Mit der Turismo Veloce 800 Lusso ergänzt MV Agusta sein Sporttourer-Programm um eine technisch besonders hochwertige Variante. Beim Fahrkomfort überzeugt das teure Motorrad.
Varese - Was bei Pkw die SUV darstellen, sind bei den Motorrädern die BMW S 1000 XR, die Ducati Multistrada 1200 S oder die neue MV Agusta Turismo Veloce 800. Der Fahrer sitzt aufrecht und entspannt, hat einen relativ breiten Lenker vor sich und einen sehr kräftigen Motor plus ein auf Komfort abgestimmtes Fahrwerk unter sich. Mit der Lusso-Version der Turismo Veloce 800 schließt der kleine italienische Hersteller MV Agusta aus Varese nahe Mailand zu den wenigen Herstellern wie Aprilia, BMW, Ducati oder KTM auf, die semiaktive Dämpfungssysteme verwenden. Beim Proberitt zeigte die Turismo Veloce Lusso eindrucksvoll, was damit möglich ist. Ins Lusso-Paket der Turismo Veloce („Schnell reisen“) hat MV Agusta dreistufig über das Zentraldisplay einstellbare Heizgriffe gepackt, dazu einen (leider nicht besonders gut bedienbaren) Hauptständer und einen integrierten GPS-Sensor. Wichtigstes Plus ist das semiaktiv arbeitende Federungs- und Dämpfungssystem vom Zulieferer Sachs. Quelle: MV Augusta Dieses Fahrwerk stellt Zug- und Druckstufendämpfung in Echtzeit auf die aktuell herrschenden Bedingungen ein und stimmt Gabel sowie Federbein bestmöglich ab. Das funktioniert auf kleinen, verwinkelten Bergstraßen ebenso gut wie auf großzügig ausgebauten Überlandstraßen. Handlich und gleichzeitig sehr stabilDie Lusso erscheint dadurch handlich und leichtfüßig wie die Basisversion, gewinnt aber zusätzliche Stabilität in Kurven und beim Bremsen. So wird das tiefe Eintauchen der Gabel bei hartem Bremsen deutlich abgemildert. Über das Fünfzoll-TFT-Farbdisplay wird die Beladung (eine oder zwei Personen mit Gepäck) vorgewählt, wobei die Verstellbereiche der Dämpfungsraten den Fahrmodi (Regen, Touring, Sport) zugeordnet sind. Im „Custom“-Modus kann der Fahrer sämtliche elektronisch beeinflussbaren Faktoren bis hin zur Motorbremse oder der achtfach einstellbaren Traktionskontrolle individuell einstellen. Die Dreischeiben-Bremsanlage überzeugt durch geringe Betätigungskräfte; die Abhebeerkennung holt das Hinterrad zuverlässig wieder auf den Boden zurück, wenn es bei Gewaltbremsungen den Bodenkontakt verliert. Mit 110 PS im Sportmodus liefert der 798 Kubikzentimeter große Dreizylinder-Reihenmotor eine für ein Touring-Motorrad hohe Leistung ab. Zwischen etwa 2.000 und über 10.000 Umdrehungen gibt das Triebwerk jederzeit verwertbare Kraft ab, geht in Abhängigkeit vom gewählten Motor-Mapping gut kontrollierbar bis sehr spontan ans Gas. Subjektiv verwundert, dass die Leistung im Sportmodus mit „nur“ 110 PS angegeben wird. Auch im Touring-Modus meint man, dass mehr als 90 PS bereitstehen. Im Rain-Modus ist die Motorleistung auf 80 PS begrenzt, das Ansprechverhalten spürbar zurückhaltender. Teuer und nicht perfektStark zum Fahrvergnügen trägt der serienmäßige Schaltassistent bei: Er ermöglicht das Schalten ohne Ziehen des Kupplungshebels. Die blitzschnellen Schaltmanöver laufen fast ohne Zugkraftunterbrechung ab. Die Verbrauchswerte schwanken zwischen knapp 5 Litern Super/100 Kilometer bei zurückhaltender Fahrweise bis zu 6,5 Litern/100 Kilometer. Die MV Turismo Veloce Lusso ist fraglos ein attraktives Motorrad, für das der Hersteller aber gutes Geld verlangt: 16.890 Euro sind – nicht nur für eine 800er – eine echte Ansage. Angesichts dessen enttäuschen zwei Details: Es fehlen sowohl eine automatische Blinkerrückstellung wie auch die automatische Umstellung der TFT-Hintergrundbeleuchtung von Tag- auf Nachtbetrieb. Quelle: MV Augusta Das verwundert umso mehr, als es einen Sensor gibt, der für das Umschalten zwischen LED-Tagfahrlicht und LED-Abblendlicht zuständig ist. Ihn doppelt zu nutzen, erscheint naheliegend. Nicht hundertprozentig begeistert sind wir auch von den mit fast 950 Euro nicht gerade preiswerten Seitenkoffern: Die Bedienung der Schlösser wie auch der Kofferdeckel ist etwas fummelig. Ebenfalls nicht überzeugend: Das farbige TFT-Display wirkt überfrachtet und verspielt. Die Vielzahl der zugleich und recht klein angezeigten Informationen macht es schwierig, innerhalb von Sekundenbruchteilen die gewünschte Information herauszufiltern. Auch wäre es hilfreich, wichtige Funktionen wie Motor-Mappings oder Heizgriffe per Knopfdruck vom Lenker aus ansteuern zu können. Überbewerten sollte man diese Kritikpunkte freilich nicht, denn die MV Agusta Turismo Veloce Lusso überzeugt bei Motor, Fahrwerk, Bremsen und Ergonomie. Dass die „Lusso“-Version ein exklusives Angebot darstellt, untermauert der serienmäßig gelieferte GPS-Sensor: Mittels einer kostenlosen App kann man auf einem Tablet nicht nur Daten der gefahrenen Strecke aufrufen (Schräglage, Tempo, Drosselklappenstellung etc.), sondern auch das semiaktive Fahrwerk noch individueller abstimmen. MV Agusta Turismo Veloce 800 Lusso: Technische Daten
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