Auf einem stillgelegten Militärflughafen in der Uckermark testet Siemens Oberleitungs-Lkw. Wir haben uns die Technik einmal aus der Nähe angesehen.
Groß Dölln – Ein Pkw steht weitaus mehr als er fährt. Statistisch gesehen wird er nur in fünf Prozent der Zeit genutzt. Bei einem Lkw verhält es sich umgekehrt. Deshalb gibt es keine schweren Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb. Die notwendigen Batterien wären zu schwer. Dennoch gibt es Möglichkeiten, den Güterverkehr zu elektrifizieren, sagt Bahn-Spezialist Siemens: zum Beispiel Oberleitungen. Im Gegensatz zu Straßenbahnen, Zügen oder Bussen fahren Lkw allerdings nicht in einer festen Spur. So fühlt sich es sich im Strom-Lkw anDen ersten Lkw rüstete Siemens allein um. Noch heute fährt dieser Diesel-Hybrid-Actros in Groß Dölln. Heute, wie so oft, mit Jörg Grützner am Steuer. Der ehemalige Berufskraftfahrer hat den Fernverkehr gegen die zwei Kilometer lange Teststrecke getauscht. Der Laserscanner an der Front des Actros erkennt die Oberleitung über dem Lkw und zeigt das in einem Display an. Grützner drückt auf einen Knopf. Gegen ein automatisches Einkoppeln hat die StVO etwas einzuwenden. Der Stromabnehmer setzt sich in Bewegung, und der gesamte Lkw beginnt zu schaukeln. Sobald der Kohleträger die Leitungen berührt, stellt der Dieselmotor die Arbeit ein. Grützner gibt Gas. Ein digitaler Balken mit zwei weißen Bällen darauf zeigt ihm, ob er sich noch in der Spur bewegt. Grützner braucht das Kontrollinstrument nicht mehr. Der Stromabnehmer misst ohnehin 2,80 Meter in der Breite, so viel wie die gesamte Spur. Die Fahrt mit Oberleitung ist nach Angaben von Siemens doppelt so effizient wie die mit einem Dieselantrieb. Der Selbstzünder in herkömmlichen Lkw hat einen Wirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent, halb so viel wie ein Elektro-Lkw. In Zahlen heißt das: Ein 40 Tonner benötigt 32 Liter Diesel je 100 Kilometer, ein elektrischer Lkw, der mit Oberleitungen und kleinen Batterien oder Brennstoffzelle fährt, benötigt 170 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Doch das kostet. Wie viel genau, ist noch nicht klar. Es gibt Studien, die gehen von 2,5 Millionen Euro pro „Doppelkilometer“ aus, also für einen Kilometer in zwei Fahrtrichtungen. Andere Studien rechnen mit 1,1 Millionen Euro. Der Spediteur muss allerdings für die Stromkosten aufkommen. In den USA, wo Siemens bereits einen Feldversuch am Hafen von Los Angeles gestartet hat, denkt die Regierung über ein Mautsystem nach. In Schweden möchte die Regierung die Oberleitungen möglicherweise kostenlos anbieten. Siemens glaubt an die Technik. Sie sei flexibel und bei der Bahn erprobt. Wettereinflüsse gebe es nur bei starkem Sturm, etwa durch umgestürzte Bäume. Einsatzgebiete sieht Siemens im Pendelverkehr, beispielsweise zwischen Bahnhof und Hafen, beim Minenverkehr und im Güterverkehr. Nach Versuchen in den USA und Schweden möchte Siemens die Oberleitungen auch auf deutsche Straßen bringen. Im Dezember 2014 hat die Bundesregierung einen entsprechenden Feldversuch beschlossen. Wo er stattfindet und wer ihn umsetzt, ist allerdings noch offen. |
