Was der Autowelt die IAA, ist der Motorradindustrie die EICMA: Die Mailänder Motorrad-Messe ist das Highlight in der Branche. Auch dieses Jahr wurde wieder ein Feuerwerk der Neuheiten abgebrannt. Am 13. November endete die Mailänder Motorradmesse, als größte und prallste ihrer Art. Als regelmäßiger Besucher hat Helmut Bertram vom Ducati-Fachbetrieb „ducaberti meccanica“ uns nicht nur seine Eindrücke geschildert, sondern uns vor allem eine Kopie seiner SD-Karte zugespielt. So haben wir heute ein paar schöne, exklusive Fotos von der wichtigsten Motorradmesse der Welt zu zeigen. Krise überwunden? Die Motorradbranche hat die Krise der letzten Jahre offensichtlich verwunden. Die EICMA 2011 ließ von der Krisenstimmung der Vorjahre nichts mehr erkennen. Mehr als eine halbe Million Besucher pilgerten in diesem Jahr in den Norden von Mailand. Zu sehen bekamen sie, von allem viel mehr als in den Vorjahren: Mehr Aussteller, mehr Motorrräder und - in Italien traditionell nicht ganz unwichtig - mehr italienische Schönheiten. Die Messe „Hostessen“ sind schließlich neben den Maschinen seit vielen Jahren die Hauptattraktion in Mailand, eine Attraktion, auf die Italien-Stände der IAA (wie Alfa und Lambo) allenfalls einen kleinen Vorgeschmack boten. Für die mit der Präsentation der Fahrzeuge betrauten weiblichen Messeangestellten hat das Motorrad gegenüber dem Auto ja einen unschlagbaren Vorteil: Sie können sich auch mal repräsentativ hinsetzen, anstatt die ganze Zeit neben dem Blech stehen zu müssen. Auch wenn's nervt: Ducati 1199 Das Highlight der EICMA 2011, das sagt nicht nur Ducati-Mann Helmut, sondern auch das Medienecho in der Fachpresse, war ohne jeden Zweifel die Ducati 1199 Panigale. Bei einer Umfrage der Fachzeitschrift Motociclismo nach dem schönsten, beeindruckendsten Modell der Messe entschieden sich 53,4 Prozent für das brutal starke, technisch revolutionäre und vor allem auch sündhaft teure Gerät. Abgeschlagen folgen auf den Plätzen die MV Agusta F3 und die Husqvarna Nuda 900R.
Neben der „Panigale“ verblassten auch ein bisschen die sonstigen Ducati-Neuheiten, die die italienische Schmiede mitgebracht hatte. So etwa die 848 Evo Corse Special Edition, die 2012 mit der achtstufigen Ducati Traction Control (DTC) und dem Ducati Quick Shift-System (DQS) ausgestattet wird. KTM mit geländegängigen Einzylindern
Aber auch unterhalb der Leistungsspitze gab es interessante Neuheiten. KTM nahm sich erneut der Zielgruppe an, die keine PS-Wunder braucht, sondern erst mal fahren will. Mit 23 PS-Einzylinder und Sechsganggetriebe klingt die Freeride 350 trotzdem nicht untermotorisiert - schließlich wiegt sie unter 100 kg. Als Zielgruppe für das Motorrad sieht KTM neben Einsteigern und Geländesportlern auch Wohnmobilisten, die ein transportables Motorrad dabeihaben wollen. Auch eine Elektro-Version wird es geben. Die leisten dann sogar satte 30PS und wiegt 95 kg. Für den Amateureinsatz gedacht, soll die Batterie 45 Minuten durchhalten und in einer guten Stunde wieder aufgeladen sein. Auch in der Duke-Reihe gibt es Neues, nämlich die 200 und 690 Duke. Die Maschinen leisten 26 bzw. 70 PS. Husqvarna will auf die Straße Aber auch andere Mütter haben schöne Töchter, und BMW überlässt das „Schönsein“ gern seiner Tochter Husqvarna. Deren Credo lautet eigentlich: „Offroad“, aber die wichtigste Neuheit, die Nuda 900, soll als Crossover ausdrücklich auch auf der Straße überzeugen. Der Motor stammt aus der BMW F 800 R, hat mit 900 Kubik aber 100 Kubik mehr Hubraum und liefert 105 PS bei 8.500 U/min, max. Drehmoment: 100 Nm. Auch der Rahmen basiert auf dem BMW-Modell, wurde aber um 5 cm gekürzt und verfügt über ein steiferes Steuerkopfrohr. Kosten soll die Nuda 900 rund 10 000 Euro. Neben der Nuda 900 zeigt Husqvarna auch das Scrambler-Konzept Moab. Das Modell ist nach einer Wüste in Utah (USA) benannt. Das Farbschema soll an den Schauspieler Steve McQueen erinnern, der privat eine Husqvarna Scramber fuhr. Triumph bringt sein Museum mit A propos Steve McQueen: Der 1980 