Außen groß, innen größer. Der Volvo XC90 bietet viel Platz und eine tolle Verarbeitung. In manchen Punkten ist der Schwede den deutschen SUV überlegen. In einem Punkt patzt er aber.
Berlin – Sind bloß noch vier Jahre. Spätestens 2020 soll das iCar kommen. Man weiß ja, was man von Apple erwartet: klare, intuitive und einfache Bedienung vor allem. Doch warum noch vier Jahre warten? Volvo hat schon längst ein kleines iCar im Programm. Nicht was die Abmessungen betrifft, sondern die Bedienung. Da ist der XC90 schon ein bisschen Apple light. Sonst verhält er sich zu durchschnittlichen Kompaktwagen wie ein Röhrenradio zum iPod. Er steht da in der Parkbucht, drängt mit einem Reifen schon auf die Straße, der Spiegel versteckt sich fast im Gebüsch. 1,66 Meter Spurweite und 2,14 Meter Fahrzeugbreite, das ist schon eine Ansage. Dazu kommt eine Länge von 4,95 Metern. Trotzdem: Die zweite Generation des XC90 strahlt auch Coolness aus. Unelegant ist der dicke Volvo nicht. 1. Gang: Die BasisSUV der Oberklasse sind ja per se nicht dezent. Fünf Meter Länge und über zwei Tonnen Leergewicht gelten als Standard bei den automobilen Schwergewichten. Der XC90 wirkt mit der klaren Grill-Kontur und den schmal gezeichneten Scheinwerfern aber zumindest optisch nicht übertrieben bullig. Die hochgezogenen Rückleuchten nehmen dem XC90 die Schwere. Der größte Unterschied zu den großen SUV der Wettbewerber steckt unter der Haube: Anders als Audi den Q7, BMW den X5 oder Mercedes den GLE bietet Volvo den XC90 ausschließlich mit 2,0-Liter-Vierzylindermotoren an. Kein Schock, aber ungewohnt und ungewöhnlich. 2. Gang: Das BesteErstmal zu den schönen Dingen - dem Innenraum. Viel Liebe hat Volvo in die Details gesteckt: Die Knöpfe aus Glas oder Alu fühlen sich hochwertig an, richtig edel zum Teil, und genau so sehen sie auch aus. An den weichen Ledersitzen stecken eingenähte Schweden-Fahnen – ein kleiner, schöner patriotischer Spleen. Der Willen zum Design zeigt sich sogar beim Innenspiegel: Mit einem dünnen Rahmen ohne viel Plastik wirkt er größer, filigraner und deutlich eleganter als andere Spiegel. Flatscreen statt Röhrenfernseher, sozusagen. Apple hätte das nicht besser hinbekommen. Und dann sitzt da das 9,2 Zoll große zentrale Menüfeld hochkant im Armaturenbrett. Nur noch acht Schalter und Knöpfe bleiben auf der Mittelkonsole übrig. Sie steuern Heizung, Radio, Navi, Telefon und die Fahrprogramme. Alles andere ist wie bei einem modernen Tablet-Computer oder Smartphone - spielerisch einfach: wischen, drücken, tippen bringt die Menüs und Funktionen ins Bild. Man "pincht" mit Daumen und Zeigefinger und zoomt so die Navikarte, schiebt sie hin und her. Hauptsache, Brillenputztücher sind immer an Bord, denn der Touchscreen sieht nach wenigen Minuten stark verschmiert aus. 3. Gang: Das SchwächsteVier Zylinder, verteilt auf 2,0 Liter in einem großen, schweren Auto können funktionieren. Müssen es aber nicht. Der Diesel im XC90 brummt, poltert und krakeelt wie ein ungezogener Bubi. Der Vierzylinder-Diesel D5 mit 225 PS passt zum Auto wie Eiswürfel aus Wurstwasser zum Campari-O-Saft: Beim ersten Nippen fällt noch nichts auf. Nach ein paar Minuten verzieht sich das Gesicht. Da stimmt was nicht. Der Diesel strengt sich schon ab 2.500 Touren oder 80 km/h zu stark an, arbeitet zu aufdringlich, zu laut und gibt Vibrationen in den Innenraum weiter. Auch die schnell schaltende Achtgang-Automatik kann das nicht wegbügeln. Das mag die Robustheit eines SUV unterstreichen, ihm vielleicht eine kernige Note verpassen. Zum edlen Ambiente, zum Premiumanspruch und zur Oberklasse passt es nicht. Das können Audi, Mercedes und BMW besser. Dass der NEFZ-Verbrauch von 5,8 Litern trotz ruhiger Fahrt nicht annähernd einzuhalten war, macht es nicht besser. Im Schnitt flossen mindestens 8,6 Liter durch die Einspritzdüsen, maximal standen 9,1 Liter im Bordcomputer. Für ein über 2,1 Tonnen schweres Fahrzeug geht das noch in Ordnung. Im Testwagen kam zum lauten Motor noch eine polternde Hinterachse. Zurück bei Volvo ging er in die Werkstatt, die ein lockeres Gummiteil um den Stoßdämpfer diagnostizierte. Nach rund 25.000 Kilometern Laufleistung, teils im harten Testalltag von Fachzeitschriften, kann das mal passieren. Sollte es aber nicht. Laut Volvo wurde das Gummiteil schnell getauscht. 