Mit der im Herbst 1961 auf der Frankfurter IAA vorgestellten und ein Jahr später in Serie produzierten „neuen Klasse“ ging BMW nach Jahren der Krise endlich wieder auf Erfolgskurs. Was fehlte, war ein passendes Coupé, denn der aus der Übernahme des Dingolfinger Konkurrenten Glas stammende „Glaserati“ 2600 und 3000 V8 war nie als echter BMW angesehen worden, weder im noch außerhalb des Unternehmens. Versehen mit einem neu entwickelten Zweiliter Vierzylinder Reihenmotor, erschien im Juni 1965 jenes Modell, das als „Schlitzaugen-Coupé“ oder „Haifischmaul“ in die BMW-Annalen eingehen sollte. Das in München auf Basis der entsprechenden viertürigen Limousine entwickelte Fahrzeug wurde bei Karmann in Osnabrück gefertigt. Bis zum Sommer 1969 entstanden gut 11.000 Vierzylinder-Coupés, davon vier Fünftel in der Ausführung CS mit 120 PS und Schaltgetriebe, während es die 100 PS Ausführung auf Wunsch auch mit Automatik gab.null Das Nachfolgemodell E9 unterschied sich in erster Linie durch einen komplett geänderten Vorderbau mit Doppelscheinwerfern, der sich optisch an der kurz zuvor präsentierten Oberklassen-Limousine E3 orientierte. Dieser war notwendig, um die neuen Sechszylinder-Reihenmotoren mit 2,8 (und später 3,0) Litern Hubraum aufzunehmen, die ebenfalls aus dem Programm der Limousine stammten. Die 1968 präsentierte Sechszylinder-Ausführung war ungleich erfolgreicher als der Vierzylinder und brachte es in sieben Jahren Bauzeit auf mehr als 44.000 Exemplare. Ein Automatikgetriebe war für alle Versionen – bis auf den CSL – lieferbar. Gemessen an der Gesamtstückzahl und der Tatsache, dass die letzten Exemplare des E9 vor fast 35 Jahren die Produktionshallen in Osnabrück verließen, ist das aktuelle Angebot relativ groß. Dies verwundert umso mehr, wenn man sich vor Augen hält, dass werksseitige Rostvorsorge weder bei den Karmännern noch bei anderen Herstellern bis Mitte der 70er Jahre ein Thema war. Neben Vollständigkeit und Originalität muss sich das Augenmerk des Interessenten daher vor allem auf den Blechzustand der Karosserie richten. Blech und Rost Von vorn betrachtet, ist zunächst die Frontmaske in Augenschein zu nehmen. Sie fault häufig an den Übergangen zu den Stehblechen der – geschweißten – Kotflügel und an den Lampentöpfen, vor allem die Vierzylinder-Modelle sind davon betroffen. Die Auflagen der Kotflügel sind ebenfalls häufig angegriffen. Die vorderen Kotflügel selbst haben Rostprobleme zumeist im Bereich der Radläufe, den Blinkerausschnitten (bei den Sechszylinder-Modellen) und den Übergängen zur A-Säule, die ihrerseits ebenfalls als Schwachstellen bekannt sind. Beim Sechszylinder verdienen auch die seitlichen Öffnungen der Lufteinlässe einen kritischen Blick. Im Motorraum sind die Aufnahmen der Federbeine und der oberen Stützlager häufig von der braunen Pest befallen, die Motorhauben neigen zu Kantenrost. Ein kritischer Bereich, vor allem der Vierzylinder-Karosserien, lässt sich am besten bei angehobenem Bodenteppich begutachten: Der Übergang zwischen Innenschweller und Bodenblech. Der B-Säulen Stummel, der Außenschweller bis zum Übergang zum hinteren Radhaus und die Bereiche der Wagenheberaufnahmen sind hingegen Schwachpunkte beider Bauserien. Auch die Bodenbleche der großen Türen und die hinteren Radläufe gehören kritisch geprüft. Im Kofferraum kann ein Blick auf die hinteren Radhäuser nicht schaden. Vor allem der Kofferraumboden und seine Verbindung zur Karosserie ist eine notorische Schwachstelle. Des weiteren rosten im Heckbereich häufig die hinteren Längsträger. Bedingt durch eine Änderung der Grundierungsverfahren, sind die Exemplare ab Modelljahr 1975 im Blechzustand normalerweise besser erhalten als die älteren Semester. Antrieb und Technik Die Sechszylindermotoren der E9 Baureihe halten – gute Pflege vorausgesetzt – quasi ewig: Exemplare mit Laufleistungen von 300.000 Kilometern und mehr sind verbürgt. Dieser Motor galt bei seiner Präsentation als modernster Sechszylinder der Welt. Er besticht bis heute durch seine Laufruhe und Kraftentfaltung. Allerdings schlägt sich eine häufige