im Alter von 50 Jahren verstorbene Benzinjunkie aus Hollywood war auch bei den Briten von Triumph gegenwärtig und spukte in Form der limitierten Sonderserie Triumph Steve McQueenTM-Edition über den Stand. Das Modell basiert auf der Bonneville T100 und soll nur 1.100 mal gebaut werden. Das Bike soll an die Trophy TR6 erinnern, mit der Steve McQueen die berühmte Stunt-Szene in "The Great Escape" durchführen wollte. Die weiteren Neuheiten bei Triumph: Tiger Explorer,und Speed Triple R. Wesentlich mehr beeindruckt hat Helmut Bertram aber offenbar die Klassiker-Ausstellungaus dem Hause Triumph. Hier standen ebenfalls Scrambler im Mittelpunkt. "Öko-Trend" schon wieder am Ende? Auf die „Klassiker“ schien sich die Branche auch dort zu verlassen, wo man es am wenigsten vermutet hätte: In der im vergangenen Jahr mit großem Rummel eingeführten „grünen Halle“, die den Siegeszug der Elektroantriebe im Zweiradbereich dokumentieren sollte, stießen kaum nennenswerte Neuheiten auf allgemeines Desinteresse. So zumindest Bertrams Eindruck. Die Branche scheint ihre kurzfristige Zukunft jedenfalls eher nicht mehr im grünen Fahrspaß zu sehen. Stattdessen darf es 2011 ruhig wieder aus chromblitzenden Abgasanlagen brubbeln, was das Zeug hält: Eine schwer publikumswirksame, diesjährige Attraktion war die neu eingeführte Custom-Halle. Dem Trend zur Individualisierung folgend, zeigten hier kleine Schmieden, was sie so alles an nicht serienmäßigem zusammenschrauben können. Das darf dann ruhig auch mal etwas extremer ausfallen, Bertram fand hier einige Inspiration für seine eigene Arbeit. Sweet little Rock 'n' Roller Der allerwichtigste Trend der EICMA 2011 allerdings dürfte sich auf einem anderen Gebiet abgespielt haben. Immerhin sind wir in Italien, und da hätte „man“ zwar gerne eine Ducati Monster oder MV Agusta Brutale, hat aber in der Realität einen Roller. Italien ist das wichtigste Rollerland der Welt, und so verwundert es auch nicht, dass Roller einen zentralen Fokus der Messe bildeten. Insbesondere große Roller wie die BMW Modelle C600 und C650 GT und der 805er von Aprilia. Der Maxiscooter mit satten 72 PS soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen. Allerdings fragte sich angesichts der tiefgreifenden Wirtschaftskrise in Italien wohl so mancher, ob er sich diese prunkvollen Großroller in Zukunft überhaupt noch leisten kann. Auch am anderen Ende der Leistungs-Skala präsentierte Italiens vermutlich wichtigster Mobilitätskonzern Piaggio atemberaubendes. Eine Designstudie gab einen Ausblick auf die Zukunft der Vespa: In der Klasse unter 50 Kubik dürfte an der Vespa 46 Quarantasei kaum einer vorbeigegangen sein, der auch nur ein bisschen von Schönheit versteht. Einfach, klar, modern und eine logische Evolution des klassischen Vespa-Designs - bitte genau so bauen. Japan: Der Musik hinterher? Auch bei den japanischen Herstellern ist Bertram natürlich gewesen, so richtig begeistert hat ihn aber scheinbar nicht, was er da sah. Mit so etwas wie einem Neuheitenfeuerwerk (Integra, NC 700 X, NC 700 S, Crosstourer, Vision 50, Vision und Wave 110i) und sechs Modellpflegen (Fireblade, Gold Wing, VFR 1200 F, CRF 450 R, CRF 250 R und CRF150 R) tat sich vor allem Honda hervor. Hier scheint man sich fürs erste von hochtrabenden Visionen zu verabschieden und setzt stattdessen ganz bodenständig auf die „Leichtmatrosen“ CBR 125 R und CBR 250 R. In der „Viertelliter-Klasse“ hofft Honda auf neue Kundschaft, die Konkurrenz ist in diesem Segment hierzulande auch relativ dünn. Bei Yamaha dagegen beeindruckten vor allem die „Dicken“: Besonders die R6 zogen viele Blicke auf sich. Es hat wieder viel Spaß gemacht - nicht zuletzt wegen der trotz goldenem Oktober verlockenden Chance, im November die Alpen von der anderen Seite zu sehen. Und auch mal einen Kaffee zu kriegen, der den Namen verdient. Wir danken Helmut Bertram für die Photos und die Eindrücke! (bs)
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 22.11.2011
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