4. Gang: Das ÜberflüssigsteMit einer Breite von 2,14 Meter inklusive Außenspiegel braucht man in Autobahnbaustellen vor allem eins: Eier. Oder man bleibt gleich auf der rechten Spur und zuckelt langsam den Lkw hinterher. Das macht keinen Spaß, überholen mit diesem Dickschiff allerdings auch nicht. Auch in der Stadt, im Stau und bei der Parkplatzsuche stößt der Volvo an seine Grenzen. Besser man hat ein eigenes Haus mit Doppelgarage und wohnt in einem großzügig geplanten Viertel. In der Stadt stößt der XC90 an seine Grenzen – so schön man auf den Sitzen thront und den Verkehr überblickt: Mit fast fünf Meter Länge bleibt der Volvo groß, ja riesig und in der Stadt ein adipöses Problemkind. Immerhin: die Konkurrenten haben das gleiche Probleme. Die ganze SUV-Bande besteht aus dicken Kindern. 5. Gang: Das WissenswerteFast zwölf Jahre baute Volvo den Vorgänger. Dann war es Zeit für einen Wechsel. Radikal. Nicht nur die Optik änderte sich stark, sondern auch die Fahrzeug- und Motorenpolitik. Volvo setzt nun auf eine skalierbare Produktarchitektur (SPA), auf der weitere Modelle abgeleitet werden. Die Karosseriestruktur besteht zu 40 Prozent aus sehr hartem Borstahl. Dadurch speckte der XC90 im Vergleich zum Vorgänger ordentlich ab. Und: Es gibt eben weder Fünfzylinder noch V8-Motoren, sondern ausschließlich die zwei Liter großen Vierzylinder-Drive-E-Motoren der neuen VEA-Generation. Mit den besagten Nachteilen, zumindest für den Diesel. Siehe oben. 6. Gang: Das BesondereVolvo wäre nicht Volvo wenn die Sicherheitsausstattung nicht üppig wäre: City-Safety-Notbremssystem mit Fußgänger-, Radfahrer- und auch Elcherkennung. Kein Witz. Dazu kommen: Spurhalteassistent mit Lenkeingriff, Totwinkelwarner, Head-up-Display mit Gefahrenmeldung und ein adaptiver Tempomat mit Staufolgeassistent. Ebenfalls angeboten werden Auspark- und Kreuzungsnotbremsassistent, Müdigkeitswarner, Heckaufprallalarm und präventive Gurtstraffer. Die schnallen Passagiere fester an, sobald der Computer erkennt, dass der Volvo von der Straße abkommt. Die zwei Tonnen Leergewicht machen sich beim Lenken und Bremsen kaum bemerkbar, so leichtfüßig zirkelt der Volvo durch Ecken – wenn Platz ist. Auch der Federungskomfort (adaptive Luftfederung 2.560 Euro) stimmt auf allen Straßen, findet genau die Mitte zwischen Komfort und Sportlichkeit. Ausrollen: FazitIm Vergleich zu Audi Q7 3.0 TDI (ab 58.800 Euro), BMW X5 xDrive25d (ab 57.500 Euro) und Mercedes GLE 350d 4Matic (ab 61.047 Euro) mit ähnlichen Leistungsdaten, klingt der Preis des Volvo XC90 D5 AWD mit mindestens 53.400 Euro wie ein Angebot. Doch der Schein trügt: Der Testwagen der Kategorie Voll-Voll kommt auf 80.435 Euro. Unter anderem mit dabei: Business-Paket (4.290 Euro), Fahrerassistenz-Paket (1.650 Euro), elektrische Frontsitze (1.460 Euro), Head-up-Display (1.350 Euro) und Nappaleder-Komfortsitze (1.250 Euro). Nicht nur teuer, sondern auch noch sinnlos. Sagen manche. Andere finden die Zweitonnen-Kisten praktisch und bequem. Außerdem machen sie was her. Beim XC90 gilt das ganz besonders für den ungewöhnlichen, skandinavisch edlen Innenraum. Das seidige Holz schmeichelt den Fingern einfach. Außerdem sieht er auch von außen gut aus und bietet eine umfangreiche Sicherheitsausstattung. Fehlt bloß ein besserer Motor. Der Vierzylinder-Diesel ist zu unkultiviert. Technische Daten: Volvo XC90 D5 AWD Momentum
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