Abforderung der kompletten Leistung auf Dauer in einer Rissbildung des Zylinderkopfes nieder. Die Vierzylindertriebwerke sind nicht ganz so standhaft. Sie wurden bei vielen Coupés irgendwann gegen andere Neu-Klasse Aggregate getauscht. Doch egal ob vier oder sechs Töpfe: Bläuen beim Gaswegnehmen aus höheren Drehzahlen weist in jedem Fall auf defekte Ventilschaftdichtungen hin, und ein unrunder Leerlauf ist bei den Vergaserversionen ein Zeichen für ausgeschlagene Drosselklappenwellen. Sind beim Vierzylinder in kaltem Zustand unregelmäßige Klappergeräusche zu hören, dürften die Lager der Kolbenbolzen ausgeschlagen sein. Der Simmerring am vorderen Ende der Kurbelwelle lässt gern mal Öl durch. Die Getriebe gelten als problemlos, lediglich die Synchronisation zwischen zweitem und drittem Gang macht sich des öfteren durch kratzende Geräusche bemerkbar. Die Kardanwelle hingegen macht nur ab und an Probleme: Ihr Mittellager kann reißen, der Flansch am Getriebe sich lösen, und die Hardyscheiben sind des öfteren ausgeschlagen. An den Antriebswellen der Hinterachse können die Manschetten defekt sein, bei hohen Laufleistungen schlagen zudem gerne die Gelenke aus. Das Fahrwerk weist im Bereich der Vorderachse an den Gummibuchsen der Zugstreben sowie den oberen Stützlagern der Federbeine oft Alterserscheinungen auf. Auch Gelenke und Köpfe der Spurstangen neigen zu erhöhtem Spiel. An der Hinterachse verdienen die Silentblöcke der Achsantriebsbefestigung einen kritischen Blick. Sämtliche Stoßdämpfer sollten selbstverständlich dicht sein. Die Bremsen neigen zu Standschäden: Bei längeren Betriebspausen gehen die vorderen Bremssättel gern fest, und die Nachstell-Exzenter der hinteren Trommelbremsen rosten ebenfalls fest. Auch einseitige Bremswirkung der Handbremse ist meist eine Folge längerer Betriebspausen. Die Elektrik der CS-Coupés gilt als unproblematisch – so fern sie original erhalten ist und nicht ein Vorbesitzer auf unprofessionelle Weise zusätzliche Verbraucher oder Anzeigeinstrumente angeschlossen hat. Im Innenraum ist die Vollständigkeit und der Zustand des Interieurs ein entscheidendes Kriterium. Preisgefüge und Teileversorgung Originaler Ersatz für Polsterstoffe und Seitenverkleidungen ist so gut wie nicht mehr zu bekommen, und auch bei den Holzapplikationen des Armaturenbretts und der Seitenverkleidungen hilft nur aufarbeiten. Chromzierteile sind gesucht, und originale Karosserieteile - speziell für die Leichtbau-Variante 3.0 CSL - werden quasi in Gold aufgewogen. Das für die Wettbewerbsversion entwickelte, monströse Heckleitwerk des CSL (dem er den Namen „Batmobile“ verdankte) ist übrigens auch heute noch nicht StVZO-konform. Ebenfalls nur für den Sporteinsatz gab es Dreiliter-Motoren mit Vierventiltechnik; sie gelten inzwischen als ausgestorben. Ansonsten gilt, dass die Ersatzteilversorgung der Sechszylinder-Versionen in den meisten Bereichen unproblematischer ist als die ihrer Vierzylinder-Geschwister. Die Ersatzteilpreise bewegen sich allerdings durchweg auf hohem Niveau. Angeboten werden zumeist die ab 1971 gebauten Coupés mit Dreiliter-Triebwerk, die – je nach Ausführung – um 200 PS leisten. Die anfangs lieferbaren 2,8 Liter Vergaserversionen sind seltener, und die durch die Ölkrise initiierten und ab 1974 ausgelieferten CS 2500 mit 150 PS Motor und vereinfachter Ausstattung gelten heute erst recht als Exoten. Sie wurden nur rund anderthalb Jahre lang angeboten und noch vor der Ablösung der E9 Baureihe durch den E24 „Sechser“ Anfang 1976 wieder eingestellt. Komplette Fahrzeuge sind ab ca. 2.500 Euro auf dem Markt, im Zustand 3 werden sie schnell fünfstellig, restaurierte Exemplare im Zustand 2 kosten um 25.000 Euro, und ein 3.0 CSL im Top-Zustand und mit nachvollziehbarer Historie kratzt auch schon mal an der 50.000 Euro Marke. Insgesamt ein Auto für Fans, das allerdings mit einer Menge Platz für vier Personen und Gepäck – und mit noch mehr Fahrspaß - aufwarten kann. Autor: Michael Grote Quelle: Carsablanca |
verfasst am 10.08.2009
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Carsablanca