Günther Schuh zeigt den Konzernen, wie es geht: Der Professor brachte bereits den Post-Streetscooter auf die Straße. Der e.Go wird 2018 ein Elektroauto für 16.000 Euro. Ortsbesuch in Aachen.
Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Aachen – Den Vergleich mit Elon Musk lehnt Günther Schuh ab. Er sieht sich weder als Elektro-Guru noch als Strom-Spinner oder Visionär. Dennoch zeigt der Professor für Produktionssystematik sowie Geschäftsführer der RWTH Aachen Campus GmbH und CEO der e.Go Mobile AG gerade der deutschen Automobilwirtschaft, wie man erfolgreich Elektroautos konzipiert. Und das schon zum zweiten Mal. Dabei wollte der 59-Jährige das gar nicht. Es war eher eine Verkettung von Zufällen, sagt der Professor. Schuh ist kein Autoentwickler, sondern ein Produktionstechniker, Vollblut-Ingenieur und Enthusiast. Er liebt es schnell. Sein erstes Auto, ein NSU 1200 C, legte er nach einer zu rasanten Fahrt aufs Dach. Mit 34 Jahren kaufte er sich seinen ersten Porsche 911. Der Marke Porsche bleibt der Aachener Elektro-Pionier treu. Bis vor Kurzem fuhr er einen 911 Carrera 4 S, wechselte dann auf einen Panamera Plug-in-Hybrid. Lange Strecken legt er mit dem Kleinflugzeug Cirrus SR 22 Turbo zurück. Demnächst kommt seine eigene Kreation hinzu, der e.Go Life 60. „Mit dem lassen Sie jeden Elfer an der Ampel stehen. Das ist ein Porsche-Killer. Wenn es auch nur ein paar Meter sind. Das Auto ist was für Carguys“, lächelt er. E-Mobilität nur auf KurzstreckeQuelle: Fabian Hoberg für mobile.de Das könnten Car-Guys im ersten Anlauf anders beurteilen. Der e.Go Life setzt auf einen E-Antrieb und ist klein, leicht und günstig. Schuhs Ansatz ist nicht, die Welt durch Elektroautos zu verbessern. Er will vielmehr einen ökologischen und ökonomischen Beitrag für die Städte liefern. Bezahlbare Elektromobilität sieht er nämlich nur für Kurzstrecken. „Der Verbrennungsmotor bleibt im Vergleich zum E-Auto günstiger, die Batterien dafür teuer. Die werden auch nicht deutlich preiswerter“, sagt er. Große Batterien rechneten sich nicht. Schuh sieht künftig auf langen Strecken Plug-in-Hybridfahrzeuge oder Elektroautos mit Brennstoffzelle im Einsatz. Der e.Go Life fährt deshalb "nur" zwischen 100 und 150 Kilometer mit einer Akkuladung, je nach Größe der Batterie. Für den Stadtfahrer sei das aber kein Problem. „Der normale Nutzer eines E-Autos fährt nie tanken. Der lädt nur zu Hause oder auf der Arbeit“, sagt Schuh. Produktion vor ProduktNach 42 Designänderungen war der 3,35 Meter kurze e.Go Life fertig, zuletzt legte ein italienischer Designer Hand an. „Ein Auto muss schön sein, auch ein vernünftiges, sonst kauft es keiner“, meint der Professor. Auf der Cebit 2017 wurde das 820-Kilo-Auto vorgestellt, seitdem zählen die Aachener zwischen 15 und 20 Bestellungen am Tag. Und das, obwohl es noch keine Autos zum Probefahren gibt. Der viersitzige Life ist mit mindestens 16.000 Euro das derzeit günstigste E-Fahrzeug, minus 4.000 Euro Umweltprämie. Für einen niedrigen Preis konzipierte Schuh mit seinem Team nicht zuerst das Fahrzeug, sondern die Produktion. „Die Produktionstechniker werden fast immer erst am Schluss der Entwicklung gefragt. Wir haben den Spieß umgedreht, die Konstrukteure weggelassen und selbst entwickelt und produziert. Das macht die Autos preiswerter“, sagt er. Statt teurer Leuchtendesigner nutzt er Zulieferer wie Hella, Bosch oder ZF. Vorteil: keine Entwicklungskosten und niedrige Kosten dank hoher Stückzahlen. So sinken die Gesamtentwicklungskosten auf rund 30 Millionen Euro – etablierte Hersteller hätten für ein solches Projekt 500 Millionen Euro verbraucht. Außerdem verzichten die Aachener auf ein eigenes Presswerk, automatisierten Rohbau und eine Lackiererei. 