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60 Jahre Matchbox - Drei Milliarden Autos in der Hosentasche

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Spielzeugautos sind was für Jungs? Von wegen – das erste Matchbox-Modell baute der Erfinder für seine Tochter. Schuld daran war eine unsinnige Schul-Vorschrift.

Die Mini-Autos von Matchbox wurden im Kinderzimmer zu Kultobjekten. Die Mini-Autos von Matchbox wurden im Kinderzimmer zu Kultobjekten. Quelle: Sebastian Viehmann/Focus Online

Von Focus-Online-Redakteur Sebastian Viehmann

Handys im Klassenzimmer sind eine Plage. Statt zu lernen, simsen und mailen die Kids unterm Tisch hin und her. In Schulen herrscht daher Handy-Verbot im Unterricht. Vor sechs Jahrzehnten gab es in britischen Schulen zwar noch keine Mobiltelefone, aber trotzdem Ärger: Kindern war es nicht erlaubt, Spielzeug mit in die Schule zu nehmen – es sei denn, es passte in eine Streichholzschachtel. Die kleine Anne, freche Tochter des britischen Ingenieurs Jack Odell von der Firma Lesney, machte sich diese Regel zunutze und schmuggelte in den Schachteln kleine Spinnen und anderes Getier in die Klasse.

Dampfwalzen statt Spinnen

„Diese Flausen werde ich dir austreiben“, sagte sich Odell. Doch statt mit seiner Tochter zu schimpfen, bastelte er ihr das winzige Bronze-Modell einer Dampfwalze, das genau in die winzige Streichholzschachtel passte. Annes Klassenkameraden waren begeistert, jeder wollte so ein Mini-Spielzeug haben. Die „Matchbox“-Autos – das englische Wort für Streichholzschachtel – waren geboren.

Der Matchbox „Lotus Super Seven“ von 1975. Der Matchbox „Lotus Super Seven“ von 1975. Quelle: Mattel Vor rund 60 Jahren kamen die ersten von Odell für Lesney konstruierten Matchbox-Modelle für siebeneinhalb Pence pro Stück in den Handel. Damit war das Spielzeug für die meisten Taschengeld-Budgets erschwinglich – ein Erfolgsfaktor, der das Unternehmen groß machte.

Der erste Verkaufsschlager war ein Modell der Kutsche, in der Queen Elizabeth II. 1953 zu ihrer Krönung gefahren wurde. Was weniger bekannt ist: Eigentlich war das Modell für das 15-jährige Thronjubiläum von König George VI. gefertigt worden, der aber wenige Monate vor diesem Ereignis starb. Um nicht auf den Kutschen sitzen zu bleiben, ließ Lesney sie kurzerhand vergolden, entfernte die Königsfigur im Innern und vermarktete die Miniatur flugs als Queen-Gefährt.

Kleine gelbe Schachteln

Die Mini-Kutschen gingen weg wie warme Semmeln und legten den finanziellen Grundstock zur Expansion der Firma Lesney. Schnell folgten weitere Modelle: Eine Diesel-Dampfwalze, eine landwirtschaftliche Zugmaschine und ein Zementmischer, alle verpackt in kleinen gelben Schachteln. In jedem Jahr folgten neue Serien.

Mit Londoner Doppeldeckerbussen, einem Land Rover oder Feuerwehrautos wuchs die Palette stetig weiter. Die Modelle wurden bald in die USA exportiert und wurden so etwas wie der VW Golf der Kinderzimmer: Der Name Matchbox stand fortan stellvertretend für alle Autos im Mini-Format (Maßstab 1:64). Jack Odell und sein Kompagnon Leslie Smith von Lesney wurden mit ihrem Spielzeug-Imperium zu Millionären.

Ernsthafte Konkurrenz: die Hotwheels. Ernsthafte Konkurrenz: die Hotwheels. Quelle: Sebastian Viehmann/Focus Online Der Erfolg hielt allerdings nicht ewig an. Ende der 60er Jahre brachte die US-Firma Mattel die Spielzeugautos der Hotwheels-Serie auf den Markt. Sie waren mit ihren reibungsarmen Achsen die Geschwindigkeits-Könige auf jedem Spielteppich.

Matchbox reagierte mit den neu konstruierten „Superfast“-Modellen, die ebenfalls reibungsarme Achsen hatten.

Schlimmer als die neue Konkurrenz war allerdings der wirtschaftliche Niedergang Großbritanniens. Die heimische Produktion wurde zu teuer, Matchbox-Modelle fortan in Hongkong montiert. Auch das half langfristig nichts, 1982 ging die Firma Lesney bankrott. Die Marke Matchbox immerhin überlebte. Ironie der Geschichte: Die Marke gehört heute ebenso wie Hotwheels zum Mattel-Konzern.

Drei Milliarden Mini-Autos

Seit den ersten Dampfrollern und Königskutschen wurden mehr als 12.000 verschiedene Matchbox-Modelle produziert. Viele gab es in zig verschiedenen Varianten und Serien, manche der Zinkdruckguss-Flitzer sind heute begehrte Sammlerstücke und erzielen fünfstellige Summen bei Auktionen. Wichtig für die Wertsteigerung ist natürlich ein perfekter, unbespielter Zustand – und das Vorhandensein der Originalverpackung. Die besteht mittlerweile aber nicht mehr aus kleinen Pappboxen, sondern aus durchsichtigen „Blister“-Verpackungen.

Die letzte offizielle Gesamtzahl stammt aus dem Jahr 2007: Drei Milliarden Mini-Autos rollten bis dahin vom Band. Rein rechnerisch wären das genug, um jedem der rund zwei Milliarden Kinder auf dem Globus eineinhalb Matchbox-Autos zu geben. Fragt sich nur, wie viele Autos in den letzten sechs Jahrzehnten all die zahllosen Verfolgungsjagden auf dem Teppich oder im Sandkasten unbeschadet überstanden haben.

Quelle: Focus

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