2000. Marshaller müssen jeden Winkel des Flughafens kennenBei einem anderen Flugzeugunglück war Heribert Ziegler selbst dabei. In den frühen Morgenstunden des 24. Januars 2005 rutschte ein Fracht-Jumbo über die verschneite Landebahn hinaus. Die zwei Offene Marshaller-Stellen werden immer betriebsintern besetzt. „Wir müssen jeden Winkel im Flughafen kennen. Ich war zuvor sieben Jahre bei der Be- und Entladung beschäftigt und kenne die Arbeitsabläufe. Zudem muss man gut sehen, gut hören und Englisch sprechen können“, sagt Ziegler. „Ich werde diesen Job auf jeden Fall, sofern ich es darf, solange ausüben bis ich 66 Jahre und vier Monate alt bin“, fügt Ziegler hinzu. Der Mann, der schon dem französischen Staatspräsidenten in seinem Regierungsflieger zeigte, wo es langgeht. Quelle: MOTOR-TALK |