2019 sind 15.000 Autos geplantMit 140 Mitarbeitern und 70 Teilzeitkräften stemmt er derzeit das Unternehmen in Aachen, das Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren. 2018 beginnt die Produktion des Life in Aachen. Der Alu-Spaceframe-Rahmen des Life wird hier gebaut, die Haut aus der Thermoplaste eines Kofferherstellers montiert und die beiden Motoren an die Hinterachse gesteckt. Die Anlassermotoren stammen von Bosch, die Batterie von BMZ. Gewartet und gepflegt werden die Autos später bundesweit bei den Bosch-Car-Service-Stationen, und auch das Ersatzteillager und die Logistik organisiert Bosch. Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Ab Mai 2018 sollen die neu eingestellten Mitarbeiter bis Ende des Jahres 1.800 Autos montieren, 2019 schon 15.000 Autos und bis 2022 bis zu 100.000 Fahrzeuge bauen. Neben dem Stadtflitzer planen die Ingenieure schon den Kleinbus Mover, der 2019 kommen soll, und ein größeres elektrisches Kompaktauto namens Booster. In zehn Jahren soll die e.Go Mobile AG ein vollwertiger Hersteller sein, mit einem Angebot von fünf bis sechs modular aufgebauten Fahrzeugen. Und mit einem jährlichen Umsatz von fünf Milliarden Euro. Streetscooter-GründerEs ist schon das zweite Mal, dass Schuh eine Firma für Elektroautos aufbaut. 2010 gründete er die Streetscooter Research GmbH und entwickelte gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Achim Kampker und 80 Partnern einen elektrischen Lieferwagen für den Kurzstreckenverkehr. Innerhalb von 18 Monaten bauten sie einen ersten Wagen und stellten ihn 2011 auf der IAA aus. Daraus entstand in kürzester Zeit ein Lieferwagen für die Stadt. Der Streetscooter kam gut an, die Post kaufte erst die Fahrzeuge und 2014 dann das ganze Unternehmen mit allen Mitarbeitern. Außer Günther Schuh. Er wollte eigentlich kürzertreten und sich ausschließlich um seine Professur und die 450 Mitarbeiter seines Institutes kümmern. Der Wille hielt nur zwei Wochen, dann hatte Schuh eine neue Idee. Schon seit 2008 ist Schuh überzeugt, dass Elektroautos für die Innenstädte kommen müssen. Ohne die könnten die großen Hersteller ihre Flottenziele von 95 g/km CO2 bis 2020 nicht erreichen. „Da dachte ich mir, ich muss noch einen neuen Impuls setzen, einen Beitrag für die deutsche Autoindustrie leisten, sie unterstützen“, sagt er. Er begann mit der Planung und Konzeption eines neuen Elektrofahrzeugs, diesmal ein reines Stadtauto. So entstand 2015 mit Partnern die e.Go Mobile AG. Vorbild ToyotaDer Erfolg des Toyota Prius ist für Günther Schuh die Initialzündung: Wenn sich so ein Auto verkaufen lässt, dann auch ein kleines, elektrisches Stadtauto. Nur sollte es schöner, nützlicher, billiger und besser als bisherige Fahrzeuge sein. Daneben möchte Schuhs Team zeigen, dass es möglich ist, in Deutschland ein preiswertes E-Auto zu bauen. Denn dass die E-Mobilität in Deutschland nicht vorankomme, liege nicht an der Technik, sondern am Preis. Nutzer würden eher eine eingeschränkte Reichweite akzeptieren als einen hohen Preis. Bis 2025 schätzt er den Anteil an elektrifizierten Neufahrzeugen auf 25 bis 30 Prozent, davon 20 bis 22 Prozent Plug-in-Hybride, der Rest reine E-Autos. „Danach wird es das ein massiver Wachstumsmarkt werden“, sagt er. Nach Meinung des Elektroauto-Unternehmers wird der Verbrennungsmotor nicht in 30 Jahren aussterben. In der Stadt allerdings, glaubt der Professor, hat der Verbrenner in Zukunft nichts mehr zu suchen. „Wir müssen die Emissionen aus der Stadt raushalten, dort emissionsfrei fahren, denn Abgase sind gesundheitsschädlich“, sagt er. Sein e.Go Life ist dafür bestens geeignet – und sogar bezahlbar. |