Von MOTOR-TALK-Reporter Jürgen Wolff
Gaydon - Der neue V12 Vantage S ist das schnellste Serienauto, das Aston Martin derzeit im Angebot hat. Und er ist brutal, das hat Aston-Martin-Chef Ulrich Bez bei der statischen Präsentation versprochen. Er hatte recht. Denn so brachial wie der V12 geht unter dem Logo der zwei Schwingen nur noch der Über-Sportler One 77 mit seinen Passagieren zur Sache.
Der V12 Vantage S ist knallgelb, übersät mit Carbon-Schmuck und so auffällig wie ein pinkfarbener Elefant. Das leichte und besonders feste Material aus dem Motorsport ziert die lange Motorhaube und den Frontkühler, durch die zehn Speichen der Alufelgen schimmern riesige gelochte Carbon-Keramik-Bremsscheiben.
Von hinten stechen breit geschwungene Rückleuchten und Endrohre so dick wie Arme ins Auge. All die Sportlichkeit haben die Ingenieure in einer flachen, gerade einmal 1,25 Meter hohen Karosserie untergebracht. Das ist atemberaubend. Das ist Aston Martin. Schnell, stark, brutal schön und brutal teuer.
Ein Sportwagen zum Wohlfühlen
Carbon so weit das Auge reicht - hier im Frontkühler Quelle: Aston Martin
Im Inneren des Vantage dagegen geht es verhältnismäßig elegant zu. Stilvolle Farben, fein verarbeitetes Leder mit Ziernähten in Wagenfarbe, ausreichend Platz für zwei Passagiere, ein klar strukturiertes Armaturenbrett mit aufklappbarem Navi - all das vermittelt Sportwagen-untypisches Wohlfühlambiente.
Auch der Einstieg ist ungewohnt angenehm. Denn normalerweise erkauft man sich den Weg in einen Supersportwagen nicht nur mit einem dicken Scheck, sondern auch mit körperlichen Verrenkungen. In den Vantage S gleitet man elegant hinein.
Die neuen Sport- und Leichtbausitze bieten guten Seitenhalt, ohne dass sie wie ein Schraubstock einengen. Einziges Manko: Wer über 1,85 Meter misst, der kann sich nicht weit genug nach hinten schieben. Der Laderaum im Heck ist Sportwagen-üblich mit 300 Litern nicht gerade üppig - liegt aber deutlich über dem, was Konkurrenten wie Ferrari oder Lamborghini zu bieten haben.
Bis in die Eingeweide
Doch wer interessiert sich bei einem Supersportler schon für den Kofferraum? Hier geht es um Schnelligkeit und um Krach, der im Fall des V12 Vantage S aus einem Zwölfzylinder kommt. Dieser knurrt nach dem Start kurz auf, schüttelt sich einmal und wartet dann ruhig blubbernd auf den Startschuss.
Peng. Es geht los. Der Klang wirkt bis in die Eingeweide. Wer ein wenig Sinn für solche Autos hat, dem stellen sich unweigerlich die Nackenhaare auf. Denn die Briten haben den V12-AM28-Motor gründlich überarbeitet. Der Aston Martin Vantage S ist nur 1,25 Meter hoch Quelle: Aston Martin
Rund 25 Kilogramm weniger Gewicht und eine verstellbare Nockenwelle im Zylinderkopf sind nur zwei der Ergebnisse. Ein weiteres ist der Power-Push auf 573 PS und ein maximales Drehmoment von 620 Newtonmeter.
Weniger als vier Sekunden
Was die Zahlen auf dem Papier unter der Haube des Aston bedeuten, erlebt man beim Tritt auf das Gaspedal: Der Sechsliter-Motor brüllt auf wie ein zorniges Monster und prügelt seine Kraft regelrecht in Richtung der Hinterräder. Dann stürmt der V12 mit einer erstaunlich guten Traktion nach vorn.
Nach 3,9 Sekunden zeigt der Tacho 100 km/h. Von hier aus geht es nicht weniger ungestüm weiter. Schluss ist erst bei 328 km/h. Das sagt zumindest Aston Martin - und angesichts der wirkenden Kräfte mag das hinter dem Lenkrad gewiss niemand bezweifeln.
Kein Schwänzeln, keine Unruhe in der Lenkung - Beschleunigung pur. Das automatisierte Siebengang-Getriebe "Sportshift III AMT" von Oerlikon Graziano haut die Gänge brachial und stoisch in die Gassen. Schnell, unbeirrbar, aber mit merkbaren Unterbrechungen des Kraftflusses. Wer sich nicht auf die Automatik verlassen will, der legt die Gänge über die Schaltwippen ein.
Das Lenkrad des Aston Martin Vantage S ist mit Alcantara gepolstert Quelle: Aston Martin
Je sportlicher der Fahrmodus, desto höher liegt der Drehzahl-Wohlfühlbereich des Getriebes. Die maximale PS-Leistung liegt ohnehin erst bei 6.750 U/min an, das maximale Drehmoment 1.000 U/min früher. Die Skala im Armaturenbrett reicht bis 8.000 Umdrehungen.
Auf Bergstraßen hält der Vantage S selbst in engen Kehren unbeirrbar die Spur. Die Lenkung ist direkt und präzise, die Gewichtsverteilung von 51:49 nahezu ideal: Man muss schon einiges anstellen, damit das Heck des 1,6-Tonners beim Herausbeschleunigen aus der Kurve leicht das Tänzeln anfängt - selbst, wenn man das ESP ausschaltet.
Von 180.000 bis 400.000 Euro
Aber der V12 Vantage S kann auch anders: In der Stadt lässt sich der Brite behutsam wie ein Familienauto kutschieren. Doch dafür ist er natürlich nicht gemacht. Wer mit dem offiziell angegebenen Durchschnittsverbrauch von 16,4 Litern auskommt, sorry, der hat den Sportler nicht verdient. Stattdessen dürfte der Wert weit über der 20er-Grenze liegen.
Aston Martin verlangt für den Vantags S einen Einstandspreis von 179.950 Euro, in Deutschland wohlgemerkt. Die Österreicher müssen 223.865 Euro bezahlen. Darf es noch ein bisschen mehr sein? In der Türkei kostet er 401.357 Euro. Dafür gibt es jede Menge respekteinflößende Motorkraft, anmutige Schönheit und überwältigende Fahrfreude.